So kostbar, dass das Messbuch, wie andere Handschriften auch, im Mittelalter für die Geistlichen im Halberstädter Dom neben dem Gebrauch in der Messe nur durch ein Gitter zu studieren waren. Zu groß die Angst vor Diebstahl, selbst in einem Bereich des Doms, das nur den hohen Geistlichen zugänglich war. Heute hingegen überwiegt die Angst vor der Vergänglichkeit der jahrhundertealten Dokumente. Denn Handschriften seien sehr fragil, erklärt die Direktorin des Halberstädter Domschatzes, Uta-Christiane Bergemann. Sie würden selbst unter Staub leiden und wenn sie zu lange dem Licht ausgesetzt sind, würde sofort ein Verfallsprozess beginnen. Deswegen liegen sie außerhalb der Ausstellungszeiten in klimatisierten Depots. Einzelne Seiten dürfen geöffnet nur sechs bis acht Wochen gezeigt werden. In der Mitte der Ausstellungszeit wird daher einmal umgeblättert.
Neben dem Messbuch sind außerdem fünf weitere Handschriften ausgestellt. So zum Beispiel das Fuldaer Evangeliar aus dem neunten Jahrhundert, der Gründungszeit des Halberstädter Bistums. Wie viele andere Schriftstücke enthält es neben der heiligen Schrift Randnotizen, die Aufschluss geben über die Liturgie im Mittelalter. Beim Fuldaer Evangeliar sind Randnotizen vom neunten bis ins zwölfte Jahrhundert zu entdecken, so Bergemann. Das zeige, dass dieses Evangeliar in Halberstadt in der Kirche tatsächlich genutzt wurde und aus diesem Buch die Evangelien gelesen wurden. Die jahrhundertealten Handschriften sind auch ein Stück Schriftkultur. An den vielen Details, wie Verzierungen, der besonderen Art der Einteilung der Spalten und der Genauigkeit bei der Arbeit könne man, so Bergemann, eine deutliche Liebe für die Schrift ablesen. Die Handschriften sind Vorreiter der heutigen Buchkultur und in ihrer Detailverliebtheit und aufwändigen Herstellung zu bewundern.
Und das hat Konsequenzen bis heute. Also wenn wir nicht durch diese Geschichte gegangen wären, dann hätten wir die ganze bibliophile Kultur auch heute nicht.
Uta Christiane Bergemann, Museumsdirektorin Halberstädter DomschatzDas Besondere am Domschatz in Halberstadt ist, dass dort - neben den Handschriften - auch noch Reliquien, liturgische Gewänder und Messkelche aus dem Mittelalter erhalten sind. Man könne mit den verschiedenen Schätzen ein gutes Bild gewinnen, wie damals das religiöse Leben im Dom ausgesehen hätte, so die Museumsdirektorin.
Mit seinen 650 Stücken gilt der Halberstädter Domschatz als der umfangreichste mittelalterliche Kirchenschatz überhaupt, der sich am historischen Ort seines Gebrauchs erhalten hat. Denn es wurde am Halberstädter Dom zwar die Reformation eingeführt, aber nicht vollständig. Denn der Bischof hat den Domherren überlassen, ob sie dem protestantischen Glauben beitreten oder ob sie katholisch bleiben wollten. Vier der Domherren haben sich für den katholischen Glauben entschieden und auch ihre Stellen wurden später wieder von Katholiken besetzt, sodass es ein gemischt konfessionelles Kapitel war. Da über mehrere Jahrhunderte hinweg also eine Ökumene bereits gelebt wurde, führte es dazu, dass nichts von dem, was mittelalterlich katholisch war, dann von den Protestanten verkauft, vernichtet oder verschenkt wurde.
Mehr Informationen Sonderausstellung "Schätze Halberstädter Handschriften" 24. September 2020 bis 6. Januar 2021 Dom zu Halberstadt Domplatz 16a 38820 Halberstadt Öffnungszeiten: geöffnet in Zeitfenstern Mittwoch bis Sonntag/Feiertag bis Oktober: 10 bis 11:45 Uhr 12.30 bis 14:15 Uhr 15 bis 16:45 Uhr ab November: 10 bis 11:45 Uhr 12.30 bis 14:15 Uhr
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 23. September 2020 | 07:40 Uhr