Zu den Aufgaben der Hamburger gehört es, Strichcodes abzutippen. Das ist Teil der Einsatzroutine: An einem Tatort verpacken die Beamten jedes Beweisstück und kleben einen Strichcode darauf, damit es im Verlauf der Ermittlungen leicht auffindbar bleibt. Zurück auf der Wache müssen die Beamten die Zahlen, die unter den Strichcodes stehen, in den Computer übertragen. Normalerweise kann man die Codes einscannen, dafür wurden sie erfunden, man kennt das Prinzip von jeder Supermarktkasse. Aber der Polizei, so heißt es, fehlt eine Schnittstelle. Deshalb müssen sie den Code Zahl für Zahl eintippen. Und da an einem Tatort Hunderte Beweise zusammenkommen können, tippen sie manchmal stundenlang.
Das erzählt Jan Reinecke, der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, einer Polizeigewerkschaft. Vor mehr als 20 Jahren fing er bei der Polizei an. Seit damals wird dort getippt.
Im Sommer berichtete das ZDF darüber, danach bekam Reinecke viele E-Mails. Die Fernsehzuschauer schrieben ihm: Eine Schnittstelle sei gar nicht nötig, das funktioniere auch so! Einer, der wohl Mitleid hatte, bestellte zum Beweis einen Scanner im Internet und schickte ihn Reinecke. Der probierte ihn aus. Es funktionierte. Der Preis so eines Scanners: 15 Euro.
Laut Polizei gibt es immerhin 244 Scanner für die Asservatenverwaltung. Nicht jeder Polizist brauche so einen Scanner, heißt es.
Die Strichcodes auf Asservaten sind nur eines von vielen Beispielen für die IT-Probleme der Hamburger Polizei. Sie verlangsamen die Arbeit der Beamten und gefährden zum Teil ihre Ermittlungen. Da Gewerkschafter wie Reinecke nicht müde werden, davon zu erzählen, wurden die Hamburger Zustände bundesweit bekannt. Comedyshows oder Mario Barth deckt auf spotteten ausgiebig darüber. Nun will die Polizei etwas ändern.
Es gibt eine neue IT-Doppelspitze: Daniel Steinlandt und Norbert Ziebarth sollen die Missstände so bald wie möglich beenden. Der Wirtschaftsinformatiker Steinlandt ist seit einigen Wochen der strategische Leiter der polizeilichen Informationstechnologie, eine Stelle, die ganz neu geschaffen wurde. Steinlandt soll Technikexpertise einbringen. "Meine polizeiliche Erfahrung beschränkt sich bislang auf Tatort und Großstadtrevier", witzelt er. Macht nichts. Dafür steht ihm Norbert Ziebarth an der Seite, ein erfahrener Polizist.
Beide versuchen erst gar nicht, das Offensichtliche zu verbergen. Steinlandt sagt: "Im Vergleich zu anderen Behörden war die Polizei bei der Digitalisierung im hinteren Drittel unterwegs." Ganz vorn werde sie nie dabei sein: "Die Polizei ist der falsche Ort für Experimente. Die Technologie, die wir nutzen, muss funktionieren." Doch Steinlandt und Ziebarth wollen die Polizei weiter nach vorn bringen, "ins erste Drittel".
Die Polizei nutzt jetzt Smartphones, aber nur mit hausgemachten AppsDamit es vorangeht, hat die Polizei gekauft. 3400 gibt es bereits, 600 weitere sollen im kommenden Jahr hinzukommen. Silvio Trommer und Michael Mannigel arbeiten in der Harburger Wache und nutzen die Smartphones mit eigens von der Polizei entwickelten Apps. Diese tragen Namen wie mSB, mARS, mFoto, mDakty oder Teamwire, sie können zum Beispiel Einwohner- oder Führerscheindaten abfragen und Nachrichten schreiben. Allseits beliebte Dienste wie WhatsApp sind verboten, denn alle Daten müssen über das gesicherte Polizeinetz fließen, nichts darf über private Server laufen, wie sie Konzerne wie Facebook betreiben.
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