„ Ich bin ich und du bist du", muss sich Cobain (gespielt vom erst 20-jährigen Bas Keizer) von seiner Mutter Mia (Naomi Velissariou) anhören. Cobain hat's aber auch nicht leicht: Er ist 15, lebt im Kinderheim und seine Mutter ist drogensüchtig. Die liebt zwar ihren „kleinen Mann", wie sie ihn immer wieder nennt, gleichzeitig ist sie aber verrückt und gerät immer wieder außer Kontrolle. Zu allem Unglück ist sie nun erneut schwanger, obwohl sie schon für Cobain nicht richtig sorgt.
Aber wie soll das auch gehen, ohne Entzug? Also trifft Cobain eine radikale Entscheidung. Es wird ein drastisches Ende geben, das auch, wenn es sich bemüht, niemals versöhnlich sein kann.
Cobains Name ist dabei eine gewollt stupide Metapher, den selbstzerstörerischen Geist hat seine Mutter auf alle Fälle. Klar denkt jeder sofort an Kurt Cobain. Aber, wie Cobain es auf den Punkt bringt: „Wer heißt schon gerne wie einer, der sich in den Kopf geschossen hat?" Ein Satz voller Hoffnungslosigkeit und Einsamkeit.
In diesem Film fallen nicht viele Worte, jeder ist in sich zurückgezogen und keiner weiß so Recht, wie er oder sie seinem sozialen Umfeld und den damit einhergehenden Zwängen entkommen soll. Cobain kämpft damit, genauso wie seine Mutter Mia.
Die wird dem Zuschauer als durch und durch gescheitert präsentiert: Sie ist hochschwanger, wer weiß schon, wer der Vater ist? Sie raucht, trinkt, nimmt Drogen. Man mag gar nicht hinschauen. Trotzdem liebt Cobain seine Mutter, er will sie nicht alleine lassen. Egal was kommt, egal wie scheiße sie manchmal ist. Als Zuschauer fällt das am Anfang schwer zu begreifen. Es wirkt fast schon seltsam. Doch nach und nach öffnet sich diese Welt am sozialen Rand der Gesellschaft auch für den Zuschauer.
Es ist einen Einblick, den man nicht oft bekommt, der unangenehm ist, konfrontiert und teilweise schockiert. Wer tut sich freiwillig so etwas an? „Cobain" aber zeigt: Manchmal kann man es sich nicht aussuchen. Life happens. Selbst bei einem Zuhälter namens Wickmayer (Wim Opbrouck) vermeint der 15-jährige Cobain zwischenzeitlich eher Zuneigung und eine Heimat zu finden, als bei seinen Pflegeeltern oder seiner eigenen, kaputten Mutter.
„Cobain" ist wirklich kein Feelgood-Movie. Und mit einen fröhlichen „Coming Of Age"-Teeniefilmen hat er genauso wenig zu tun. Viel mehr ist der Film eine Suche nach Identität und Heimat, eingefangen in wunderschönen Bildern.
Cobain will ankommen, bei sich selbst, bei seiner Mutter und seinem ungeborenen Geschwisterchen. Der aufopferungsvollen Hingabe zuzuschauen, mit der Bas Keizer seiner Figur Leben einhaucht, zerreißt einen förmlich. Der Zuschauer sieht die unweigerliche Katastrophe von Anfang an kommen. Mia, Cobains Mutter wird das nicht überleben. Er kann sie nicht retten, wie auch, schließlich ist er selbst noch nicht erwachsen. Am Ende bleibt ein grauenvolles, rätselhaftes Nichts. Es gibt eben kein Happy-End. Nur die Gewissheit: Das Leben geht weiter. „Ich bin ich und du bist du" - existenzialistischer wird es nicht mehr.
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Von Jungschauspieler Bas Keizer werdet ihr auf jeden Fall noch hörenTrotzdem ist dies ein Film den jeder sich anschauen sollte. Regie führte die Niederländerin Nanouk Leopold. Seine Weltpremiere feierte er auf der Berlinale 2018 in der Generation 14plus. Dort wurde vor allem der Newcomer Bas Keizer für seien Schauspielkünste gefeiert: Er ist in fast jeder Szene zu sehen und trägt die gesamte Geschichte.
Für Keizer selbst war das Schauspielern eine völlig neue Erfahrung, wie er uns erzählt: „Ich hab mehr oder weniger das gemacht, was man mir gesagt hat. Ich habe das vor ,Cobain' noch nie wirklich gemacht." Allerdings hat der junge Niederländer bereits selbst einige Kurzfilme als Regisseur gedreht und kann sich nun vorstellen, beides zu kombinieren: „Ich habe allerdings das Gefühl, ich habe mehr Kontrolle, wenn ich die Regie übernehme. Beim Schauspielen lass ich mich eher leiten von anderen."
