Anmod:
Wenn alles nach Plan läuft werden in etwa 15-20 Jahren Menschen auf dem Mars landen. Eine solche Mission wird mehrere Jahre dauern, denn allein für die Reise zum Mars braucht man etwa 7 Monate pro Strecke.
Um eine solche Mission vorzubereiten hat die NASA in Kooperation mit zahlreichen internationalen Forschungseinrichtungen eine Versuchsstation gebaut, in der seit 2013 die Bedingungen auf dem Mars simuliert werden. Sie liegt auf Big Island, der größten Insel Hawaiis, inmitten einer unwirtlichen Vulkanwüste auf etwa 2500 Metern über dem Meeresspiegel. Sechs Forscherinnen und Forscher leben derzeit für acht Monate dort und erproben das Zusammenleben in Isolation. Derzeit läuft die fünfte Mission.
Unsere Autorin Nicole Graaf hat den Simulator besucht, kurz bevor die Gruppe Wissenschaftler dort eingezogen sind.
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Atmo – Begrüßung
Sprecherin
Dr. Bryan Caldwell öffnet die Tür zu einem kugelförmigen Zelt in Tarnfarben mit etwa elf Metern Durchmesser.
Atmo öffnet Tür
Sprecherin
Es liegt inmitten einer Wüste aus erkalteter Lava. Sie glitzert silber-schwarz und ockerfarben in der gleißenden Sonne – eine Landschaft, in der man sich gut vorstellen kann, wie es auf dem Mars aussehen mag.
Atmo – Rundgang
Sprecherin
In der Station werden sechs Wissenschaftler acht Monate lang unter isolierten Bedingungen leben, ähnlich wie sie Astronauten auf dem Mars zu erwarten haben.
Atmo – Rundgang (Caldwell spricht über die Raumanzüge)
Sprecherin 5
Im Hauptraum der Station stehen vier Schreibtische entlang der Wand, und im hinteren Bereich eine Küche mit Esstisch. In einem Regal daneben liegen Spiele, Bücher und DVDs; vor dem einzigen Fenster in Form eines Bullauges steht ein Laufband.
Die sechs Schlafräume auf einer Empore über der Küche bieten nur wenig Raum zum Rückzug.
Atmo hoch
Die Simulationen, geleitet von der NASA und internationalen Kooperationspartnern, dienen zur Vorbereitung auf eine bemannte Marsmission. Der Fokus der Forscher liegt auf den psychologischen und gruppendynamischen Effekten in dieser beengten Umgebung. Pete Roma von der xxxx Universität erklärt.
O-Ton 3 Roma
Wir untersuchen, welche Typen von Menschen und welche Kombination von Charakteren sich am besten dafür eignen, für so lange Zeit in einem isolierten Team zusammenzuarbeiten.
Sprecherin 7
Der Astronom und Mathematiker Simon Engler unterstützt das Bodenteam, das die Mission überwacht. Engler gehörte zu den Teilnehmern der allerersten Mission Anfang 2013. Dabei ging es noch um ganz andere Dinge, etwa den Überdruss gegen Astronautennahrung und einen damit verbundenen Leistungsabfall. Untersucht wurde, wie man dies mithilfe von selbst zubereitetem Essen vermeiden kann.
Engler hat während seiner vier Monate im Simulator aber auch bereits Erfahrungen gemacht, die jetzt in die Studien zur Gruppenzusammensetzung und Gruppendynamik einfließen, erzählt er.
Engler
Man kann hier drin kein großes Ego haben oder nachtragend sein. Man muss seinen Stolz manchmal herunterschlucken zum Wohl der Gruppe. Es wird immer Konflikte geben, aber wie man diese löst, ist entscheidend.
