Fahrer von Elektroautos müssen beim Stromtanken derzeit noch viel Geduld beweisen. Doch dank immer neuer Technik dürfte das stundenlange Warten auf den vollen Akku bald ein Ende haben. Neben einem flächendeckenden Netz von Schnellladesäulen wird besonders das induktive Laden während der Fahrt einen komfortablen Nutzen bringen.
Die bisherigen „Probleme" von Elektroautos sind bekannt: teuer, kurze Reichweiten, lange Ladezeiten. Die fortschrittlichen Fahrzeuge kommen daher hierzulande nicht so richtig in die Gänge, die tatsächlichen Verkaufszahlen liegen deutlich unter den erwünschten. Zum Jahreswechsel 2014/2015 waren nur knapp 19.000 Autos mit rein elektrischem Antrieb auf deutschen Straßen unterwegs.
Doch wenn die bisherigen Hindernisse überwunden werden, ist mit einem Durchbruch bei den E-Autos zu rechnen. Tesla zum Beispiel arbeitet derzeit an seinem - im Vergleich zu den übrigen Tesla-Modellen - deutlich preisgünstigeren „Model 3", das im März 2016 präsentiert werden und 2017 für etwa 35.000 US-Dollar (etwa 33.000 Euro) auf den Markt kommen soll. Andere Hersteller, auch die deutschen, sind ebenfalls bemüht, ihre künftigen Modelle günstiger anbieten zu können. Preistreiber sind vor allem Batteriesysteme, deren Eigenschaften bisher als zu teuer, zu schwer und darüber hinaus als wenig leistungsfähig beschrieben werden können.
Das wird sich in Zukunft sicher ändern, denn weltweit wird ausgiebig an der Verbesserung aller drei genannten Eigenschaften geforscht. Tesla baut dafür sogar eigens eine riesige Batteriefabrik im US-Bundesstaat Nevada. Ziel: günstigere Batterien, mit denen zudem deutliche Reichweitensteigerungen erzielt werden. Laut Tesla-Chef Elon Musk könnten mit dem „Model S" bereits 2017 bis zu 1.000 Kilometer möglich sein, bis 2020 strebt das Unternehmen sogar eine Reichweite von 1.200 Kilometern an.
Deutsche Firmen wie Bosch wollen sich da natürlich nicht ausbremsen lassen. Der Autozulieferer hatte im September auf der Internationalen Automobilausstellung IAA eine neue Lithium-Batterie präsentiert. Sie soll rund 75 Prozent kleiner und halb so schwer sein als bisherige Batteriepacks und zudem noch für die doppelte Reichweite der Autos sorgen. „Die Festkörperzelle könnte eine entscheidende Durchbruchstechnologie sein", ließ Bosch-Chef Dr. Volkmar Denner dazu in der Wirtschaftswoche verlauten.
Und wenn man dann auch noch das Auto nicht mehr stundenlang zum Aufladen an die Steckdose oder die Ladesäule anschließen müsste, wären alle genannten „Probleme" der Elektroautos beseitigt und E-Mobile wohl endgültig alltags- und massentauglich. Realisieren könnte diesen Wunsch eine Technologie, die wir bereits von elektrischen Zahnbürsten und inzwischen auch von Smartphones kennen: das induktive Laden, sprich: das berührungs- und kabellose Laden über elektromagnetische Felder. Die dafür notwendigen Induktionsplatten lassen sich in Garagen, Parkbuchten oder auch in ganze Fahrspuren, zum Beispiel auf der Autobahn, installieren.
