Beizeiten hadere ich mit meiner mangelnden Produktivität. Für jemanden, der es sich zum Lebensinhalt machen wird, Ideen für Texte sowie die Texte selbst zu produzieren, gibt es kaum etwas Frustrierenderes als den kreativen Leerlauf. Kurioserweise schreibe ich dies in einer Phase, die mir durchaus fruchtbar erscheint. Diese kann man zwar nicht planen, aber es ist eine logische Notwendigkeit, dass einem Umstand ein ganz anderer folgt. Wenn er dies nicht täte, wäre es kein anderer Umstand. Auf Regen folgt Sonnenschein, weil es anders nicht möglich ist. Immer unter der Voraussetzung, dass die Sonne noch existiert. Das bringt bei Regen erst einmal nichts, aber beruhigt ein wenig.
Was für den Kosmos gilt, muss wohl in ähnlichem Maße für die Kreativität gelten, weshalb ich mir angewöhnt habe, das Schreiben in Momenten schöpferischer Flaute nicht zu erzwingen. Es existieren durchaus nützliche Übungen, die den Schreibfluss fördern sollen. Eine davon ist die Pause; gewissermaßen eine künstlerische. Und es funktioniert tatsächlich relativ gut, das Nichtschreiben. Wie sollte es auch misslingen? Untätigkeit kann nur durch Tätigkeit verhindert werden, die aber eben dann, wenn der Einfallsreichtum vorübergehend versiegt, nicht stattfinden kann.
Warum ich das schreibe? Es hält sich hartnäckig die Ansicht, dass das Schreiben keinerlei Fertigkeiten erfordere, die man als menschliches Wesen nicht ohnehin schon besitzt. Der Mensch schreibt sein Leben lang und grenzt sich dadurch von den Tieren ab, die sich mit einem einheitlichen Schriftsystem bislang schwertun. Tiere schreiben nicht. Menschen schon. Und weil Menschen grundsätzlich immer schreiben und wir durch die Verbreitung des mobilen Internets zu jedem Zeitpunkt an jedem Ort dieser Republik mit Texten bombardiert werden, verlieren Schrift und Text ihren Wert.
Sprache ist zunächst ein Mittel zum Zweck. Mit Schrift verhält es sich ähnlich. Und wenn man sich vor Augen führt, dass wir Studien zufolge an einem einzigen Tag der Menge an Informationen ausgeliefert sind, die man vor wenigen hundert Jahren noch in seinem gesamten Leben erlangte, ist Text eine Strategie, um dem Geist einen Teil seiner Kapazität zurückzugeben. Ausgliederung von Wissen, das somit ständig verfügbar ist. Ein Werkzeug, eine Kulturtechnik. Letzteres verliert an Bedeutung und somit verkommt das Schreiben zu einem Massenprodukt, was sich vor allem dort auswirkt, wo Text als Qualitätsware gehandelt wird bzw. gehandelt werden sollte.
Natürlich kann ich einen Text innerhalb weniger Minuten schreiben und hier im Dampfbloque entstanden die Artikel, die am erfolgreichsten wurden, oftmals morgens während der ersten Tasse Kaffee. Das kann ich mir hier auch durchaus erlauben, denn ich bin Auftraggeber und Beauftragter in einem. Diese Unbeschwertheit des Schreibens wird allerdings auch vorausgesetzt, wenn diese beiden Instanzen - Auftraggeber und Texter - in Form verschiedener Personen vorliegen. Das offenbart sich eigenartigerweise immer dann, wenn es doch eigentlich um professionelle Ergebnisse gehen sollte.
In sogenannten Textbörsen tummeln sich einige Auftraggeber, die vor allem eines verlangen: content. Content beinhaltet im Grunde die Idee der inflationären Textproduktion, der Massenware Text. Dementsprechend bescheiden sind die Honorare. Bei Wortpreisen von 2-4 Cent verdient ein freiberuflicher Texter so viel, dass er an einem 8-Stunden-Tag zwischen 3.000 und 6.000 Wörter texten muss, um halbwegs über die Runden zu kommen. Das ist an guten Tagen durchaus möglich. Wenn an der Uni die Abgabefrist für Hausarbeiten näherrückte, war es mir ebenso möglich, in einer Nacht zehn Seiten zu schreiben. Es ist punktuell möglich. Es ist aber weder dauerhaft praktikabel noch dürfte es gesund sein.
