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Fernsehen in Düsseldorf und im Allgemeinen

Ich sehe gern fern. Es lenkt ab, unterhält, bei der richtigen Senderwahl kann man sogar etwas lernen. Außerdem dient es mir als Hintergrundrauschen, wenn ich etwas für die Uni mache oder einen Beitrag verfasse. Gerade ist ein schlechtes Beispiel, denn die Kiste ist aus. Wahrscheinlich eine Angewohnheit aus der Kindheit. Tagsüber wurde nicht ferngesehen und bis ich „Takeshis Castle" entdeckte, fehlte es mir auch nicht. Die Grenze, ab der der Tag der Umschreibung „tagsüber" entsprach, wurde dann aufgeweicht, nachdem ich zuhause ausgezogen war. Also begann ich mit 23 auch mal im Vorabendprogramm zu stöbern und stieß auf eine Erkenntnis: Fernsehen ist schlecht. Sehr, sehr schlecht. 


Das muss man vermutlich etwas differenzieren, denn es ist beileibe nicht alles sehr, sehr schlecht. Manches ist suggestiv, ganz anderes wieder nur normal schlecht und in seltenen Fällen kann man einer Sendung eine gewisse Qualität attestieren. Man schimpft so gern auf die Öffentlich-Rechtlichen, die zugegebenermaßen ein eher massenuntaugliches Programm fahren. Andererseits tun das die Privaten zu großen Teilen auch. Nur fischen diese (zumindest die größten) in einer etwas „lauteren" Zielgruppe. Mehr dazu später. Was allerdings ein nicht von der Hand zu weisender Vorteil der Öffentlich-Rechtlichen ist, ist die Ausstrahlung in HD, was für mich als einstiger wandelnder Gaußschen Weichzeichner eine Offenbarung war. Zunächst das Schauen eines Bildes, das schon ohne Kontaktlinsen deutlich von dem der Privaten zu unterscheiden war, dann das Betrachten meiner Umwelt und die Erkenntnis, dass Bäume nicht aus Stamm und grüner Wolke sondern aus Stamm und vielen, vielen kleinen einzelnen(!) Blättern bestehen, und schließlich vollkommene Reizüberflutung, als ich das erste Mal ein Länderspiel im Ersten mit Kontaktlinsen sah.

Der Nachteil ist freilich eine etwas nüchterne Atmosphäre der Öffentlich-Rechtlichen, die aber insbesondere dann zum Vorteil wird, wenn es um Hintergründe gehen soll. Da ist Nüchternheit angebracht. 


Was ich oben als „laute" Zielgruppe bezeichnete umschreibt den Umstand, dass der durchschnittliche Pro7-, Sat1-, RTL- und RTL2-Seher seinen Fernsehkonsum sozialmedial reflektiert... 


Nachdem ich eine kurze, lachbedingte Schreibpause einlegen musste, fahre ich fort. „Reflektiert" ist im Zusammenhang mit Fernsehen ein doch eher unpassender Terminus. Obwohl...ist Reflexion etwas genuin Positives? Man kann auch vollkommen wirr über etwas reflektieren. Vielleicht ist „reflektie rt" doch ein passender Begriff. Außerdem mache ich jetzt gerade und auch bei Twitter auch nichts anderes als reflektieren. Ganz umsonst gelacht. Sei's drum. Der Punkt ist der, dass fast sämtliche Sendungen der Privaten bei Twitter in Echtzeit kommentiert werden. Die Öffentlich-Rechtlichen tauchen zwar ebenso oft dort auf, aber sind es gefühlt eher Journalisten und Intellektuelle, die sich dort zu Wort melden. Das erkennt man schon an den wenigen Ausrufezeichen. 


