Diese Ereignisse haben gemeinsam, dass sie neue Klassenkämpfe sind. Die Menschen, die auf die Straße gehen, verelenden im Kommunikativen Kapitalismus. Sie haben schon alles verloren oder haben Angst davor. Sie protestieren gegen ihre Ausbeutung. Es sind ja nicht die Reichen, die demonstrieren.
Du sprichst vom Kommunikativen Kapitalismus. Was meinst Du damit?Im Kommunikativen Kapitalismus ist die Kommunikation zum Produktionsmittel geworden. Ein Beispiel: Immer wenn wir unsere Smartphones, Laptops, Tablets benutzen, wird alles, was wir produzieren, zu einer Ressource für das Kapital, also die Daten, die für Google so wertvoll sind, die sie speichern und für Werbung weiterverkaufen, die sie auswerten um Muster zu finden, mit denen sie dann neue Geschäftsmodelle kreieren, die sie dann als Plattformen und Wissen an andere Unternehmen verkaufen können. Egal, wie wir elektronisch kommunizieren, jemand anderes besitzt das, was daraus entsteht. Das macht den Kommunikativen Kapitalismus aus.
Bei vielen dieser Proteste war das Smartphone ein Symbol der Widerständigkeit. Du schreibst hingegen, das Smartphone sei das perfekte Symbol für Ausbeutung.Beides stimmt und nicht nur das: das Smartphone ist außerdem auch noch ein Produktionsmittel. Für manche ist es außerdem das Produkt ihrer Lohnarbeit. Smartphones sind mehrdeutig und widersprüchlich. Smartphones sind unsere Instrumente, wir müssen sie benutzen um zu arbeiten, aber können sie auch nutzen um zu protestieren. Wir benutzen sie die ganze Zeit. Wir arbeiten überall. Wenn wir das Smartphone nehmen und es auf eine widerständige Art benutzen, ist das zwar eine Art Enteignung der Produktionsmittel, unglücklicherweise verleibt sich das Kapital in Form der großen Technologieunternehmen die Ergebnisse davon aber trotzdem wieder ein. So entsteht eine neue Falle für die wir eine neue Lösung brauchen.
Und, hast Du eine Lösung für dieses Problem?Ja, Google, Facebook und Amazon müssen enteignet und kollektiviert werden. Wir können das Problem nur lösen, wenn die, die den Profit erwirtschaften, also wir, diese Unternehmen auch besitzen.
Klingt vernünftig. Bloß: wie schaffen wir das?Ja, das ist die schwierige Frage. Ich hatte gehofft, du fragst sie nicht (lacht). Die gute Nachricht ist aber: es gibt verschiedene Wege dorthin. Die schlechte lautet: es wird sehr anstrengend. Wir müssen uns organisieren und wir müssen ein Bewusstsein für diese drängenden Fragen und Antworten schaffen. Wir brauchen eine starke Partei und eine starke Bewegung. Eine Partei, die die Wahl gewinnt, könnte die Technologieunternehmen nicht alleine enteignen. Dafür braucht es eine ebenso starke internationale Bewegung, weil wir es hier mit transnationalen Konzernen zu tun haben. Aber das ist Zukunftsmusik. An dem Punkt sind wir nicht. Gerade geht es vor allem darum, Bewusstsein für unsere Klassenkämpfe zu schaffen und Bewegungen von unten aufzubauen.
Du sprichst immer von Klassenkämpfen. Der Begriff ist aber sehr umstritten.Aber nur, weil die meisten den Begriff falsch verwenden. Klasse ist keine empirische Kategorie, es geht um die soziale Position innerhalb eines Wirtschaftssystems. Es geht um alle Menschen, die ihre Arbeitskraft verkaufen. Du verkaufst Deine Arbeitskraft, ich verkaufe meine Arbeitskraft. Wir sind beide Arbeiterklasse. Und nicht nur das, wir werden zunehmend proletarisiert, weil es immer schwieriger für uns wird unsere Arbeitskraft zu verkaufen, weil es immer schwieriger wird nur mit Arbeit zu überleben. Dazu gehört auch der anhaltende Abbau des Wohlfahrtsstaats, der für eine frühere Generation noch ganz selbstverständlich war. Die Linke muss endlich aufhören allergisch auf den Klassenbegriff zu reagieren und sie muss begreifen, dass es um ein System geht - so wie sie es ja schon mal verstanden hatte. Und wenn man das begreift, kann man auch begreifen, dass Klasse als strukturelle Kategorie ein riesiger Container für unterschiedlichste Menschen, Lebensentwürfe, Erfahrungen ist. Auch das ist ja nicht neu. Klasse war noch nie ein Oberbegriff für nur eine spezifische Form der Unterdrückung. Das ist ein Fehler, der Sozialisten in der Mitte des letzten Jahrhunderts gemacht haben: sie haben den Begriff auf ein viel zu kleines Spektrum eingedampft, so wurde der Klassenbegriff ein exklusiver für meist männliche Industriearbeiter und verlor das inklusive.
Du schlägst hingegen vor, weiter in die Vergangenheit zurück zu gehen. Wir sollen uns wieder stärker mit dem Klassenbegriff von Lenin beschäftigen und mit der Russischen Revolution.Von Lenin können wir viel lernen.
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