1 subscription and 0 subscribers
Article

Verschiedene Ursachen: Demenz in jungen Jahren: Wohin sich Betroffene wenden können

Demenz bleibt in jungen Jahren häufig erstmal unerkannt. Denn bevor die Erinnerung verschwindet, haben Betroffene häufig zum Beispiel Probleme, sich im Job durchzusetzen oder sie zeigen vermeintliche Anzeichen eines Burn-outs. Foto: dpa​

Berlin/Bonn (dpa) - Mit 30 oder 40 Jahren dement werden - damit rechnet niemand. Doch auch junge Menschen erkranken, wenn auch seltener. Für die Betroffenen stellen sich andere Fragen als für im höheren Lebensalter: Kann ich weiter arbeiten? Wer betreut mich? Und wie sage ich es meinen Kindern?

Ursache für eine Demenz, die vor dem 65. Lebensjahr beginnt, können verschiedene Krankheiten sein, erklärt Michael Lorrain, Vorstandsvorsitzender der Alzheimer Forschung Initiative Deutschland. "Neurodegenerative Krankheiten wie Alzheimer oder die Lewy-Körperchen-Demenz, Durchblutungsstörungen wie beispielsweise bei einem Schlaganfall, Hirntumore oder Parkinson können Auslöser sein." Auch Menschen mit Trisomie-21 erkranken häufig schon jung an Demenz. Und es gibt eine sehr seltene vererbbare Form von Alzheimer, die im Schnitt bereits mit 42 Jahren auftritt.

Die Symptome fallen bei Jüngeren häufig früh auf - doch die Diagnose gestaltet sich langwierig. Zunächst fällt es zum Beispiel schwerer, sich im Job durchzusetzen, man ist unaufmerksam oder zunehmend orientierungslos. Manche denken denn erstmal an ein Burn-out. Bis die Diagnose Demenzerkrankung im Raum steht, können Monate vergehen.

Erst dann kann sich die Familie mit den Folgen beschäftigen. Denn erkrankt zum Beispiel der Hauptverdiener früh, steht die Familie vor massiven finanziellen Problemen: Ein nicht abbezahlter Kredit und die Frage nach der Finanzierung der Krankheit über Jahre hinweg verschärfen die ohnehin schon schwierige Situation.

Sofort aus dem Beruf raus muss man mit Demenz allerdings nicht immer. Manche Betroffene können zunächst weiterarbeiten, eventuell in Teilzeit oder einer einfacheren Tätigkeit. Ist das nicht mehr möglich, sei es sinnvoll, sich krankschreiben zu lassen, sagt Susanna Saxl von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft. 78 Wochen können Arbeitnehmer maximal Krankengeld beziehen. Danach müssen sie in der Regel berufsunfähig in Rente gehen.

Nach Einstufung in einen Pflegegrad stehen Betroffenen zwar Pflegegeld und weitere Leistungen zu, sie können ein ausfallendes Gehalt aber nicht ersetzen. Problematisch ist außerdem, dass der gesunde Partner oft nicht Vollzeit arbeiten kann, da er sich um den Erkrankten kümmern muss.

Informationen zu Entlastungsangeboten für Angehörige sowie zu finanziellen und rechtlichen Regelungen erhalten betroffene Familien beim Alzheimer-Telefon. Außerdem gibt es Beratungsstellen, unter anderem von den Wohlfahrtsverbänden.

Sowohl für den Ehepartner als auch die Kinder kann es schwierig sein, zu verstehen, wie sich ein Familienmitglied durch Demenz verändert. Je nach Krankheit unterscheiden sich die Herausforderungen: "Während Betroffene bei Alzheimer nach und nach mehr Hilfe im Alltag benötigen, verändert sich bei einer Frontotemporalen Demenz vor allem die Persönlichkeit der Erkrankten", erklärt Saxl. Betroffene verlieren beispielsweise ihre Impulskontrolle, können aggressiv und beleidigend werden.

Vor allem für Kinder ist die Situation entsprechend belastend. Eltern sollten ihnen von Anfang an offen und altersangemessen erklären, was mit dem erkrankten Elternteil geschieht. "Die Erwachsenen sollten schauen, was das Kind beschäftigt", rät Saxl. Wichtig sei es, Kindern zu vermitteln, dass sie nicht schuld an der Krankheit sind.

Manchen Kindern hilft es, mit einer Vertrauensperson außerhalb der Familie zu sprechen: zum Beispiel einem Bekannten, einer Vertrauenslehrerin oder einem Schulsozialarbeiter. Manchmal kann auch die Hilfe eines Psychologen sinnvoll sein. Auch der nicht erkrankte Partner ist gut damit beraten, sich Unterstützung zu suchen. In Angehörigengruppen können sich die Familienmitglieder von Betroffenen austauschen und gegenseitig unterstützen.

Vor Probleme stellt Familien auch die Versorgung des Erkrankten: "Man kann 40-Jährige nicht ins Altenheim schicken", sagt Johannes Levin vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). "Auch wenn sie im Alltag nicht mehr gut zurechtkommen, sind sie in einem Heim mit einem deutlich höheren Altersdurchschnitt sowohl strukturell als auch im Zusammenleben mit den anderen Bewohnern häufig schwer zu integrieren." Um eine zumindest annehmbare Lösung zu finden, wenden Betroffene und Angehörige sich am besten an eine Beratungsstelle.

Was sich nicht von einer Erkrankung im höheren Lebensalter unterscheidet, sind die Aussichten: Im Durchschnitt leben Betroffene nach Auftreten der ersten Symptome noch etwa acht bis zehn Jahre. Ärzte können versuchen, die Krankheit durch die Gabe von Antidementiva aufzuhalten und die Lebensqualität der Betroffenen so lange wie möglich zu erhalten. Heilen können sie Demenz bisher nicht.

Wer allerdings nicht gerade das seltene Alzheimer-Gen in sich trägt, kann der Krankheit zumindest ein Stück weit vorbeugen, sagt Neurologe Lorrain. "Was dem Herz guttut, tut auch dem Hirn gut." Untersuchungen ließen den Schluss zu, dass Bewegung, ein niedriger Cholesterinwert, ein normales Gewicht und eine mediterrane Kost das Risiko senken, an Demenz zu erkranken.

Original