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Führen andere Coronaviren zu falsch positiven PCR-Tests?

Im Faktencheck erklären Fachleute, was den PCR-Test so zuverlässig macht und warum der Blick auf die aktuelle Belegung von Intensivstationen nicht reicht.


Die strikteren Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus sieht Bhakdi daher als nicht gerechtfertigt an. Die Corona-Epidemie sei in Deutschland vorbei, sagt er und verweist auch auf die derzeit niedrige Zahl von Covid-19-Patienten auf Intensivstationen.

Virologen aus Leipzig widersprechen der Darstellung Bhakdis entschieden. Der emeritierte Direktor vom Institut für Virologie vom Universitätsklinikum Leipzig, Gerd Uwe Liebert, betont gegenüber MDR AKTUELL, falsch-positive Ergebnisse wegen anderer Coronaviren gebe es nur, "wenn man eine ganz schlampige PCR verwendet".

Generell suche man aber aus der Datenbank diejenigen Abschnitte der viralen RNS, die einzigartig seien und ganz spezifisch nur zu diesem Coronavirus passen. Sogenannte Kreuzreaktionen mit saisonalen Corona- und anderen Viren gebe es nur, wenn man nicht ordentlich arbeite. Er kenne aber keinen Fall, in dem das vorgekommen sei. Hinzu kämen strenge Kontrollen. Sowohl Liebert als auch andere Fachleute verweisen darauf, dass getestete Personen grundsätzlich erst als positiv bestätigt werden, wenn eine Probe in zwei unterschiedlichen PCR-Protokollen zu einem positiven Ergebnis führen.

Bestehe Unsicherheit, ob ein Patient positiv sei, werde ein neuer Abstrich genommen, erklärt Liebert. Das sei aber selten der Fall: von insgesamt ca. 70.000 Tests an der Uniklinik in Leipzig seien bisher etwa 20 bis 25 Mal neue Abstriche genommen worden. Zudem habe sich von diesen Zweit-Proben der Großteil als positiv bestätigt. Das Fazit von Liebert: "Der PCR-Test ist extrem zuverlässig."

Pietsch: Gegentestungen brachten keine falsch positiven Ergebnisse

Auch aus Sicht von Corinna Pietsch, der kommissarischen Leiterin der Krankenversorgung Virologie am Universitätsklinikum Leipzig, sind die Aussagen Bhakdis nicht haltbar. Das Personal in den Labors kenne die PCR und mögliche Fallstricke sehr genau. Neben den doppelten Testungen habe man aber auch schon Gegentestungen bei Patienten gemacht, von denen man gewusst habe, dass bei ihnen sogenannte endemische Coronaviren vorkommen. "Da haben wir in unseren PCR-Protokollen keine Signale messen können. Es gab also keine Reaktivität der PCR, das heißt: keine falsch positiven Ergebnisse."

Endemisch oder pandemisch Als endemisch bezeichnet man Viren, die saisonal vestärkt vorkommen. Dazu zählen Grippeviren, die je nach Jahreszeit für höhere Infektionszahlen sorgen. Da viele Menschen aber bereits eine solche Erkrankung durchlaufen haben, verhindert eine sogenannte Herdenimmunität die unkontrollierte Ausbreitung. Als pandemisch wird ein Virus dagegen bezeichnet, wenn es sich global stark ausbreitet. Ohne Herdenimmunität oder Maßnahmen zur Eindämmung des neuen Virus kommt es zum exponentiellen Anstieg von Infektionszahlen. Gesundheitssysteme drohen dadurch überlastet zu werden.

Umgekehrt gebe es aber auch falsch negative Testergebnisse äußerst selten, sagt Pietsch. Als mögliche Ursachen für diese Art falscher Ergebnisse sieht sie drei Gründe: Zum einen sei denkbar, dass sich ein Virus so verändert, dass die PCR nicht mehr dazu passt. Beim Sars-Coronavirus gebe es dafür aber bisher keinen Anhalt: Auch an der Leipziger Uniklinik werden die Viren laut Pietsch sequenziert und passen demnach weiterhin zu den PCRs.

Als weiteren Grund für falsch negative Ergebnisse nennt Pietsch Proben, in denen sehr wenig Virus enthalten sei. In diesem Fall sei aber auch davon auszugehen, dass die Person nicht infektiös sei. Die Zahl falsch negativer Ergebnisse in ihrem Labor schätzt sie auf "weit unter einem Prozent". Für sehr viel wahrscheinlicher hält sie dagegen, dass qualitativ schlechte Abstriche ein negatives Testergebnis bringen, obwohl ein Patient positiv ist. Zahlen dazu kann Pietsch nicht nennen, betont aber, dass für aussagekräftige Testergebnisse der Abstrich an der richtigen Stelle erfolgen müsse: also tief im Rachen und nicht "irgendwo am Gaumen".

Aber auch die Kommunikation zwischen den verschiedenen Beteiligten wie Ärzten und Laboren sei wichtig, betont Pietsch. So könne man im klinischen Bereich schnell erkennen, wenn ein negatives Ergebnis nicht zum klinischen Bild eines Patienten passe. Schwieriger sei es, wenn Personen nahezu anonym in eine Praxis kämen, einen Abstrich machen ließen, ein weit entferntes Labor diesen teste, aber die abstreichende Person den Patienten möglicherweise nicht wieder sieht, um das Testergebnis mit dem klinischen Bild abzugleichen.

Grund zur Panik sieht Pietsch angesichts der aktuellen Infektionszahlen nicht. Es sei aber wichtig, die Situation auf den Intensivstationen genau zu beobachten. Vom Zeitpunkt der Infektion bis ein Patient tatsächlich intensivmedizinisch versorgt werden muss, können der Virologin zufolge zwei bis vier Wochen dauern. Ähnlich äußerte sich auch kürzlich die Virologin Isabella Eckerle im ZDF: "Wenn ich nach den Intensivbetten-Zahlen schaue und dann Maßnahmen treffe, treffe ich die Maßnahmen, die ich vor einem Monat hätte treffen müssen."

Covid-19-Fälle auf Intensivstationen steigen deutlich

Nach Daten des DIVI-Intensivregisters hat sich die Zahl der Covid-19-Patientinnen und Patienten mit intensivmedizinischer Versorgung innerhalb der vergangenen vier Wochen mehr als verdoppelt: Für den 12. Oktober wurden bundesweit 590 solcher Fälle gemeldet - ein Anstieg um 45 Patienten im Vergleich zum Vortag. Am 14. September, also am Montag vor vier Wochen, wurden noch insgesamt 237 Personen mit Covid-19 intensivmedizinisch behandelt. Damals lag der Anstieg zum Vortag nur bei einer Person.

Rund die Hälfte der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen wird invasiv beatmet. Etwa jeder Vierte, der mit Covid-19 auf die Intensivstation kommt, stirbt.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 12. Oktober 2020 | 08:19 Uhr


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