„Das Deutsche Kinderhilfswerk warnt vor den Gefahren der Streaming-Plattform YouNow". So hörte ich es morgens im Radio, und eine kurze Google-Suche bestätigt, dass dieses Thema auch in unzähligen weiteren Medien aufgegriffen wurde. Sicherlich möchte ich die dort thematisierten Gefahren für Privatsphäre und Datenschutz nicht herunterspielen, aber mir gefällt die Art und Weise nicht, wie hier wieder pauschalisiert und vereinfacht wird. Wieso wird wieder explizit vor einzelnen Netzwerken gewarnt, anstatt anzuerkennen, dass es Menschen (wenn auch sehr junge) sind, die ihre Daten selbst online stellen?
YouNow ist „nur" eine Livestreaming-Plattform, mithilfe derer man - zugegeben - auch wenig Schmeichelhaftes und vielleicht allzu Privates aus dem eigenen Wohn- oder Kinderzimmer direkt ins Internet streamen kann. Wo aber ist jetzt der Unterschied zu anderen Plattformen und Networks wie Chat-Roulette, Youtube, Google Hangouts (on Air), Facebook, Twitter, Instagram, WhatsApp.....? (Ich könnte noch ewig so weitermachen.)
Natürlich unterscheiden sich die einzelnen Tools und Netzwerke in ihren Funktionalitäten: Die einen zeigen Videos live, andere als Aufzeichnung. Bei einigen Netzwerken dreht sich alles um Bilder, andere sind eher textlastig. Manche ermöglichen das Teilen von Inhalten mit nur einem begrenzten Personenkreis, bei anderen sind geteilte Bilder, Videos und Statusupdates öffentlich sichtbar für alle. Viele Netzwerke bieten sogar sehr gute Steuerungsmöglichkeiten dafür an, welche Inhalte für wen sichtbar sein sollen.
Gemeinsam ist all diesen gemeinhin als Social Media bezeichneten Plattformen eines: Sie haben unsere Welt verändert, aber nicht erst Anfang Januar 2015, als YouNow an Popularität gewann. Sie haben verändert, wie wir Nachrichten konsumieren, wer unsere Meinungsbildner sind, wie wir selbst Meinung öffentlich teilen und beeinflussen können, wie wir uns selbst nach außen aktiv positionieren und darstellen können (Stichwort „Selbstvermarktung") und vieles mehr. All das ist Teil eines viel größeren und allumfassenden Paradigmenwechsels und hat rein gar nichts mit einer bestimmten Plattform wie jetzt YouNow zu tun. Wieso also wieder dieses Schwarz-Weiss-Denken?
All diese Social Media sind nur Kanäle. Zugegeben, es ist heutzutage einfacher denn je, eigene Inhalte zu veröffentlichen, sei es als Text, Video oder Bewegtbild. Dazu muss man nicht einmal programmieren können und auch kein professioneller Videofilmer oder Fotograf sein. Das Smartphone hat jeder stets bei sich und Plattformen wie Youtube, Tumblr, WordPress etc. machen es kinderleicht, eigene Inhalte zu publizieren. Auch sein Publikum findet man heute sehr einfach, und ja, auch Gefahren lauern an jeder Ecke. Aber das ist nicht Schuld von YouNow oder generell die Schuld von Social Media. Social Media sind weder gut noch böse, sie bieten einfach nur Möglichkeiten, die man als denkender Mensch so oder so einsetzen kann! Womit wir dann beim nächsten Punkt wären, - dem eigentlich entscheidenden, wie ich finde:
Das Internet wird nicht mehr weggehen! Soziale Netzwerke in ihrer jetzigen Form vielleicht, aber dann wird etwas anderes an deren Stelle treten. Fakt ist, dass man Kindern Medienkompetenz vermitteln muss, um sich in dieser Welt zu bewegen, und vorhandene Tools zu ihrem Nutzen einzusetzen. Immer liest man nur von den Gefahren, was ist aber z.B. denn mit Online-Kollaboration für Projektarbeiten in der Schule? Was ist mit dem Erlernen von Informationskompetenz, der Filterung von Informationen und der Beurteilung dessen, was in den Medien glaubwürdig ist und was man besser einmal hinterfragen sollte?
Kindern muss ein Bewusstsein dafür vermittelt werden, was sie (nicht nur online) von sich preisgeben und was lieber nicht. Aber auch das hat wieder nichts mit YouNow oder ganz allgemein Social Media zu tun. Oder sollen Kinder demnächst auch nicht mehr die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen dürfen, weil man dort ihre Gespräche belauschen und private Informationen zum Wohnort etc. abgreifen könnte?
Indem man einzelne Netzwerke oder Tools verteufelt oder gar verbietet, wird man die Kinder nicht schützen. Bringt ihnen lieber bei, wie sie sich selbst schützen können und verantwortungsvoll mit den (nicht mehr ganz so) neuen Möglichkeiten umgehen können! Das ist auch nachhaltiger in einer Welt, in der das nächste böse Social Network oder die nächste böse Smartphone-App schon hinter der nächsten Straßenecke lauern könnte. ;)
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