„Im Augenblick deutet alles darauf hin, dass diese elektrische Ladetechnik einen breiten Platz in zukünftigen Verkehrssystemen einnehmen wird", sagt Jürgen Meins in einem Interview mit dem 3sat-Magazin nano. Der Professor a. D. von der TU Braunschweig war maßgeblich an der Entwicklung der Ladetechnologie sowie an der Umsetzung der Emil-Elektrobusse der Braunschweiger Verkehrs-GmbH beteiligt. Emil steht für „Elektromobilität mittels induktiver Ladung". Das erste Modell nahm am 27. März 2014 den Linienbetrieb auf. Die Ladung der Busse erfolgt stationär, und zwar während des Fahrgastwechsels an ausgewählten Haltestellen, die mit Schnellladestationen im Boden ausgestattet sind. Dafür fahren die Busse ihre am Unterboden angebrachten Ladeplatten herunter. Auch in Mannheim und Berlin verkehren seit 2015 Elektrobusse, die an mehreren Induktionsstationen aufgeladen werden.
Ob sich das Laden über die Bodenplatte durchsetzt, ist aber noch offen. Zum einen müssen die Spulen wegen des recht großen Abstands zwischen Fahrzeug und Boden leistungsstark sein, was die Kosten erhöht, zum anderen können Gegenstände oder Tiere die Stromübertragung stören. Bei metallischen Papieren innerhalb dieses Zwischenraums besteht zudem die Gefahr, dass sie sich entzünden. Forscher des Fraunhofer-Instituts für integrierte Systeme und Bauelementtechnologie IISB in Erlangen haben daher ein System entwickelt, bei dem das Auto von der Vorderseite aus geladen wird. Die Vorteile: Da das Auto die Induktionsquelle im Prinzip berührt, sind die Spulen kleiner und somit günstiger, außerdem ist es wesentlich unwahrscheinlicher, dass Hindernisse die Energieübertragung stören. Und nicht zuletzt klappt die Kunststoff-Ladesäule bei starkem Druck durch das Fahrzeug nach unten weg. „Das Auto kann quasi darüber hinwegfahren. Schäden an der Karosserie entstehen bei der Berührung nicht", erklärt Dr. Bernd Eckardt, Abteilungsleiter Fahrzeugelektronik am Fraunhofer IISB.
In der südkoreanischen Stadt Gumi ist man aber schon einen Schritt weiter. Dort wird seit 2013 bei zunächst zwei Elektrobussen das dynamische induktive Laden - also das Laden während der Fahrt - getestet. Dafür wurden auf einer 24 Kilometer langen Buslinie abschnittsweise Induktionsanlagen in die Fahrbahn eingelassen. Das Online Electric Vehicle (OLEV) wurde am Korea Advanced Institute of Science and Technology (KAIST) entwickelt.
Und ab wann gibt es das kabelfreie Stromtanken während der Fahrt für Pkws? Das gibt es schon, die Technik befindet sich allerdings noch im frühen Teststadium. Forscher der Fraunhofer-Institute für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM und für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI haben auf einer 25 Meter langen Versuchsstrecke ein zum Elektrofahrzeug umgebauten Sportwagen getestet, der die Stecke in moderatem Tempo entlangfahren und gleichzeitig seine Batterie aufladen konnte.
Aber brauchen wir die aufwändige Technik des induktiven Ladens überhaupt, wenn die Batterien immer leistungsfähiger werden und deutlich größere Reichweiten zulassen? Professor Dr. Dirk Uwe Sauer, Leiter des Instituts für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe an der RWTH Aachen, bremst im n-tv-Interview die Batterie-Euphorie. Im Vergleich zu den heute verbreiteten Lithium-Ionen-Akkus, die langsam an ihre Grenzen stoßen, könnte man mit Lithium-Schwefel- oder Lithium-Luft-Akkus theoretisch zwar eine etwa dreimal höhere Energiedichte von bis zu 900 Wattstunden pro Kilogramm erreichen. Aber je größer die Energiedichte, desto größer sei auch das potenzielle Risiko, dass ein Akku ausbrennt. „Von daher müssen die Batterieentwickler mehr im Auge haben als nur Energiedichte und Preis. Leistungsfähigkeit auch bei tiefen Temperaturen, Sicherheit und Lebensdauer sind gleichberechtigte Ziele. Das führt eben auch dazu, dass es keine Sprünge in der Entwicklung gibt."