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Pawel Adamowicz: Polens Staatsfernsehen schürt Hassdebatte

Der Bürgermeister von Danzig, Pawel Adamowicz, ist während einer Wohlfahrtsveranstaltung auf der Bühne von einem 27-Jährigen angegriffen worden. Nun ist er den schweren Verletzungen erlegen. | Quelle: WELT / Thomas Laeber

Nach dem Tod des Danziger Bürgermeisters Pawel Adamowicz hat in Polen eine Kontroverse über den hasserfüllten Ton zwischen beiden politischen Lagern eingesetzt. Manche schrecken nicht mal davor zurück, dem Mordopfer die Schuld zu geben.

Die Einheit währte nur kurz: Nach dem Mordanschlag auf Danzigs Bürgermeister Pawel Adamowicz während einer Benefizveranstaltung vor laufenden Kameras am Sonntag sah es zunächst so aus, als würde ganz Polen in Trauer zueinander finden. Tausende kamen am Montag in etlichen polnischen Städten zusammen, sangen, zündeten Kerzen an.

Sämtliche Mitglieder der Regierung und Staatspräsident Andrzej Duda, der der PiS entstammt, bekundeten ihre Anteilnahme. „Feindschaft und Gewalt haben zur tragischsten Folge und zu Schmerz geführt. Mit so was können wir uns nicht einverstanden erklären", schrieb er auf Twitter.

Wenig später aber taten sich die ersten Risse auf. Als Duda die Vertreter der politischen Parteien in den Präsidentenpalast einlud, um für Dienstagabend einen gemeinsamen Trauermarsch zu planen, sagten die liberal-konservative Bürgerplattform und das Bündnis der Demokratischen Linken postwendend ab.

Begründung: Der Tod von Adamowicz solle nicht politisiert werden. „Es sei nicht an der Zeit für politische Treffen", sagte dann auch der bekannte Oppositionelle Ryszard Petru, der sich mit seiner Kleinstpartei Teraz (Jetzt) ursprünglich mit Duda zusammensetzen wollte.

Duda erklärte daraufhin in einer Pressekonferenz: „Wir werden keinen Marsch organisieren." Er verwies auf den Wunsch der Familie des Verstorbenen, die Politik aus alledem rauszuhalten.

Die Politik allerdings lässt sich nur schwerlich raushalten. Als mutmaßlicher Attentäter wurde ein 27-jähriger Ex-Häftling aus Danzig festgenommen, der auf die Bühne gestürmt war und geschrien hatte, er übe Rache an der früheren Regierungspartei Bürgerplattform, deren Mitglied Adamowicz bis 2015 war.

Gegner werden verunglimpft

Obwohl der Angreifer offenbar aus persönlichen Motiven heraus gehandelt hat, diskutiert Polen nun, inwieweit der hasserfüllte Ton zwischen den politischen Lagern, dieses vergiftete Klima, die Tat vielleicht erst ermöglicht hat.

Immerhin schreckt die PiS seit ihrem Wahlsieg 2015 vor kaum einem rhetorischen Mittel zurück, den politischen Gegner zu verunglimpfen. Ihr mächtigstes Instrument ist dabei das staatliche Fernsehen TVP, das sie zügig nach den Parlamentswahlen zu einer Art Propagandamaschine umbauen konnte. Auch der liberale Adamowicz, der bekannt war für sein Engagement für Homosexuelle und Flüchtlinge, war regelmäßig Ziel von Angriffen.

Das Staatsfernsehen sendete auch Montagabend einen Clip, der alles andere als pietätvoll war und die Debatte über Hass weiter anheizte. In einem Bericht der Nachrichtensendung „Wiadomosci" wurde zwar anerkannt, dass die politische Auseinandersetzung hasserfüllt sei, aber verantwortlich dafür seien ausschließlich der Friedensnobelpreisträger Lech Walesa, ein erklärter Kritiker der PiS, und die Bürgerplattform - also die Partei, der der verstorbene Adamowicz selbst angehört hatte.

Es wirkte so, als wollte das Fernsehen Adamowicz für seinen eigenen Tod verantwortlich machen. Selbst regierungsnahe Journalisten distanzierten sich, wie Marcin Makowski, der für das rechtsnationale Wochenblatt „Do Rzeczy" arbeitet. „So etwas ist journalistisch und menschlich nicht zu verteidigen. Eine vollkommene Schande", teilte er mit. Politiker kritisierten den Sender scharf.

Mittlerweile soll sich, wie die Zeitung „Rzeczpospolita" berichtet, sogar der Parteivorsitzende der PiS, Jaroslaw Kaczynski, dafür einsetzen, dass der Chef des polnischen Staatsfernsehens, Jacek Kurski, abgesetzt werde. Das ist umso bemerkenswerter, da Kurski nach dem Sieg der PiS bei den Parlamentswahlen eingesetzt wurde und er als Kaczynskis Mann fürs Grobe gilt. Sein Spitzname: Kaczynskis Bullterrier. Nun offenbar ist er zu weit gegangen.

Der Mord an Bürgermeister Adamowicz ist nicht der erste Angriff dieser Art in der jüngeren Geschichte Polens. 2010 attackierte Ryszard Cyba, ein polnisch-kanadischer Taxifahrer und ehemaliges Mitglied der Bürgerplattform, ein Abgeordnetenbüro der PiS in Lodz. Er tötete einen Mitarbeiter und verletzte einen anderen. Als er gefasst wurde, erklärte er, er wolle Kaczynski umbringen.

Angriffe auf Regierungspartei

Der Fall wurde nach dem Mord an Adamowicz im polnischen Fernsehen zitiert. Wenn auch die Bürgerplattform die Regierung immer wieder angreift, die PiS etwa mit „Bolschewisten" vergleicht, so dürfte die aktuelle Debatte auf die Propaganda der PiS abzielen.

Dass nämlich die Kritiker der Regierung zu Gegnern Polens erklärt werden, Kaczynski sie „Polen der schlechtesten Sorte" nennt und die Opposition im Parlament als „Kanaillen" beschimpft, das ist es, was viele Menschen im Land nach dem Tod von Pawel Adamowicz nun in den Ohren haben.

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