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Column

Eine menschenmögliche Beziehung: Kommunikation und Kontingenz

Wenn eine Spielzeit lang zwei sich aufeinander einlassen, also kommunizieren, ist nichts unmöglich und nichts notwendig. Das heißt, es ist alles kontingent. Alter, der eine, wie Ego, der andere, ist für den Kommunikationspartner unberechenbar. Erwartungen können ständig enttäuscht werden. In jeder solchen Zweierbeziehung herrscht doppelte Kontingenz, uneingeschränkte Anarchie. Es sei denn, dass eine Art Domestizierung stattfindet, von innen oder von außen. Derart einschränkend sind Spielregeln. Sie reglementieren Freiheit, reduzieren Komplexität, vermindern die Erwartungsenttäuschbarkeit.

Mehr Freiheit kostet Sicherheit, mehr Sicherheit Freiheit. Ein gesundes Maß, eine goldene Mitte stellt sich hier nicht ein für allemal ein, jedenfalls nicht in modernen Zeiten. Es liegt jetzt ein kaum überschaubares Experimentierfeld vor, für Zweierbeziehungen, für soziale Beziehungen überhaupt. Also für Kommunikation überhaupt. Überall sorgt ein Zuviel beziehungsweise Zuwenig für Konfliktstoff. Konflikte in diesem weiten Sinn auszutragen, ist wiederum ein Kommunizieren, das mehr oder weniger geregelt ablaufen kann. Man möchte sagen: mehr oder weniger zivilisiert. Immer reicht der Konfliktspielraum von der Diplomatie bis zum Krieg. Die Regeln können gar nicht hoheitlich genug ausgewiesen sein, um Ärgstes nachhaltig zu verunmöglichen. In dieser Gefahr schwebt die doppelt kontingente Kommunikation fortwährend. Die bestmögliche Gesellschaft ist dazu verdammt. Die bestmögliche, wo zum Greifen nahe ist, was wir lieben.

HINWEIS
Niklas Luhmann: Soziale Systeme