In der Stadt stehen die Pakete im Stau. Auf dem Land ist das Internet zu langsam. Die beiden Probleme haben etwas gemein: Manchmal entscheidet sich die Zukunft kurz vor dem Ziel.
Die Berliner haben etwas bestellt, Andreas Butzengeiger bringt es ihnen. An einem Dienstag im August sind es Pakete von Tchibo, niewiederbohren.de, baby-walz, Bonprix, Amazon, Rebuy, Decathlon, Zalando, O₂, Lidl und ein paar privaten Absendern. Um neun Uhr morgens steht Butzengeiger vor einem DHL-Container im Prenzlauer Berg und legt die Pakete für die Cantianstraße in sein Lastenrad, er sortiert sie nach Hausnummern. Dann tauscht er seine Lesebrille gegen die Sonnenbrille und setzt sich den Fahrradhelm auf. Handbremse lösen, Motorunterstützung einschalten, ein leises Surren, schon gleitet der DHL-Bote zurück in die Zukunft.
Cantianstraße 4. "Guten Tag, hier ist DHL, ich habe ein Paket für Sie."
Früher lieferte Andreas Butzengeiger Pakete mit einem dieser gelben DHL-Transporter aus. Er wurde angehupt und angemotzt, wenn er in zweiter Reihe parkte. Seit Juni ist er nun mit dem Lastenrad unterwegs. Es ist ein ungewöhnliches Gefährt aus schwedischer Produktion, ein Liegerad mit Bremslicht und einer kühlschrankgroßen Box hinter dem Fahrer. "Damit sind wir hier die Stars", sagt Butzengeiger. Die Menschen meckern nicht mehr, sie fotografieren ihn. "Das ist ein anderes Gefühl, als wenn man mit dem Transporter ständig andere behindert." Auf dem breiten Gehweg der Cantianstraße fährt er im Schritttempo von Haus zu Haus wie sonst nur die Briefträger. Zwei Handwerker sprechen ihn an. "Dat is'n Anfang", sagt der eine. "Jeder Tropfen macht was. Ick find dat jut." Ein Trupp Kita-Kinder bleibt stehen und glotzt.
Die Empfänger sehen es ihren Paketen nicht an, aber das hier könnte der Beginn von etwas Großem sein. Denn vom Paketdepot im Prenzlauer Berg sind noch weitere Radfahrer ausgeschwärmt: die von UPS, DPD, Hermes und GLS. Die Konkurrenz ist an diesem Ort zusammengerückt, weil Deutschland gerade ein Problem mit den Paketen hat: Die Menschen bestellen immer mehr im Internet. Mehr Pakete gleich mehr Verkehr, mehr Lärm, mehr Dreck. Außerdem gehen der Branche die Fahrer aus.
Die Paketdienste sind zwar nur ein kleiner Teil des täglichen Chaos in den Städten, aber sie sind der sichtbarste Teil. In Berlin testen sie deshalb die Zustellung per Lastenrad von einem "Mikrodepot" aus, einem gemeinsam genutzten Gelände mitten im Zustellbezirk. Jede Firma bringt ihre Fracht ...
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