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Jugend und Corona: "Die Jugend vergeht einfach, ohne dass man irgendetwas erlebt"

Statt die Welt zu bereisen, sitzen Zelal, Genoveva, Emirkan und Peace zu Hause. Sie gehen nicht in Clubs, sondern spazieren. Was macht die Pandemie mit den Jugendlichen?

Genoveva, 18

Ich hatte schon mit 16 leichte Depressionen, habe sie aber nicht behandelt. Durch Corona sind meine depressiven Gedanken wieder zurückgekehrt und noch schlimmer geworden. Als der erste Lockdown kam und wir dann erst mal keine Schule mehr hatten, ist die ganze Routine weggebrochen und das hat es richtig schlimm gemacht. Ich konnte mich zu gar nichts mehr aufraffen. Sonst habe ich mit meinen Freund*innen in der Mensa gesessen und über irgendwas geredet und zusammen gelacht. Zu Hause war ich viel mit meinen Gedanken allein. Ich habe einfach nur versucht, die Abi-Zeit zu überstehen. Es war ein bisschen so, als ob ich auf Autopilot umgestiegen bin. Ich war teilnahmslos. Mein einziges Ziel war es, durch den Tag zu kommen. Mein Abitur habe ich irgendwie trotzdem geschafft, ohne viel zu lernen.

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Mein Gesicht hat sich in dieser Zeit wie eine Maske angefühlt, als wäre es taub. Ich hatte keine Energie zu lächeln oder generell einen Gesichtsausdruck zu haben. Dann wollte und konnte ich auch nicht mit irgendjemandem reden. Als meine Tante einmal bei uns zu Besuch war, saß ich nur mit versteinerter Miene in der Ecke. Meine Tante hat mir dann einen Termin bei einer Therapeutin gemacht. Mir ging es direkt nach der ersten Therapiestunde besser. Zuerst bin ich einmal die Woche hingegangen, mittlerweile nur noch alle zwei bis drei Wochen.

Es war anstrengend, dass ich nach dem Abi nichts von dem, was ich geplant hatte, machen konnte. Zwei Jahre wurden wir in der Schule darauf gedrillt, dass wir doch etwas machen oder erreichen sollen nach dem Abitur. Wir sollen studieren, ins Ausland gehen, arbeiten oder uns sozial engagieren. Und dann kommt Corona und man macht nichts. Ich wollte von Sommer bis Herbst ein dreimonatiges Praktikum in einer sozialen Einrichtung machen. Mich interessiert vor allem die therapeutische Ambulanz für Kinder oder Frauen, weil ich denke, dass ich da besonders einfühlsam bin. Die meisten Praktikumsstellen wurden dann nicht mal ausgeschrieben, weil nur sehr wenige Einrichtungen Kapazitäten für Praktikant*innen hatten.

Ich hatte mich auch auf ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) beworben. Das habe ich dann aber abgesagt. Mental hätte ich es damals nicht gepackt, ein Jahr auf einer Nordseeinsel an einem Standort der Nordsee Schutzstation Wattenmeer zu sein. Weil es mir jetzt besser geht, bin ich gerade wieder im Bewerbungsprozess für die gleiche Stelle.

Seit fast einem Jahr chille ich vor mich hin. Genoveva

Ich bin gerade sehr viel zu Hause. Seit fast einem Jahr chille ich vor mich hin. Ich treffe seit Corona weniger Freund*innen, nur noch die engsten in kleinen Gruppen. Ich gucke viel Netflix oder mache etwas mit meiner Schwester oder meiner Freundin. Ich nähe mehr als sonst. Am liebsten funktioniere ich meine alten T-Shirts zu Tops um, oder mache aus alten Hosen eine Patchwork Jeans. Ich habe dann auch das Haareschneiden für mich entdeckt. Vor der Pandemie hatte ich lange braune Haare und jetzt habe ich einen blonden Vokuhila.

Emirkan, 15

Ich möchte Rapper werden. Dafür muss ich natürlich üben. Bei uns im Jugendzentrum gibt es extra ein kleines Studio. Da kann man einen Termin buchen und dann zusammen mit einem Beatproduzenten Songs aufnehmen. Ab Herbst 2020 habe ich angefangen, mir dort einmal die Woche für circa zwei bis drei Stunden einen Termin für das Studio zu buchen. Es war sehr schön, dass ich dort meine Tracks aufnehmen konnte. In der Zeit von November bis Ende Februar ging das dann leider nicht mehr, weil das Jugendzentrum wegen der Corona-Beschränkungen schließen musste. Das Studio hat mir wirklich sehr gefehlt. Ich habe in der Zeit zu Hause meine Texte geschrieben, damit ich am Ball bleibe. Ich schreibe viel über meine Familie oder über Ziele, die ich erreichen möchte.

Mittlerweile hat das Jugendzentrum wieder geöffnet und ich bekomme endlich wieder Termine fürs Studio. Ich muss zwar eine Maske tragen, wenn ich nicht gerade vor dem Mikrofon stehe, aber es tut so gut, dass ich wieder an meinen Tracks arbeiten kann.

Im Jugendzentrum habe ich mich auch mit meinen Jungs getroffen. Wir haben Fifa-Turniere auf der Playstation oder Billard gespielt. Weil auch dort Corona-Auflagen gelten und wir uns eintragen müssen, treffen wir uns nur noch maximal zweimal pro Woche dort. Uns ist die Laune verdorben, weil wir mit Maske dasitzen müssen. In einer Maske bekomme ich schlecht Luft und ich habe keine Lust, die auch in meiner Freizeit zu tragen. Ich möchte Fußball spielen oder mal wieder shoppen gehen. Es nervt mich sehr, dass man jetzt immer einen Termin für jedes Klamottengeschäft braucht.

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