YouTube/Giorgia Meloni:
»Ja zur natürlichen Familie, Nein zur LGBT-Lobby, Ja zur sexuellen Identität, Nein zur Gender-Ideologie, Ja zur Kultur des Lebens. Nein zum Tod, ja zu Frauen, ja zur Universalität des Kreuzes, nein zu islamistischer Gewalt, ja zu sicheren Grenzen, nein zu Masseneinwanderung.« (in diesem Fall auf spanisch)
So inszeniert sich Giorgia Meloni auf dem YouTube Kanal ihrer Partei. Die Frau, die Probleme gerne schlicht mit Ja oder Nein beantwortet, könnte bald Italien regieren.
Frank Hornig, DER SPIEGEL
»Einer der Hauptgründe für Ihren Erfolg liegt eigentlich darin, dass sie in den letzten zehn Jahren nichts gemacht hat. Sie hat nicht regiert. Sie saß in der Opposition und konnte dann im Grunde dadurch auch keine großen Fehler anstellen. Wenn man mit den Menschen hier in Italien auf der Straße mal so spricht, auch auf den Wahlkampfveranstaltungen, dann sagen das auch ganz viele. Sie hat keinen Mist gebaut. Wir versuchen das jetzt mal mit ihr und wenn es nicht klappt, dann nehmen wir halt jemanden anderes.«
Meloni polarisiert. Die 45-jährige Parteichefin gilt als Neofaschistin. Ihre Partei – die Fratelli d'Italia – die Brüder Italiens, ist ebenfalls tief im Faschismus verankert. Seit Wochen führt Meloni in den Umfragen. Gewinnt sie die Wahl, kann sie mit ihren Bündnispartnern Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Partei Lega Nord und Silvio Berlusconis Forza Italia eine rechte Koalition gründen.
Frank Hornig, DER SPIEGEL
»Die Frage ist Wie stark ist dieses Bündnis? Wie ist das Bindeverhältnis zwischen diesen dreien? Und da kann man schon einige Zweifel haben und sich Fragen stellen. Bis vor kurzem war Matteo Salvini der unangefochtene Anführer des rechten Lagers. Meloni war in der zweiten oder dritten Reihe. Vor Salvini war Berlusconi der große Rechte, dem alle zugejubelt haben. Das heißt, da gibt es unglaublich viel Rivalität. Ob Berlusconi und Salvini bereit sein werden, Meloni auch als Ministerpräsidentin zu unterstützen, oder ob sie eher sagen: lasst uns lieber eine neutralere Figur nehmen. Das kann man heute einfach noch nicht sagen.«
Melonis Erfolg kommt überraschend. Nachdem Mario Draghi im Juli seinen Rücktritt angekündigt hat, starteten die Parteien einen Blitzwahlkampf. Meloni nutze die Chance.
Die Themen, die sie anspricht, sind die, die für viele gerade zählen. Migration, Italiens Position in der EU, Verschuldung, Arbeitslosigkeit. Dazu polarisiert sie mit ihren Auftritten gegen Abtreibung oder gegen die Rechte der LGBTQ Community.
Frank Hornig, DER SPIEGEL
»Was sie erzählt, sind oft so naja, manchmal so Geschichten aus dem Alltag, Beispiele. Und im Grunde ist immer die Erzählung eigentlich tapfere Italienerinnen und Italiener, denen das Leben schwer gemacht wird von Europa, von den Finanzmärkten, von Berlin, von Paris, von den Linken in Italien, die ihnen ständig Knüppel in die Beine werfen sozusagen. Das ist so eigentlich die Grundmelodie, die sie mal neutral vorträgt und dann aber manchmal bricht auch immer wieder der Hass aus ihr heraus und diese Aggressivität, dann, dann fängt sie an zu schreien und zu brüllen und versucht, die Leute so ein bisschen in Stimmung zu bringen.«
Melonis politische Karriere begann bereits radikal. Mit 15 Jahren trat sie der faschistischen Partei Movimento Sociale Italiano bei – der direkten Nachfolgerpartei Mussolinis. Nach Umbenennungen und Abspaltungen gründete die ehemalige Kellnerin und Babysitterin schließlich ihre heutige Partei, die Fratelli d’Italia. Auf dem umstrittenen Logo der Partei prangt eine Flamme in den Farbe Italiens. Ein faschistisches Symbol, stellvertretend für die Flamme auf Mussolinis Grab. Der Neofaschistische Kern der Ursprungspartei ist bestehen geblieben.
Frank Hornig, DER SPIEGEL
»Das hat auch damit zu tun, dass Parteimitglieder zum Beispiel erst vor zehn Jahren ein Denkmal für Rodolfo Graziani gebaut haben. Ein Mausoleum. Graziani war einer der schlimmsten Kriegsverbrecher, einer der schlimmsten Faschisten in Italien. Er hat 16 Konzentrationslager in Nordafrika gebaut. Ein Völkermord geht auf seine auf seine Kappe. Er hat den Tod von sicherlich 50.000 Menschen zu verurteilen, zu verantworten. Gebaut haben das Parteimitglieder von Fratelli d' Italia, darunter der Fraktionschef von Fratelli d'Italia, der auch mit Melonis Schwester verheiratet ist. Also dieses Erbe ist wirklich ganz nah an.«
Trotz des Grundsatz-Konflikts zwischen links und rechts fallen die Prognosen für die Wahlbeteiligung niedrig aus.
Frank Hornig, DER SPIEGEL
»Der Anteil der Unentschiedenen, derjenigen, die nicht wählen wollen oder die einfach nicht wissen, für wen sie sich dann am Ende entscheiden. Dieser Anteil ist nicht gesunken, wie das sonst vor kurz vor der Wahl passiert, sondern noch mal gestiegen auf 42 %. Insofern ist die Stimmung hier eher so ein gelangweiltes, gleichgültiges, leicht genervtes Abwarten.«
Meloni attackiert auch die EU. Sie verlangt Reformen und will Italiens Interessen weiter in den Fokus rücken. Einen möglichen Verbündeten könnte sie in Victor Orbán finden, dem sie sich schon annäherte.
Italien wählt am Sonntag. Gewinnt Meloni, könnte sie die Nachfolgerin des amtierenden Ministerpräsidenten Mario Draghi werden – und als erste Frau das Amt der Regierungschefin antreten. Eine faschistische Regierung im traditionell antifaschistischen Italien - das wäre ein deutlicher Rechtsrutsch innerhalb der EU.
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