Nun täte man den Privaten Unrecht, wenn man behauptete, dass dort nur Schund liefe, der irrelevant sei. Nur weil es mir nicht zusagt, muss es nicht zwangsläufig ein qualitativer Konflikt sein. Allerdings - und da fielen mir zwei konkrete Beispiele ein - werden die Glanzlichter seltener. Wie wohl in so fast jeder Nische der Medienwelt ersetzt Geschwindigkeit die Sorgfalt, werden die Pointen flacher, die Inhalte dünner (sofern überhaupt vorhanden). Facebook macht es im Grunde perfekt vor und daran scheint man sich zu orientieren. Geht ein Clip viral, sagt das längst nicht etwas darüber aus, ob er inhaltlich gut ist. Weil Fernsehen aber verstärkt für die sozialen Medien produziert wird ( „Likes" und „Shares" sind neben „trendenden Hashtags" zum Gradmesser geworden), stehen andere Aspekte im Vordergrund. 


Mit Stefan Raab ist ein Entertainer von der Bildfläche verschwunden, der zwar berechtigterweise auch kritisiert wurde, in den vergangenen knapp 20 Jahren aber die Abendunterhaltung maßgeblich beeinflusst hat. Nicht alles war gut und auch TV Total war, nachdem es mehrmals die Woche ausgestrahlt wurde, irgendwann abgelutscht. Aber die Shows waren trotz ihrer Albernheit solide und haben mehr Nachhaltiges hervorgebracht als manch anderer Ex-Popstar, der nun jährlich den Superstar für das Deutschland zwischen 12 und 17 Jahren sucht. Lena Meyer-Landrut ist noch präsent, ebenso wie Stefanie Heinzmann und Max Mutzke. 


Seit Raab nicht mehr da ist, habe ich die Vorteile von Twitter kennengelernt. Bis vor Kurzem lief auf dem Sendeplatz von TV Total am Montag eine Sendung, die im Vorfeld als großer Wurf angekündigt wurde. Nach den ersten fünf Minuten saß ich irritiert vor dem Bildschirm und wusste einfach nicht, was das da soll.Um mich zu vergewissern, ob ich nicht an deutlichen Geschmacksverfehlungen leide und nur deshalb der Sendung nichts abgewinnen könne, suchte ich Twitter auf. Die Stimmung war recht eindeutig. Und sie blieb es, bis die Staffel komplett ausgestrahlt war. Die Pointen waren schlecht und nicht vorhanden, die Gags durchschaubar, das Niveau miserabel, das Konzept...welches Konzept? Wenn die Strategie war, möglichst viele sogenannte „buzzwords" zu äußern, um relevante Inhalt vorzugaukeln, hat sie zumindest in meinen Augen nicht funktioniert. Die Moderatorin konnte einem fast leidtun, denn wenn das Autorenteam im Hintergrund nur flachen Dünnpfiff fabriziert, kann das der Mensch vor der Kamera nur schwer abfangen. Zumal recht neu im Geschäft. Gewollt und nicht gekonnt, was man der Redaktion ankreiden muss, nicht der Moderatorin. Pro7 verteidigte die Sendung bei Twitter mit der Eloquenz eines trotzigen Teenagers. Die Quoten sollen wohl gut gewesen sein, was mich nachdenklich stimmt. Denn entweder wurde die Sendung nur geschaut, um sie bei Twitter zu zerreißen, oder es gibt tatsächlich einen großen Markt für schlechtes Fernsehen. 


Ich befürchte das Zweite. 


Dazu passt, dass erst gestern die Stimme aus dem Off einer als Wissensmagazin bezeichneten Sendung (die seit Jahren Halbwissen zu Belanglosem sendet) in irgendeinem Zusammenhang etwas von Kranichen erzählte, während auf dem Bildschirm ein Storch prangte. Unnötig zu erwähnen, dass ein Storch kein Kranich ist. Um das zu wissen, muss man kein Biologe sein. 