Sprecherin
Eine Schwierigkeit liegt in der verzögerten Kommunikation. Bei den bisherigen Raummissionen, etwa auf der ISS, folgt die Crew genauen Aufgaben, die das Kontrollzentrum vorgibt und die nach einem 15-Minutenplan durchgetaktet sind. So ist sie die ganze Zeit beschäftigt. Auf dem Mars ist das nicht möglich, erklärt Bryan Caldwell.
O-Ton Caldwell
Die Kommunikation zur Erde ist hin und wieder zurück um etwa 40 Minuten verzögert. Daher muss die Crew sehr viel selbstständiger agieren und sich selbst organisieren.
Sprecherin
Deshalb spielt die Gruppendynamik hier eine viel wichtigere Rolle, erklärt Pete Roma.
O-Ton Roma
Die Hi-Seas-Umgebung wirkt wie ein Megafon. Kleinigkeiten, die im Alltag keine Bedeutung hätten, werden hier verstärkt; es gibt wenig Privatsphäre. Das alles verursacht Stress. Egal, wie fähig die Crewmitglieder sind, sie sind immer noch Menschen. Wir müssen besser verstehen, welche alltäglichen Dinge sich zum Problem auswachsen können, so dass wir den Effekt reduzieren können.
Sprecherin
Frühere Studien zu solchen Szenarien sprechen vom Phänomen des Dritten Viertels, erklärt Roma:
O-Ton Roma
Am Anfang ist man aufgeregt, weil man gerade loslegt. Aber etwa an der 75-Prozentmarke fällt die Stimmung ab und alle fühlen sich etwas down, bevor sie dann wieder Licht am Ende des Tunnels sehen.
Wir untersuchen gerade, ob das immer an dieser Zweidrittelmarke geschieht, also relativ zur Dauer der Mission, oder ob es tatsächlich nach einer bestimmten Zeitspanne geschieht, etwa nach ziemlich genau vier oder sechs Monaten.
Sprecherin
Sechs Monate scheint jedenfalls die Grenze zu sein, ab der Konflikte innerhalb der Gruppe kritisch werden können, meint Roma.
Bei der vorangegangen Mission von einem Jahr hatten sich nach dieser Zeit zwei Gruppen gebildet, und es kam immer wieder zu Spannungen zwischen ihnen. Christiane Heinicke, die deutsche Teilnehmerin in dieser Crew, schreibt davon in ihrem Blog.
Konflikte auszudiskutieren funktioniert in Isolation nicht so gut, sagt Roma.
O-Ton Roma
Nach einer Diskussion kann man nicht einfach nach Hause gehen und Abstand gewinnen. Die Crew ist deine Familie und deine Freunde, also genau die Leute mit denen du den Konflikt austrägst.
Sprecherin
Deshalb wird seit der zweiten Mission erforscht, wie sich Stress vermeiden, Anzeichen von Spannungen erkennen und Konflikte lösen lassen.
Mithilfe von elektronischen Armbändern wird zum Beispiel die physische Distanz zwischen den Crewmitgliedern aufgezeichnet.
O-Ton Roma
Wenn man so viel Zeit mit denselben Leuten verbringt, braucht man irgendwann eine Pause, und je länger die Mission, desto wahrscheinlicher braucht man mehr Privatsphäre. Die gesammelten Daten werden uns helfen, später Warnzeichen rechtzeitig zu identifizieren.
Sprecherin
Roma selbst leitet eine Studie, bei der mithilfe eines Computerspiels das Kooperations- und Konkurrenzverhalten getestet wird, und wie sich dieses über den langen Zeitraum entwickelt.
In einer weiteren Studie stellt eine Computerapp den Crewmitgliedern einen virtuellen Therapeuten zur Seite, der sie bei Übungen zum Stressabbau anleitet. Und per Virtual Reality-Brille werden sie gelegentlich in Kurzurlaub geschickt, um den Entspannungseffekt zu testen.
Eine echte Marsmission kann in etwa 15-20 Jahren beginnen, hoffen die Forscher. Bis dahin sollen noch weitere Testläufe im Simulator stattfinden.
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