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Der Sport der schwarzen Mehrheit, news.de

3. Mai 2010

Fußball in Südafrika 

Der Sport der schwarzen Mehrheit 

Ein Stadionbesuch in Südafrika ist ein Erlebnis: Die Vuvuzelas tröten, in den Stadionecken wird gegrillt und die Fans beider Teams sitzen friedlich vereint auf den Rängen. Südafrikas Fußball hat Potenzial, an der Professionalität aber hapert es.

Von Peter Neitzsch

In jeder Stadionkurve stehen Frauen hinter Klapptischen und grillen, was die Fleischtöpfe hergeben. Zu Steaks und Hähnchenschlegeln gibt’s Pap, den traditionellen Maisbrei, und die Chillisoße Chakalaka. Die Beilagen werden aus großen Plastikeimern geschöpft. Die große Portion kostet 20 Rand, gerade einmal 1,80 Euro - so viel wie die Eintrittskarte ins Fußballstadion.

Das Bidvest-Stadion liegt auf dem Campus der Universität Witswatersrand in Johannesburg, kurz Wits genannt. Von außen ist nicht erkennbar, dass die Bidvest Wits in der Profi-Liga kicken: Der Sportplatz ist, verglichen mit Deutschland, bestenfalls drittklassig, die Zuschauerbänke sind trotz der günstigen Preise nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Nicht ungewöhnlich für die südafrikanische Fußball-Liga.

Der Stimmung tut das keinen Abbruch. Dafür sorgt schon das ohrenbetäubende Tröten der Vuvuzelas, Plastiktrompeten, die ordentlich Krach machen. Konflikte zwischen rivalisierenden Fans sind in Südafrika unbekannt. Die Stadien haben daher in der Regel keine getrennten Fanblöcke, jeder jubelt für die Mannschaft seiner Wahl.

Helden der Townships

Fußball war und ist in Südafrika der Sport der schwarzen Mehrheit. Während die Leidenschaft der Weißen dem Kricket und dem Rugby gilt, wurde schon während der Apartheid in den Slums der Großstädte und in den Homelands gekickt, was das Zeug hielt. Die Spieler der Klubs sind die Helden der Townships. Viele schwarze Südafrikaner haben daher einen ganz besonderen Bezug zur WM 2010: Sie freuen sich, dass nun endlich auch in die Fußballstadien investiert wird.

Mpho Sadiki ist ein Fan der Kaizer Chiefs. «Bislang mussten wir oft in Rugby-Stadien spielen, jetzt bekommen wir endlich eigene, moderne Stadien.» Die bisherige Sportstätte der Chiefs in Orlando sei nicht sehr gut gewesen. Orlando ist ein Stadtteil des Townships Soweto bei Johannesburg. Die Orlando Pirates und die Kaizer Chiefs sind nicht nur Lokalmatadoren, sondern auch die besten Teams des Landes. Beim Derby der Rivalen kocht das ausnahmsweise ausverkaufte Stadion.

Jetzt bekommt Soweto ein neues Vorzeige-Stadion: Unweit von Orlando, zwischen den Abraumhalden der Goldminen, entsteht «Soccer-City», eine der zehn Spielstätten, die jetzt im Akkordtempo WM-tauglich gemacht werden. Hier, wo im südafrikanischen Winter Eröffnungs- und Endspiel ausgetragen werden, sollen 94.000 Zuschauer Platz finden. Ob die Kapazität nach der WM jemals voll genutzt wird, ist fraglich.

«Man braucht schon Nerven»

Die Kaizer Chiefs wurden wie manch anderer Klub auch von einem ehemaligen Spieler-Star der Pirates, Kaizer Motaung, gegründet. Heute ist der Klub einer der professionellsten in Afrika. Seit neun Jahren trainiert der Deutsche Rainer Dinkelacker die Torhüter der Chiefs. Seitdem hat sich einiges getan: «In den letzten Jahren hat sich der südafrikanische Fußball schon sehr professionalisiert», sagt Dinkelacker. «Als ich herkam, gab es nur zwei, drei Klubs, die überhaupt einen Torwarttrainer hatten. Jetzt ist das normal.»

Über seine Arbeit bei den Chiefs sagt der Trainer: «Man braucht schon Nerven, wenn man wie ich als Schwabe Disziplin und Pünktlichkeit gewohnt ist.» Von der fußballerischen Qualität seiner Spieler ist er aber überzeugt: «Von der technischen Seite wird hier genauso gut gespielt wie in der Bundesliga. Das Problem ist eher die fehlende Ordnung und die Ballverliebtheit.»

Klasse Fußball - keine Tore

Darunter leidet auch Südafrikas Nationalelf: Der Fußball ist klasse, doch die Tore fehlen. Nicht einmal die Qualifikation für die Afrika-Meisterschaft im Januar hatte das Team, das hier nur «Bafana Bafana» - die Jungs - genannt wird, geschafft. Auch bei Freundschaftsspielen sah die Bilanz nicht gut aus. Dabei hatten sich die Südafrikaner beim Confederations Cup 2009 bis auf den vierten Platz vorgekämpft.

Schuld an der Niederlagen-Serie hatte in den Augen vieler Südafrikaner Trainer Joel Santana, der deswegen seinen Hut nehmen musste. Jetzt soll es Carlos Alberto Parreira richten, der die Nationalmannschaft bereits 2007 trainierte und 1994 Brasilien zum Weltmeistertitel führte.

Santana wurde in Südafrika heftig kritisiert, weil er kaum Englisch spricht. «Wenn ich mich mit meinen Torhütern nicht unterhalten kann, dann geht sehr viel verloren», sagt Dinkelacker. «Kommunikation ist hier vielleicht noch wichtiger als in Europa.» In den neun Jahren in Südafrika hat Dinkelacker schon drei Keeper für die Nationalelf fit gemacht. Einer von ihnen ist Itumeleng Khune, der mit 17 Jahren zu den Chiefs kam und mit 21 Bafana-Torwart wurde. Khune ist sich sicher: «Wir werden an unsere alte Form anknüpfen und wieder Spiele gewinnen.»


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