Viele Jahre trank Niko Weber seinen Kaffee, indem er ein Kaffeepad in eine Maschine legte und auf einen Knopf drückte. Inzwischen ist er konvertiert. Er ist nun jemand, der Kaffeebohnen in einer Mühle per Hand mahlt und frisch aufbrüht.
Und nun auch selbst röstet. "Ich bin irgendwann mal in eine Rösterei reingelaufen mit der Frage, ob es hochwertigen Pad-Kaffee gibt. Da habe ich nur große Augen geerntet und bin fast rückwärts wieder rausgelaufen", erzählt der 38-Jährige mit einem Lachen im bärtigen Gesicht.
Bei Familie Weber geht es alles andere als ruhig zu. Er steht beim TV Hüttenberg (2. Handball-Bundesliga) im Tor und seine Frau Lena ist Lehrerin, sie haben eine Tochter, die zweijährige Greta Lou. Das Ehepaar Weber ist auch abseits des Berufslebens ziemlich umtriebig: Lena leitet mit "Peters Toechter" ein Kreativatelier für jede Altersklasse in Braunfels, welches sie mit ihrer Schwester gegründet hat und Niko baut mit Bohnen & Soehne ein Kaffee-Unternehmen auf. Den durchaus positiven Stress "haben wir uns so ausgesucht."
Seit 2003 steht er als Profi im Tor. "Ich konnte mein Hobby zum Beruf machen" erzählt er voller Überzeugung. "Bisher bin ich ohne größere Verletzungen durchgekommen. Dafür bin ich dankbar. Aber ich brauche einfach eine Passion neben und vor allem nach dem Sport", erklärt er seinen Antrieb, auch noch ein Unternehmen aufzuziehen. "Man sollte das machen, was einem Spaß macht, dann wird man damit auch erfolgreich sein. Deswegen hoffe ich darauf, dass das Thema "Kaffee" den Sport nach meiner aktiven Karriere ablösen wird."
Nikolai Weber: "Das Thema ist einfach geil."
Von 2013 bis 2015 spielte der in Gießen geborene Torhüter bei der TSV Hannover-Burgdorf. Das erste Mal nicht in Hessen, nicht in der Nähe der Familie, sondern ca. 330 Kilometer weiter nördlich in Niedersachsen. In Hannover, bei den Recken, war Weber oft allein. Hatte Zeit, um nachzudenken. Darüber, was er nach seiner Karriere machen wollen würde. Die Idee, sich mit dem Thema Kaffee näher zu beschäftigen reifte auch dort. Während eines Sponsorentermins in einer Kaffeerösterei kreierte die Mannschaft den Recken-Kaffee. Weber war begeistert. Oder, wie er sagen würde: "Das Thema ist einfach geil."Aus Niedersachsen verschlug es Weber wieder in die Heimat, zur HSG Wetzlar. In einem Kaffee in Wetzlar lernte er auch Sebastian Lotz kennen. Vor knapp einem Jahr gründeten sie zusammen die Firma Bohnen & Soehne. "Dass das ausgerechnet jetzt passiert ist der Tatsache geschuldet, dass ich immer einen Gegenpart gebraucht habe. Alleine wäre diese Unternehmung unmöglich gewesen", erklärt Weber.
Ihm habe das Know-how gefehlt, vor allem in betriebswirtschaftlicher Hinsicht. Das wiederum, das hat Co-Gründer Lotz. Im Sommer 2017 haben die beiden sich kennengelernt und wussten schon, dass der jeweils andere auch "irgendwas mit Kaffee" machen möchte. Die Chemie zwischen beiden stimmte, von Beginn an. "Es war nach 30 Minuten klar, dass wir das machen müssen. Zusammen", so Weber.
