Das ist die eine Perspektive.
Die andere Perspektive sieht so aus:
Sie sind die wahren Fußballfans. Die einzigen, die den Verein kompromisslos unterstützen. Diejenigen, die beeindruckende Choreographien organisieren und mit ihren Bengalos und Gesängen mediterrane Stimmung ins Stadion zaubern. Sie sind der harte Kern.
Selbstwahrnehmung und Außenwirkung der Ultras klaffen weit auseinander. Ihre Mission: Die Unterstützung ihres Clubs. Möglichst lautstark, auffällig, kreativ. Mit Megaphonen geben sie die Fangesänge vor, mit Fahnen, Doppelhaltern und farbigen Karten schaffen sie bunte Choreographien. Alles ist genau durchorganisiert, die Unterstützung der Mannschaft muss perfekt sein. „Supporten" nennen sie das.
Ihren Ursprung hat die Szene im Italien der 50er. Vor etwa 20 Jahren kam die Bewegung auch in deutsche Stadien. Die Kommerzialisierung des Fußballs lehnen sie ab. Die offiziellen Trikots kaufen die meisten von ihnen nicht. Fan-Artikel machen sie selber.
Offizielle Trikots kaufen sie nichtUnd ihre Liebe zum Fußball klebt überall. An Stromkästen, in der U-Bahn, an nahezu jedem Laternenmast. Die wahlweise gelben, blauen oder roten Sticker sind Reviermarkierung, Liebesbeweis und politische Botschaft in einem.
Wir wollten uns mit Ultras über Fußball unterhalten. Über das, was sie umtreibt. Eben weil sie sich als der harte Kern der Fangemeinde verstehen. Nur: Die Ultra-Fanclubs im Ruhrgebiet sind pressescheu. Interviews haben alle Gruppen abgelehnt. Aber wir haben einen Ultra gefunden, der mit uns sprechen wollte.
Wir treffen Michael Blechstein, der eigentlich anders heißt, in einem Café. Der junge Mann ist Anfang 30, groß gewachsen und breit gebaut. Er wirkt lässig in seiner Kapuzenstrickjacke und den weiten Jeans. Seine Begrüßung ist freundlich, aber er stellt sofort klar: „Ich antworte nicht auf alle Fragen". Jahrelang war er Teil der Ultraszene in Dortmund. Jetzt ist er „nicht mehr so aktiv", wie er sagt. Zu Beginn unseres Gesprächs ist Blechstein sehr vorsichtig. Er ist skeptisch uns gegenüber, weil wir Journalisten sind. Auf keinen Fall will er, dass sein echter Name auftaucht. Denn unter Ultras ist es verpönt, mit Journalisten zu sprechen. „Weil in der Presse viel Blödsinn erzählt wird", sagt er - und meint Berichte über Ausschreitungen in Stadien, über Gewalt unter Fans und randalierende Ultras. Darum gehe es nicht beim Ultrasein, sagt er und schüttelt den Kopf.