Ob es wohl bald nach Hollywood für ihn geht? „Das wäre enorm! Aber meine Eltern haben mir immer gezeigt, wie man am Boden bleibt." Ginge es aber nach ihm, wüsste er schon ganz genau, in was für eine Art Hollyood-Film er am liebsten mitspielen würde: „Irgendwas mit einem Typen auf einer einsamen Insel ", scherzt er.
Hinter den Kulissen: Regisseurin Nanouk Leopold im Interview über „Cobain"
NOIZZ.de: Für „Cobain" haben Sie im Gegensatz zu Ihren bisherigen Filmen das Drehbuch nicht mitverfasst. Wie kam es dazu?
Nanouk Leopold: Das Drehbuch hat zwar Steinette Bosklopper geschrieben, mit der ich schon an einigen Projekten vorher zusammengearbeitet habe. Aber ich habe mir die Geschichte durchgelesen und war sofort hin und weg: Die jugendliche Energie, der Fakt, dass es in diesem Film um einen jungen Teenager geht. All das war neu für mich und ich wollte sehen, ob ich diese Geschichte zu meiner im Film machen kann. Mein vorheriger Film ,,It's All So Quiet " basierte auf einen Roman, also hatte ich schon ein bisschen Erfahrung mit fremden Material zu arbeiten. Das gibt mir insgesmat mehr Freiheiten, mich auch anderen Themen zu widmen.
Aber „Cobain" behandelt kein leichtes Thema. Wie geht man mit sowas in einem Film um?
Im Film tauschen Erwachsene und Kinder ihre Rollen: Das Kind wird zum Erwachsenen, die Erwachsene zum Kind - das bewegt mich sehr. Es ist ein universelles Thema mit dem jeder etwas anfangen kann. Cobain muss seinen ungeborenen Bruder retten, um sich selbst zu retten. Nur so kann er am Ende wieder ein Kind sein.
Genau deshalb wollte ich die Geschichte nur aus seiner Sicht erzählen. Damit wir die Welt so sehen wie er. Er hat keinen allwissenden Umblick, was mit ihm passiert. Vielleicht wird er eines Tages einsehen, wie wichtig all das war, was ihm passiert ist. Zudem Zeitpunkt indem der Film spielt, weiß er das aber nicht.
Das spiegelt sich auch auf andere Weise im Film wieder ...
Ja, genau: Die Kamera und Bildführung konzentriert sich vor allem auf Details an denen man zwar erkennen kann, was passiert, aber keine umfassende Sicht der Dinge hat. Das Publikum soll sich so fühlen wie Cobain.
Der einzige Unterschied ist wahrscheinlich, dass wir uns anders gegenüber seiner Mutter fühlen und der Welt, in der sie zuhause ist mit Drogensüchtigen und Zuhältern. Cobain kennt diese Welt, weil er in sei geboren wurde, er hat keine Vorurteile und versucht seinen eigenen Weg zu finden.
Cobain und seine Mutter reden nicht viel miteinander, sie ziehen sich oft in ihr Inneres zurück. Ist das auch der Grund, wieso das Ende des Films im Wald spielt?
Es ist wichtig, dass Cobain und seine Mutter isoliert sind von ihrer gewohnten Welt. Dort ist niemand, der ihnen vorschreibt, was richtig und was falsch ist. Sie haben Pause von ihrem Alltag. Zum ersten Mal in ihrem Leben wohnen sie zusammen - auch, wenn es nur für ein paar Tage ist. Sie kriegen ein Gefühl dafür, wie ein Leben ohne Probleme sein könnte.
Gleichzeitig muss Cobain wichtige Entscheidungen treffen, um Krisen zu überwinden. Keiner kann ihm dort helfen. Es ist fast wie in einer griechischen Tragödie. Er musste sich abnabeln um eine eigenständige Person zu werden und seinem Bruder retten, auch um sich selbst zu retten.
Das ist ziemlich extrem. Für viele hat das Genre Coming Of Age nicht unbedingt den besten Ruf. Wie sehen Sie das?
Für mich ist das eher ein Sammelbegriff für alle Stories, in denen ein Protagonist erwachsen wird - mehr Beschränkungen gibt es nicht. „Bambi" ist genauso ein Coming-of-Age-Film wie „American Pie", „ Moonlight" oder „ Lady Bird". Und die sind doch alle sehr verschieden. Jeder für sich hat seinen eigenen Mehrwert.
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