So entwickelte sich die Firma in einem rasanten Tempo, was auch an Lotz" Vorarbeit gelegen hat. Rezepte für Kaffeemischungen hat es von Lotz schon gegeben, auch die Vorbereitungen für eine Homepage. Seit drei Jahren lag alles bei ihm in der Schublade. "Er hatte so viele klare Bilder im Kopf, dass in Verbindung mit meinem Netzwerk und meiner Leidenschaft für guten Kaffee das einfach passen musste", erklärt Weber. Während er über sein Unternehmen oder seine Familie spricht gestikuliert er mit seinen Händen. Nicht auf eine unangenehme, hastige Art. Er untermauert das Gesagte mit seinen Händen. Die Leidenschaft für sein Unternehmen, den Sport und seine Familie kauft man ihm ab.
Seit Gründung der Firma ist die Produktpalette von Bohnen & Soehne erweitert worden. Kaffee beispielsweise aus Mexiko, Guatemala, Brasilien und Kolumbien lassen sich über den Online-Shop bestellen und jede Sorte unterstützt einen anderen "sozialen Zweck".
Weber: "Die kleinen Bauern möchte ich gerne unterstützen."
"Mir ist es einfach wichtig, etwas Sinnvolles zu tun und das mit Genuss zu verbinden", so Weber. "In diesen Ländern gibt es tolle Produkte, wie eben Kaffee. Die kleinen Bauern möchte ich gerne unterstützen." Die Qualität der Produkte sei zudem auch unschlagbar, denn teilweise wird der Kaffee bei der Ernte doppelt Handverlesen. Das schmecke man laut Weber auch.Es sei, führt der Torhüter aus, ein großer Unterschied, ob in einem Familienbetrieb per Hand nur die vollreifen Kirschen geerntet werden, oder eine Maschine die komplette Plantage abfährt und dann alles abreist, inklusive Äste, reife und unreife Kirschen. "Wir wollen diesen Aufwand auch entsprechend entlohnen, damit zum Beispiel die Kinder des mexikanischen Kaffeebauern in die Schulen gehen können", erklärt Weber.
Neben Projekten in den Anbauländern ihres Kaffees (wie unter anderem der Aufbau einer Schule) unterstützen Bohnen & Soehne mit dem Albert Schweitzer Kinderdorf Wetzlar oder der Kinderkrebshilfe Frankfurt zusätzlich auch heimische Organisationen.
Bohnen & Soehne verkauft Kaffee in Tüten zwischen 6,50 und 28,90 Euro, ganze Bohnen oder schon fertig gemahlenen Kaffee, je nach Geschmack und Zubereitungsart. Das knapp ein Jahr alte Unternehmen stößt inzwischen immer wieder auch an Grenzen. Die zusammengestellten Kaffeemischungen werden derzeit noch in Hamburg geröstet, dann nach Braunfels geschickt.
"Wir wiegen ab, verpacken, bekleben und verschweißen jedes einzelne Päckchen Kaffee selbst." Diese Päckchen müssten dann auch noch zur Post gebracht werden. "Das ist schon zeitaufwendig, aber am Anfang geht das noch", erinnert sich Weber zurück. Inzwischen haben sie aber auch gewerbliche Kunden, die mitunter 50 Kilo Kaffee im Monat ordern. "Da stößt man dann schon mal zeitlich an seine Grenzen" neben dem Profisport und der Familie.
Der erste Kaffee, den Bohnen & Soehne verkauft hat, hatte Bezug zu Wetzlar, denn dort hat vieles begonnen. Von jeder verkauften Tüte "HSG Wetzlar"-Kaffee floss ein Euro direkt in die Jugendarbeit der HSG. In Wetzlar soll das erträumte Frühstückscafé mit der Kaffeerösterei sein. Irgendwann und obwohl Niko Weber seit dieser Spielzeit im Tor des Absteigers und Nachbarschaftsrivalen TV Hüttenberg steht.
Auf die Frage, ob es das Ziel sei, irgendwann von dem Kaffee-Unternehmen auch leben zu können überlegt Weber nicht lange. "Auf jeden Fall! Ich spiele jetzt aber noch mindestens zwei Jahre Handball beim TV Hüttenberg" sagt er, bevor er noch einen Schluck Kaffee aus seiner Tasse nimmt. Kein Pad-Kaffee, sondern der frisch gemahlene und aufgebrühte Kaffee aus Mexiko.