Künstliche Intelligenz gilt als Schlüsseltechnologie für die nahe Zukunft und könnte ganze Branchen verändern. In Bremen formierten sich etwa jüngst Unternehmer, Wissenschaftler und Politiker zu einem Netzwerk für künstliche Intelligenz. Doch was kann die neue Technologie? Und was nicht? Derzeit sei vor allem maschinelles Lernen stark im Fokus, sagt Informatiker Frank Kirchner vom Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Bremen.
Maschinelles Lernen ist dabei ein Teilgebiet der KI, wird aber fälschlicherweise oft damit gleichgesetzt. Wo immer es um riesige Datensätze geht, die durchsucht werden müssen, um neue oder bekannte Muster zu entdecken, setzten Programmierer auf maschinelles Lernen. "Genau da liegen aber auch die Grenzen, denn die Quantität und Qualität der Daten schwankt oft", sagt Kirchner.
Generell wird künstliche Intelligenz in starke und schwache KI unterteilt. Schwache KI findet auch heute schon Anwendungen, etwa in der Spracherkennung. Die starke KI ist bislang nur hypothetisch: "Das Ziel einer starken künstlichen Intelligenz ist es, die gleichen intellektuellen Fertigkeiten von Menschen zu erlangen oder zu übertreffen", sagt Roland Becker vom Bremer KI-Start-up Just Add AI.
Zukunft der Arbeit ist einer der wichtigsten PunkteDaten sind der Rohstoff für KI. Bereits im vergangenen Jahr warnte Tesla-Chef Elon Musk vor einer Monopolstellung einiger weniger Unternehmen wie Amazon, Google, Facebook oder Alibaba, da großer Teil des Know-hows und der Daten bei diesen Unternehmen liegen würden. Ein weiterer Punkt ist die Transparenz: Ob Diagnosen, Überwachung oder die Einstufung der Kreditwürdigkeit - immer mehr Entscheidungen werden KI-Systemen überlassen.
Experten fordern daher eine klare Kennzeichnung von KI-Entscheidungen. Offen ist auch, wie die Justiz mit KI umgehen soll, wenn die Systeme fehlerhafte Entscheidungen treffen und dadurch Schaden verursachen oder Menschen gefährden. Einige Experten fordern eine Art "hippokratischen Eid für Programmierer" oder eine strengere staatliche Kontrolle von KI-Systemen.
Einer der wichtigsten Punkte bei der Debatte um KI ist jedoch die Zukunft der Arbeit. Wie viele Arbeitsplätze wegfallen - und wie viele hinzukommen - vermag kein Experte realistisch einzuschätzen. In Zukunft wird es einen noch höheren Bedarf an IT-Fachkräften geben, der bereits jetzt nicht gedeckt werden kann. Die IT-Unternehmen benötigen jedoch grundsätzlich viel weniger Arbeitskräfte als etwa das produzierende Gewerbe.
Zum Vergleich: Siemens und Googles Mutterkonzern Alphabet erwirtschaften in etwa den gleichen Umsatz, Alphabet beschäftigt jedoch nur ein Viertel so viel Mitarbeiter wie Siemens. Dirk Helbing, Professor für Computational Social Science an der Technischen Hochschule Zürich (ETH) spricht beim Thema KI von "wertesensitivem Design". Laut dem Forscher müsste bei der Erstellung von KI-Systemen auch auf verfassungsrechtliche, soziale, ökologische und kulturellen Werte geachtet werden.
MedizinBei bildgebenden Verfahren wird bereits maschinelles Lernen eingesetzt, etwa bei der Erkennung von Tumoren oder der Bestimmung des Knochenalters. Intelligente Roboter könnten auch die Pflege verändern. In Bremen entwickelten Forscher etwa eine Stützstruktur für Schlaganfall-Patienten, der Roboter "Pepper" der Bremer Firma Blackout Technologies wurde bereits für den Einsatz in der Pflege getestet.
MarketingBereits heute werden unzählige Produkttexte automatisch generiert. Auch Chatbots, wie sie das Bremer Start-up Just Add AI entwickelt, nehmen in der Kundenbetreuung eine immer größere Stellung ein. Ein weiteres Instrument ist die dynamische Preisanpassung: Eine KI vergleicht Produkte, Zeiträume oder Wettbewerber und berechnet daraus unterschiedliche Preise für unterschiedliche Kundengruppen.
MilitärTeilautonome Drohnen sind beim Militär bereits allgegenwärtig. In Zukunft könnte es auch KI-Soldaten oder -Panzer geben. China plant, etwa ausgemusterte Panzer durch künstliche Intelligenz in unbemannte Fahrzeuge umzuwandeln. Doch es gibt Widerstand: Mehr als 2400 westliche KI-Forscher haben in einem Statement erklärt, nicht an autonomen Waffen zu arbeiten, die selbstständig Menschen töten.
FinanzenIm Finanzbereich hat KI bereits lange Tradition, denn die Branche hat einen entscheidenden Vorteil: Es gibt jede Menge Daten. Mithilfe der Analyse von Verhaltensmustern trägt KI bereits dazu bei, Finanzverbrechen schneller zu erkennen. Mastercard und Visa nutzen etwa KI-Programme, um ungewöhnliche Kontobewegungen zu erkennen. Banker versprechen sich aber auch einen Effizienzgewinn und höhere Erträge.
IndustrieDie sogenannte Predictive Maintenance - also vorausschauende Wartung - wird bereits bei Firmen wie Thyssen-Krupp eingesetzt. Dabei werden zahlreiche Daten gesammelt und Defekte von Maschinen oder Anlagen vorausberechnet. Die enge Vernetzung von Produktion und Handel soll in Zukunft eine noch effizientere und ressourcenschonendere Produktion und Logistik ermöglichen. Durch maschinelles Lernen könnten intelligente Roboter zukünftig leichter neue Aufgaben erlernen und in einem Raum mit Menschen arbeiten.
Verkehr/MobilitätDie Autobranche ist derzeit einer der größten Treiber von künstlicher Intelligenz. Von Tesla über Daimler bis zu VW - fast alle großen Fahrzeughersteller arbeiten an dem selbstfahrenden Auto. Zahlreiche Sensoren und Fahrassistenten sind bereits heute in vielen Autos verbaut und nutzen KI. Das gleiche gilt auch für automatisierte Schiffe, Flugzeuge oder den öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Neben weniger Unfällen soll die Technologie für mehr Effizienz sorgen und die Produktivität der Transportsysteme erhöhen.
SicherheitIm Bereich der Überwachung mittels KI gibt es auch in Deutschland schon Pilotprojekte. Am Berliner Bahnhof Südkreuz zeichnen Kameras die Gesichter der Passanten auf und vergleichen sie mit denen von 300 Testpersonen. Das Projekt wurde jüngst um eine zweite Phase verlängert. Politiker versprechen sich einen Mehrwert für die Fahndung nach Kriminellen oder Terroristen, Datenschützer warnen vor flächendeckender Überwachung und einen tiefen Eingriff in die Privatsphäre, wie es bereits in China immer stärker der Fall ist.
Original