Mit den Städtepartnerschaften und Kulturaustauschprogrammen ist das so eine Sache. Es kann schon mal vorkommen, dass die Beteiligten nicht im gleichen Maße Interesse aneinander haben. 2016 begehen wir das 25-jährige Jubiläum des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags. Vor diesem Hintergrund fand am vergangenen Sonnabend im Berliner Tiergarten ein Warschauer Sommerkonzert statt - bei Regen unter Planen.
Chopin hat in Warschau TraditionIn Polens Hauptstadt ist es Tradition, dass sich bei gutem Wetter Menschen im Lazienki-Park zu Füßen des berühmten Chopin-Denkmals treffen und dort den Etüden und Nocturnes des großen Komponisten lauschen. Leider wollte der Funke nicht so recht überspringen, als am Sonnabend die drei polnischen Musiker ihre Jazzvariationen verschiedener Chopin-Werke spielten, und das, obwohl die Warschauer Bürgermeisterin Hanna Gronkiewicz-Waltz anwesend war. Vielleicht war aber auch gerade das der Grund.
Es schien, als hätten sich kaum Berliner in den Tiergarten verirrt, im Publikum saßen vornehmlich Vertreter des deutsch-polnischen Kulturbetriebs, in der ersten Reihe die Frau Bürgermeisterin, gut verpackt in blauen regenabweisenden Stoff. Von Michael Müller war weit und breit keine Spur. Immerhin war der vor einigen Wochen zu Besuch in Warschau.
Doch noch ein DeutscherNach dem Konzert stehen mein Freund Leszek aus der Warschauer Stadtverwaltung und Kulturstaatssekretär Tim Renner beisammen. Doch noch ein Deutscher, denke ich mir. Indes sehe ich Beata Chomatowska, eine polnische Publizistin, die am Vorabend zusammen mit der deutsch-polnischen Künstlerin Maria Kossak in Neukölln ihr Kulturmagazin vorgestellt hat. Auch sie weiß von mangelhaftem Interesse seitens der deutschen Berliner zu erzählen. Kaum jemand benötigte die Kopfhörer für die Simultanübersetzung für das Gespräch, das auf Polnisch stattfand.
Das Magazin Berlin-Warszawa Artpress soll Künstler und Autoren in beiden Hauptstädten verbinden. Vor allem sind dies in Berlin jedoch deutsch-polnische. Gefördert wird das Projekt von der Stadt Warschau, aus einem Berliner Topf kommen gerade mal 100 Euro.
Nach dem Brexit bloß kein PolexitWo ist das Interesse am Nachbarland? Gerade in Zeiten, in denen eine EU-skeptische Regierung Polen umbaut, sollte Kultur nach vorne treten. Auf dieser Ebene nämlich fängt es an. Nach einem Brexit darf sich Europa keinen „Polexit" erlauben. Jener Begriff macht in Polen bereits die Runde. Haben Sie's gewusst?