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Bühne - Publikumstherapierung

Die Probebühne des Maxim-Gorki-Theaters liegt in Rummelsburg, also außerhalb des Berliner S-Bahn-Rings, dort wo inoffiziell der Stadtrand beginnt. Hier gibt es Drei-Tage-wach-Technoclubs in ehemaligen Fabrikgebäuden, eine Kletterhalle, wohlhabende Jungfamilien in einem tristen Townhouse-Suburbia und eben das Trainingsquartier der Gorki-Truppe. Die Proben zu Yael Ronens neuem Stück sind noch in der Anfangsphase, als wir uns in der Hafenküche treffen, dem einzigen Lokal im näheren Umkreis. Ronen hat Mittagspause, kaut nebenher Salat, denn die Zeit der 39-jährigen Regisseurin ist knapp bemessen. Feinde - die Geschichte einer Liebe ist ihr drittes Stück innerhalb eines Jahres am Gorki, außerdem inszeniert sie am Wiener Volkstheater und ist Mutter eines sechsjährigen Sohns.

Nur so viel kann Ronen schon sagen: Feinde, das auf dem gleichnamigen Roman von Isaac Bashevis Singer basiert, wird eine werkgetreue Inszenierung werden. Im Roman versteckt das polnische Dienstmädchen Yadwiga den Juden Herman Broder drei Jahre lang vor den Nazis. Nach dem Krieg emigriert Broder nach Amerika und nimmt Yadwiga aus Dankbarkeit mit. Er heiratet sie, hat nebenbei eine Affäre mit der Jüdin Masha und findet dann noch seine erste Ehefrau wieder. Herman hatte geglaubt, Tamara und seine beiden Kinder seien im Holocaust ermordet worden. Es wird also um Flucht, das Ankommen in einem neuen Land, um Schuld und romantische Verstrickungen gehen. Motive, die man aus Ronens bisherigen Arbeiten bereits kennt.


In Deutschland ist der Roman des polnisch-amerikanischen Autors fast unbekannt, obwohl Singer 1978 den Nobelpreis für Literatur erhielt und die Verfilmung von Paul Mazursky 1990 für drei Oscars nominiert war. In Israel gehört das Buch zur Schullektüre: „Es war sogar Teil meiner Abschlussprüfungen. Ich kenne und liebe das Buch also schon sehr lange. Ich wäre aber nicht auf die Idee gekommen, ein Theaterstück daraus zu machen. Eine der Schauspielerinnen hat Feinde auf Deutsch gelesen und zu mir gesagt: Die Geschichte ist auch heute noch relevant."


Der Umgang mit Migranten ist ein wiederkehrendes Thema in Yael Ronens Stücken, vielleicht auch, weil sie selber eine Fremde in der neuen Heimat Deutschland ist: „Ich vermisse Tel Aviv. Ich vermisse es, in meiner Muttersprache Hebräisch zu arbeiten. Mir fehlen meine Freunde, meine Familie und viele großartige Schauspieler, mit denen ich gern wieder arbeiten würde." Ronen stammt aus einer israelischen Theaterfamilie. Ihr Vater Ilan und ihr Bruder Michael Ronen arbeiten ebenfalls als Regisseure, ihre Mutter Rachel Hafler ist Schauspielerin. Ihre Familie lebt in Tel Aviv, Ronen mittlerweile seit drei Jahren in Berlin. Damit hat sich einiges geändert: „Früher haben wir ständig übers Theater gesprochen. Heute gibt es Wichtigeres, weil wir uns nicht mehr so oft sehen."


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