Thomas Kutschaty will SPD-Chef werden, mit holprigem Anlauf.
Andrea Nahles war die erste Frau an der Spitze der SPD. Lange im Amt blieb sie gleichwohl nicht. Gerade einmal ein gutes Jahr stand sie der Partei vor, ähnlich lang wie ihr Vorgänger Martin Schulz. Seit dem Abtritt von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder als Chef der Sozialdemokraten sind die Amtszeiten an der Spitze der nur noch 426.000-Mitglieder-Partei - mit Ausnahme jener von Sigmar Gabriel - deutlich kürzer geworden. Franz Müntefering, Matthias Platzeck, Kurt Beck und die kommissarischen Parteichefs Frank-Walter Steinmeier und Olaf Scholz blieben nicht lange. Nun wird die Partei übergangsweise von einem Triumvirat geführt, zwei Frauen und ein Mann: Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel, der nach dem hessischen Landtagswahl-Debakel vergangenes Jahr eigentlich zu den sozialdemokratischen Auslaufmodellen zählt.
Rund um das Thema - Kontroversen
Als Chef der Essener SPD bewies Thomas Kutschaty 2016 in der Causa um die ehemalige Essener MdB Petra Hinz kein gutes Händchen. Weil Kutschaty - in dieser Zeit NRW-Justizminister - Hinz, die falsche Angaben in ihrem Lebenslauf gemacht hatte, ein Ultimatum zur Mandatsaufgabe gesetzt hatte, warf ihm der Jurist, Journalist und Bürgerrechtler Thomas Darnstädt auf Spiegel Online eine Missachtung der Freiheit des Mandats an der Grenze zur Abgeordnetennötigung (§ 106 Abs. 1 Nr. 2 lit. a StGB) vor. Nach Angaben des früheren SPD-MdL Willi Nowack solle Kutschaty zudem von den falschen Angaben in Hinz' Lebenslauf gewusst haben, was dieser vehement bestritt. Hinz warf Kutschaty ferner aus der stationären Behandlung in einer Klinik vor, er habe Absprachen mit ihr gebrochen und sie „endgültig zum Abschuss freigegeben".
Der Job an der Spitze der einstigen Volkspartei, er gilt als Schleudersitz. Zu viele Vorsitzende hat die SPD in den vergangenen Jahren verschlissen, oft zu Unrecht. Dennoch: nun möchte einer das Ruder übernehmen, den in Berlin wohl kaum einer auf dem Schirm hat: Thomas Kutschaty (51), Jurist, Justizminister unter NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und nun - seit dem 24. April 2018 - Oppositionsführer und Vorsitzender der SPD-Fraktion im hiesigen Landtag. „Großen Herausforderungen darf man nicht hinterherlaufen, man darf aber auch nicht davor weglaufen", sagte Kutschaty auf eine entsprechende Frage des „Kölner Stadt-Anzeiger". Er sei bereit für den SPD-Bundesvorsitz zu kandidieren, vermeldeten die Zeitungen im Land. Doch seither ist es recht ruhig geworden um Kutschatys Ambitionen, die, so ist aus Parteikreisen zu hören, nicht mit SPD-Landeschef Sebastian Hartmann abgestimmt waren. Nachgefragt, reagiert man in Düsseldorf sehr reserviert. „Herr Kutschaty möchte sich zur Thematik nicht äußern", verlautbart ein Sprecher nach mehrfacher Nachfrage. Womöglich, weil ihm der Rückhalt in der eigenen Partei fehlt, zumal andere sich nun mit ihren Ambitionen ebenfalls aus der Deckung wagen. So hat die ehemalige NRW-Familienministerin Christina Kampmann jüngst offiziell ihre Kandidatur fürs Spitzenamt erklärt, im Duo mit Europa-Staatsminister Michael Roth aus Hessen. „Wir beide vertrauen uns gegenseitig. Deshalb trauen wir es uns zu, in einer schwierigen Lage als Team für den Parteivorsitz anzutreten", zitierte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) Kampmann. Und auch mit SPD-Urgestein Gesine Schwan, die bereits für das Amt der Bundespräsidentin kandidierte und im Duo mit Juso-Nachwuchs Kevin Kühnert zur Verfügung steht, dürfte es schwierig werden für den eher blassen und unbekannten NRW-Politiker Kutschaty aus dem Ruhrgebiet.
Wie er die alte Tante SPD wieder „auf Kurs" bringen will, hat dieser bislang nicht öffentlich gemacht. Er ist seit 1986 Mitglied und steht gleichwohl für die klassische Parteikarriere: Sprecher der Jungsozialisten im Stadtbezirk, dann Mitglied im Vorstand der Jungsozialisten, Bezirksvertreter, Mitglied im Stadtrat, Abgeordneter, Minister und nun SPD-Chef? Wohl kaum, wenn der Genosse nicht zum Angriff bläst. Denn was die SPD braucht, ist ein innovativer Kämpfer an der Spitze oder zwei oder drei.
Rückblick: Nachgehakt - ThyssenKrupp-Fusion gescheitert
Die Fusion von ThyssenKrupp mit dem indischen Konkurrenten Tata Steel ist nun offiziell endgültig gescheitert. Durch den Zusammenschluss wäre Europas zweitgrößter Stahlkonzern mit etwa 48.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entstanden. Die Aktie beflügelt diese Entscheidung; die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind jedoch weiterhin in großer Sorge. 6.000 von ihnen sollen ihren Job verlieren - wohl, weil in den vergangenen Jahren das Management versagt hat.Die einzelnen Sparten des ThyssenKrupp'schen Firmengeflechts aus Stahl, Autoteilen, Fabrikbau, Werften sowie Aufzügen sollen künftig zudem mehr Eigenständigkeit erhalten. Parallel will Unternehmenschef Guido Kerkhoff die jährlichen Verwaltungskosten von derzeit 380 Millionen Euro auf unter 200 Millionen Euro in etwa halbieren.
Dieser Artikel wurde verfasst von Pascal Hesse