Für die Oscar-Verleihung am Sonntag sind mehr schwarze Schauspieler denn je nominiert. Doch kurz zuvor belegt eine Studie, dass Hollywood erheblich mehr Vielfalt braucht, um ein wirtschaftliches Fiasko abzuwenden.
New York. Es sieht so aus, als hätte die Social Media-Gemeinde zusammen mit einigen Promis die Oscar-Entscheider zum Guten bekehrt - oder besser gesagt: mit dem Pranger dorthin geprügelt. Nachdem „12 Years A Slave" im Jahr 2014 drei Oscars abgeräumt hatte, liefen 2015 plötzlich überhaupt keine schwarzen Schauspieler mehr über den roten Teppich.
Daraufhin spülte eine Welle von Hohn, Spott und Zorn durch die sozialen Medien, begleitet von dem Hashtag #OscarsSoWhite. Trotzdem passierte im Folgejahr das gleiche. Selbst „Straight Outta Compton", ein Film über die Hip-Hop-Gruppe N.W.A., der an der Kinokasse den bisherigen Musiker-Biografie-Spitzenreiter „Walk The Line" überholte, bekam eine Nominierung nur für Weiße - die beiden Drehbuchautoren.
Weltstars wie Will Smith und Spike Lee boykottierten daraufhin die Oscar-Verleihung. Comedian Chris Rock ließ zwar von seinem Job als Moderator der Veranstaltung nicht ab, meldete sich auf der Bühne dann aber mit dem Hinweis: „Ich bin hier bei den Oscars, auch bekannt als White Peoples Choice Award."
Bald darauf verkündete die Academy of Motion Picture Arts and Sciences, die den Preis verleiht, sie wolle diesen Missstand beseitigen. Schon hagelt es 2017 Rekorde: Sechs der 20 Oscar-nominierten Schauspieler sind Schwarze, so viele wie nie zuvor, erstmals auch zeitgleich in allen vier Darsteller-Kategorien.
Drei der vier Filme, in denen sie spielen, sind in der Kategorie „Bester Film" vertreten. Gleich vier schwarze Filmemacher konkurrieren um den Preis für den besten Dokumentarfilm. Unter ihnen schafft die zuvor mit ihrem Spielfilm „Selma" übergangene Regisseurin Ava DuVernay nun mit „13th" zugleich noch als erste schwarze Frau den Sprung in diese Kategorie.
Bis dahin war es ein langer Weg. Der erste Oscar an eine US-Minderheit ging 1939 an Hattie MacDaniel. Sie wurde als beste Nebendarstellerin für ihre Rolle in „Vom Winde verweht" ausgezeichnet - für das dick-dümmliche, pechschwarze Hausmädchen Mammy hatte man ihr das Klischee eines Menschen zweiter Klasse ins Drehbuch geschrieben.
Nur zögerlich verabschiedete sich Hollywood von solchen Rollen für Schwarze. Noch 2012 gewinnt Octavia Spencer einen Oscar für ihre Nebenrolle als Hausmädchen im Bürgerrechtsdrama „The Help". 2017 ist sie erneut nominiert, diesmal spielt sie eine Nasa-Mathematikerin in „Hidden Figures".
Konkurrentin Viola Davis spielt im Pulitzerpreis-gekrönten Drama „Fences" an der Seite des ebenfalls nominierten Denzel Washington eine Frau, die mit einer fragwürdigen Entscheidung ihres verbitterten Gatten konfrontiert ist. Davis gilt als heißeste Kandidatin für die Trophäe. So oder so darf sie sich mit dem Titel der meistnominierten Schwarzen schmücken. Es könnte also alles im Lack sein.
"Ich sehe nur Schwarz und Weiß"
Erleichtert schaut Academy-Chefin Cheryl Boone beim traditionellen Mittagessen aller Nominierten auf die Menge und spricht davon, dass das ja nun ein schönes Bild sei. Die Oscar-Nominierten sind teils anderer Ansicht.
„Ich sehe nicht viel Vielfalt“, sagt etwa Octavia Spencer gegenüber „USA Today“. „Ich sehe nur Schwarz und Weiß.“ Sie erinnert daran, dass es in den USA noch mehr Hautfarben und Herkünfte gibt und fordert zudem Anerkennung für Regisseurinnen und Kamerafrauen.
Auch April Reign, die den „Oscars So White“-Hashtag in die Welt setzte, twittert zwar Zustimmung, schreibt aber auch, dass ein Jahr, das die Erfahrungswelt Schwarzer spiegelt, nicht mehr als 80 Jahre wettmacht, in denen alle möglichen Gruppen unterrepräsentiert waren.
Mit seinem Mangel an Bandbreite eckt Hollywood aber nicht nur bei Verfechtern der Chancengleichheit an. Wenn die Filmindustrie es nicht schafft, sich auf ein buntgemischtes Publikum einzustellen, wird sie sich bald auf einem Schrumpfmarkt auf die Füße treten.
Denn ...
(Im Original weiterlesen, wo Studiobosse irren, ob die Academy mit ihrem Bekenntnis zur Diversity tatsächlich etwas verändert hat und was Forscher der Filmbranche empfehlen)
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