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Flüchtlingscamp mitten im Nirgendwo

Eine Sandpiste führt mehrere Kilometer durch eine tropische Graslandschaft zwischen grünen Hügeln - scheinbar ins Nirgendwo. Doch dann tauchen Schilder auf von Organisationen, die in Westäthiopien Hilfe leisten: Flüchtlingscamp Nguenyyiel steht darauf. Es ist das größte Lager in der Region Gambella, wohin die Menschen aus dem Südsudan geflohen sind, weil sie in ihrer Heimat um ihr Leben fürchteten. Mehr als 82.000 Flüchtlinge leben in den Hütten des Camps und das schon seit drei Jahren. Es ist auffällig, wie jung die meisten von ihnen sind - 78 Prozent sind Kinder und Jugendliche.

Zur Ankunft des Besuchs aus Deutschland haben sich einige von ihnen vor einer Grundschule versammelt und singen. Die meisten Mädchen und Jungen schauen dabei sehr ernst. Zwei Mädchen halten ein großes Papier, auf das sie geschrieben haben: "Willkommen, willkommen, liebe Gäste. Wir freuen uns, euch heute zu sehen." Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sind am Sonntag in die abgelegene Region gereist, um sich darüber zu informieren, wie Deutschland Äthiopien bei der Unterbringung der Flüchtlinge unterstützen kann. In Gambella gibt es sieben Flüchtlingslager, in denen mehr als 300.000 Menschen ausharren.

Arbeit gibt es vor allem in der Landwirtschaft

Insgesamt sind im Land mehr als 700.000 Flüchtlinge untergebracht - neben Menschen aus dem Südsudan auch Frauen, Männer und Kinder aus den Nachbarländern Somalia und Eritrea. Das Land am Horn von Afrika mit seinen mehr als 105 Millionen ist dabei selbst sehr arm und hat zugleich eine sehr junge Bevölkerung im Durchschnittsalter von 18,6 Jahren, die rasant wächst. Arbeit gibt es vor allem in der Landwirtschaft - wo auf Kaffee- oder Baumwollplantagen Kinder mithelfen müssen, damit die Familien überhaupt davon leben können.

Es gibt immer wieder Dürren und Hungersnöte. Nur ein Viertel der Bevölkerung auf dem Land hat Strom und nur 40 Prozent der Äthiopier nutzt sauberes Trinkwasser. Ministerpräsident und Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed Ali wird zwar international als Hoffnungsträger gefeiert, doch Perspektivlosigkeit und Frust führen in einigen Gebieten seines Landes zunehmend zu Unruhen.

"Die Menschen brauchen hier eine Zukunft"

"Die Welt ist miteinander vernetzt", sagt Arbeitsminister Heil. Das sei spätestens seit Sommer 2015 klar, als sich besonders viele Menschen auf den Weg nach Europa machten. Wenn man nicht mithelfe, räche sich das bitterlich, ist Heil überzeugt. Deutschland ist im vergangenen Jahr zum zweitgrößten Geber des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) aufgestiegen. 2017 hatte das Bundesentwicklungsministerium Äthiopien insgesamt gut 215 Millionen Euro neu zugesagt und 2018 noch einmal knapp 160 Millionen Euro.

Ein Teil der Gelder soll in Regionen wie Gambella fließen, wo besonders viele Flüchtlinge leben und in die umliegenden Gemeinden - damit auch die Lebensbedingungen der Einheimischen besser wird. Auch die Schulbildung von Kindern gehört zu den Anliegen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit mit Äthiopien. "Die Menschen brauchen hier eine Zukunft", betont Müller.

Eine der gefährlichsten Regionen des Landes

Einer der Programmpunkte für die Minister im Flüchtlingscamp Nguenyyiel ist eine Grundsteinlegung. Klaus-Peter Renner, Vorstand der Karlheinz-Böhm-Stiftung "Menschen für Menschen", sagt, dass es für Kinder, die älter als zehn oder elf sind, bislang keine Schule in dem Camp gibt. Deshalb soll nun eine weiterführende Schule entstehen, in der etwa Tausend ältere Schüler unterrichtet werden können. Renner hofft, dass die neue Bildungsstätte in eineinhalb Jahren fertig sein wird.

Auf dem Rückweg zum Flughafen geht es für die Minister wieder im Konvoi durch die Region, die als eine der gefährlichsten des Landes gilt. Sie fahren an jungen Männern vorbei, die am Straßenrand entlanglaufen - in Tarnhose, T-Shirt und einer von ihnen hat ein AK-47-Sturmgewehr über die Schulter gelegt.

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