Als es um das Aufenthaltsrecht geht, geraten Herrmann und Heil aneinander
Bei „Hart aber fair" diskutieren die Gäste von Louis Klamroth über den Fachkräftemangel in Deutschland. Arbeitsminister Hubertus Heil verteidigt den neuen Gesetzentwurf zur Einbürgerung. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann widerspricht.
Es ging mal wieder um Einwanderung. Das Thema ist ja ein Dauerbrenner in politischen Talkshows, ein Konfliktstoff, der in regelmäßigen Abständen ausgepackt werden kann, um im Fernsehen darüber zu diskutieren. Die Fakten sind klar: Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, braucht es Arbeitskräfte aus dem Ausland. Die Babyboomer gehen in Rente, laut dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung müssten jedes Jahr 400.000 Fachkräfte mehr nach Deutschland kommen, um den Mangel auszugleichen.
Deutsche Unternehmen sind verzweifelt und werden kreativ: So tanzt etwa das Presseteam eines Ventilatorenherstellers aus Baden-Württemberg auf TikTok, um ausländische Fachkräfte auf seine Firma aufmerksam zu machen. „Meine Pflegekräfte, die aus dem Ausland kommen, bevorzugt aus den Philippinen, die haben alle TikTok", berichtete auch Astrid Sartorius. Sie ist bei den Asklepios-Kliniken dafür zuständig, Pfleger aus dem Ausland anzuwerben. Mit TikTok, sagte sie, funktioniere das.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) verteidigte in der Sendung den neuen Gesetzentwurf zur Einbürgerung in Deutschland, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kritisierte die Pläne zum zukünftigen Doppelpass. Journalist Gabor Steingart wünschte sich einen „Highway" für Arbeitstüchtige. Und die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Lamya Kaddor, sagte, dass „Einwanderung eigentlich gar nicht so viel Angst" machen müsse. Deutschland sei längst eine Einwanderungsgesellschaft.
Steingart erklärte, dass die Not in der Wirtschaft groß sei, fügte aber eine Einschränkung hinzu. „Wirtschaftsbosse würden nicht sagen: ,Wir brauchen 400.000 Migranten.' Sie würden einen Zusatz machen: ,Wir brauchen die Richtigen.'"
Heil verfiel in einen Politikjargon: „Wir brauchen genug Menschen, helfende Hände und kluge Köpfe", sagte er. Zum einen müssten alle „inländischen Register" gezogen werden, damit noch mehr Deutsche einen Schulabschluss machen könnten oder Möglichkeiten zur Weiterbildung bekämen. Das würde dennoch nicht reichen, „qualifizierte Zuwanderung" aus dem Ausland sei unabdingbar.
Shahla Ghasemi und Bahman Taghi Zadeh, ein iranisches Ehepaar, berichteten in der Sendung über ihre Erfahrungen als eingewanderte Pflegekräfte. Ihren deutschen Arbeitsvertrag hatten sie im Iran erhalten, in der Asklepios-Klinik in Hamburg wurden sie mit Sprachkursen und Theorieunterricht auf ihre Arbeit vorbereitet. Nach einer Anerkennungsprüfung arbeiteten sie nun „ganz normal auf Station".
Was zum jetzigen Zeitpunkt wichtig für sie sei? „Wir wollen später ein Haus oder eine Wohnung kaufen", erzählte Zadeh. Den dafür benötigten Kredit könne er aber erst mit einem unbefristeten Aufenthaltstitel bekommen, auf den die beiden noch zwei Jahre warten müssten.
Laut Heil brauche es im Einwanderungsrecht einen neuen Ansatz. Sein Vorschlag: bürokratische Hürden beim bisherigen System abbauen, „weg von der Arroganz des deutschen Bildungssystems", Berufsausbildungen und Qualifikationen aus den Heimatländern verbunden mit deutschen Arbeitsverträgen anerkennen - und eine sogenannte „Chancenkarte".
Für eine Chancenkarte brauche man mindestens sechs Punkte, mit der Ausländer dann mindestens ein Jahr in Deutschland auf Jobsuche gehen könnten, erklärte ein redaktioneller Einspieler dem Publikum. Punkte sammelten Ausländer durch ausreichende Sprachkenntnisse, Berufsausbildung und Berufserfahrung. Zusatzpunkte gebe es für Unter-35-Jährige.
CSU-Politiker Herrmann kritisierte das Chancen-Aufenthaltsrecht, das es gut integrierten Ausländern erleichtern soll, ein dauerhaftes Bleiberecht zu erhalten. Dass in dem Gesetz stehe, die Betroffenen hätten „als Erstes das Anrecht auf die deutsche Sozialhilfe" und müssten erst dann anfangen, einen Arbeitsplatz zu suchen, „das ist genau wieder die falsche Reihenfolge", sagte der bayerische Innenminister und wandte sich dabei direkt an Hubertus Heil.
„Dieses Thema verdient Differenzierung und nicht Parolen", entgegnete der Minister. Beim Einwanderungsgesetz gehe es darum, ausländische Fachkräfte leichter nach Deutschland zu bekommen. „Da können wir uns Arroganz und Bürokratie nicht leisten." Die Diskussion um das Chancen-Aufenthaltsrecht sei eine andere. „Da geht es um Menschen, die sehr lange in Deutschland sind."
Und auch beim Thema Doppelpass ging es in der Talkshow heiß her. Kaddor und Heil sprachen sich dafür aus, dass ausländische Fachkräfte künftig den deutschen Pass bekommen und gleichzeitig den Pass ihres Heimatlandes behalten könnten. Herrmann widersprach: „Ich glaube, das ist als Regelfall nicht gut. Das wird erhebliche Konflikte schüren."
Steingart runzelte bei diesem Schlagabtausch die Stirn. Er war der Auffassung, dass diese „alten Debatten" um eine doppelte Staatsangehörigkeit am eigentlichen Kern des Themas vorbeigingen. „Wir sind null attraktiv." Entscheidend sei, was in Deutschland nach dem Anwerben von ausländischen Fachkräften passiere. Dabei gehe es um Kultur, Bildung, Jobs und den Wohnungsmarkt. „Die Fern-Uni Hagen ist super, aber Harvard ist besser", sagte der Journalist.
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