Als Texter, der von dieser Arbeit leben möchte, verkauft man sich auf derartigen Plattformen massiv unter Wert. Da können Aufträge noch so locker von der Hand gehen: Irgendwo muss gespart werden. Oftmals betrifft das die Qualität. Wer unter dem Druck steht, innerhalb eines Arbeitstages Text im Umfang des Viertels einer Masterabschlussarbeit produzieren zu müssen, muss andere Aufgabenbereiche seiner Tätigkeit zwangsläufig vertagen oder reduzieren. Weil Aufträge in der Regel erstmal an Land gezogen werden müssen, bevor man sie bearbeitet, und jeder noch so gute Texter kein Alleskönner sein kann, bleiben drei Optionen.
1. Der Texter muss schneller schreiben, um die für bspw. Kundenakquise benötigte Zeit zu kompensieren.
2. Der Texter muss länger arbeiten.
Beides kann nicht die Lösung sein. Und deshalb kann nur die dritte Möglichkeit in Betracht gezogen werden:
Bevor überhaupt das erste Wort geschrieben werden kann, muss ein Thema recherchiert werden. Das scheint in Zeiten des Zeitdrucks und ständiger Verfügbarkeit günstigerer Konkurrenz gern vergessen zu werden und geht zulasten der Seriösität. Zeitungsartikel weisen teilweise eklatante Wissenslücken bezüglich der Hintergründe zu einem Thema auf und stellen unterm Strich nur einen aufgeblasenen Kommentar dar.
Niemand schreibt auf Anhieb perfekt, weshalb neben reiner Fehlertilgung auch das „Rundlutschen" eines Textes erledigt werden muss, das Lekorat. Das mag manch einem albern vorkommen, weil eigene Texte vermeintlich fehlerarm sind und schon während des Schreibens optimiert wurden. Doch irgendwo stimmt das Tempus nicht oder hat sich ein Logik- oder Kontinuitätsfehler eingeschlichen. Möglicherweise ist die Tonalität nicht ganz passend. Übrigens eine Reklamation, die man als Textersteller kaum sich selbst melden kann, weil der Auftraggeber die Vorgaben macht („Hm, ja. Das könnte aber noch irgendwie so ein bisschen mehr...ästhetisch, weißt du?"). Ob es jemand tatsächlich schafft, 3.000 bis 6.000 Wörter am Tag zu schreiben, lektorieren, korrigieren, zur Kontrolle an den Auftraggeber zu senden, um sie anschließend noch einmal abschließend rundzulutschen, ist mehr als fraglich. Von der initialen Konzeption des Textes mal ganz abgesehen.
Und in all dem ist noch nicht kalkuliert, dass es eben Phasen gibt, in denen das Schreiben nicht gelingen will oder Rechnungen geschrieben werden müssen. Diese Ausfallzeiten summieren sich. Sofern man als Texter auch mal einen Urlaub buchen, Weihnachten und Ostern feiern und eventuell sogar mal erkältet sein möchte, ist ein Auskommen bei 2-4 Cent pro Wort bestimmt im Bereich des Möglichen. Allerdings für Ramsch ohne Korrekturschleife und Kommunikation mit dem Auftraggeber.
Das wäre aber weder mein Selbstanspruch, noch wird es dem gerecht, was von einem Text erwartet werden kann. Verlangt ein Auftraggeber „unique content", dann soll er diesen auch zu einem angemessenen Preis bekommen. Für Schrott darf es gern ein bisschen weniger sein, nur werden die wenigsten Kunden kommunizieren, dass sie gern einen oberflächlichen, fehlerhaften Text hätten. Denn das könnten sie dann vielleicht sogar selbst leisten. Nur wollen sie das nicht.
Und dies ist vielleicht sogar der wichtigste Gesichtspunkt in dieser Diskussion: Der Auftraggeber wendet sich an mich als Texter, damit ich ihm etwas verfasse, was er selbst nicht zu leisten imstande ist. Und weil das Ergebnis, der vollendete Text, vielmehr das Resultat eines Leistungs katalogs mit vielen Teilschritten der Textproduktion darstellt, den viele eben nicht bieten können, darf es dann doch ein bisschen mehr sein.
Und sei es nur um der Leichtigkeit des Schreibens Willen. Davon profitieren am Ende dann doch alle Beteiligten.