Es scheint traurige Gewissheit zu sein, dass Inhalte heute nicht mehr den Einfluss auf den Erfolg einer Sache haben, wie sie es eventuell vor einiger Zeit noch hatten. Da dienen Quoten als Rechtfertigung, Werbeeinnahmen und Interaktionen als Barometer für den Wert einer Sendung. Dass dies ein gigantischer Trugschluss sein kann, zeigen die jüngsten Entwicklungen in Düsseldorf. Dass die „Aktuelle Stunde" Düsseldorf verlässt: geschenkt. Ein Artikel brachte es vor einigen Wochen ganz gut auf den Punkt: Der WDR war nie wirklich in Düsseldorf. Das war auch mein Eindruck. Der WDR war immer die Kölner Niederlassung, in der nun die „Aktuelle Stunde" unterkommen wird. Sie wird also bleiben. Was nicht bleibt - und das passt vielleicht auch ein wenig zum TV-Standort Düsseldorf, der irgendwie keiner mehr ist - ist der Regionalsender NRW.TV. 


Woran das letztendlich liegt, kann ich nur erahnen. Regionalsender haben für mich immer ein Dasein im Schatten geführt. Die Qualität der Formate passt dazu, dass Quoten keine allzu große Rolle spielen. Ich wüsste nicht, ob Duisburg einen eigenen Sender besitzt, kenne zwar center.tv, aber wüsste nicht, ob es lohnt, einzuschalten. Nun ergab es sich zufällig, dass ich über den oder das Dampfbloque Bekanntschaft mit einem Teammitglied von NRW.TV machte und aus reiner Neugierde die Livesendung des Senders am Vorabend einschaltete. Und heute stelle ich mir die Frage, wie es sein kann, dass sich andere Sender mit schlecht recherchierten Formaten davonstehlen können, während wirklich gute Inhalte einen kompletten Sender nicht davor bewahren können, dass ihm das Licht ausgeknipst wird. 


Das mag übertrieben anmuten, aber die Entscheidung, den Sender zu schließen, hat mich betroffen gemacht. Sei es, weil ich einen halbwegs konkreten Bezug zu den Menschen vor der Kamera hatte und mir jeder dieser authentisch wirkenden Menschen im Nachhinein unfassbar leidtut oder weil die Sendung einfach Spaß gemacht hat. Es ist unerheblich, wenn an anderer Stelle vielleicht Fehler gemacht wurden. Was man als Zuschauer sah, war tadellos. Nichts, worüber man sich aufregen musste. Eine Livesituation, die bei all ihrer Strukturiertheit immer Platz für persönliche Freiheiten der Moderatoren bot, die mir im Laufe der Zeit alle irgendwie ans Herz wuchsen. Die einen mehr, die anderen weniger. Als vor einigen Wochen die erste Moderatorin von heute auf morgen nicht mehr in den Sendungen auftauchte, wurde ich das erste Mal nachdenklich. Als dann vor Kurzem im Liveprogramm Archivaufnahmen ausgestrahlt wurden, das zweite mal. Und schließlich war die Sendung nicht mehr live. 


Das Herzblut, das wohl jeder Beteiligte in die Sendungen gesteckt hat, wurde am Ende nicht einmal mehr mit einer finalen Livesendung gewürdigt. Den standesgemäßen Abschied hätte wohl jeder von NRW Live und NRW.TV verdient. Und irgendwie leidet man ein stückweit mit, wenn man die Reaktionen wahrnimmt, die das Aus nach sich ziehen. Ein stilles Aus im Verborgenen, das ob der Qualität der Inhalte und der dargebotenen Professionalität kaum angemessen erscheint. 


Aber so ist es leider. Pro7 bietet ein neues Format auf, das niemals in die Fußstapfen des Vorgängers passen wird, ein Wissensmagazin desselben Senders verkauft dem Zuschauer einen Storch als Kranich und offenbart Defizite in der Redaktion und NRW.TV muss die Segel streichen. Irgendwie kann das so nicht richtig sein.

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