Panorama „Maischberger"
Bei „Maischberger" wird Olaf Scholz erst aufgefordert, nicht mit leeren Händen in die Ukraine zu reisen. Doch dann ändert sich der Ton. Ein Politologe sieht die Ukraine „sowieso schon verloren", Unternehmer Wolfgang Grupp ächzt unter den hohen Gaspreisen.
Nach langem Zaudern und Zögern soll es am Donnerstag so weit sein: Zusammen mit Mario Draghi und Emmanuel Macron plant Bundeskanzlers Olaf Scholz einen Besuch in Kiew.
Im Gespräch mit dem „heute journal" wandte sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Anfang der Woche erneut direkt an den Bundeskanzler. Die Ukraine brauche die Sicherheit, dass Deutschland die Ukraine unterstütze. „Es darf keine Balance versucht werden, sondern man muss für sich wählen, wo man die Prioritäten setzt", so sein Anliegen.
Für Comedian und Talkshow-Gast Oliver Kalkofe war allein die Nachricht, dass Scholz sich überhaupt auf den Weg in die Ukraine machen wird, bereits erfreulich, „weil das ja am Ende fast schon was von Bockigkeit hatte", dass es für Scholz immer wieder neue vermeintliche Gründe gab, um nicht nach Kiew zu reisen. Nun erwarte Kalkofe von diesem „Trio mit vier Fäusten" auch, dass sie liefern.
„Vielleicht haben die drei einen Zaubertrick in der Tasche, der eine Möglichkeit oder einen Weg bietet, der zu ersten ernsthaften Waffenstillstandgesprächen führt", so Kalkofes Hoffnung. Diese Vorstellung teilte Publizistin Elisabeth Niejahr nicht, ihr fehle „ein bisschen die Fantasie, wie man da jetzt rauskommen soll, ohne Enttäuschung zu produzieren." Es sei schwer, „aus dieser Reise einen Erfolg zu machen".
Journalist Hajo Schumacher hielt die Strategie eines gemeinsamen Besuchs der drei Männer für eine „Schadensminimierung": „Olaf Scholz hat sich freiwillig und ohne Not zur Zielscheibe gemacht".
Dabei gab Schumacher zu bedenken, dass Scholz in der aktuellen Situation nicht nur das Verhältnis zwischen Putin und Selenskyj, sondern auch die Balance zu seiner Partei der SPD zu halten habe. So sei das Verhältnis der Sozialdemokraten zu Russland weiterhin ein „riesengroßes Trauma", bei dem „ganz viele Weltbilder" in den vergangenen Monaten zerstört worden seien.
Im Gespräch mit der ehemaligen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und dem Politikwissenschaftler Johannes Varwick diskutierte Sandra Maischberger die Frage nach weiteren Waffenlieferungen Deutschlands in die Ukraine.
Leutheusser-Schnarrenberger spricht sich klar für weitere Waffenlieferungen aus, unterzeichnete dazu auch einen offenen Brief. Sie denke, „dass es im Moment keinen Weg gibt, mit Putin an einen Verhandlungstisch zu kommen, der nicht dazu führt, dass die Ukraine nicht mehr ein souveräner oder selbstbestimmter Staat ist und bleibt." Nur Waffenlieferungen würden die Verhandlungsposition der Ukraine stärken.
Für Leutheusser-Schnarrenberger steht fest: Scholz' Auftrag sei es, bei seinem Besuch in Kiew Selenskyj zu fragen, was „kann man Ihnen noch liefern". Und es müsse die Einschätzung der Lage von ukrainischer Seite ausgetauscht werden, „wie sieht das ukrainische Militär aus, wo können sie eine Linie halten, und wo nicht."
Dieser Strategie steht Politologe Varwick kritisch gegenüber: „Das ist ein Ritt auf der Rasierklinge." Auf der einen Seite wolle Deutschland nicht Kriegspartei werden, auf der anderen Seite „sind wir mit immer mehr Waffenlieferungen auf dem Schritt, Kriegspartei zu werden". Wenn man dieses Szenario vom Ende her denke, dann „landen wir möglicherweise in einem Krieg mit Russland". Das gelte es, um „fast jeden Preis zu verhindern".
Varwicks Lösungsansatz: „Wir müssen diesen Konflikt einfrieren." Seine Erwartung sei, abzuwarten bis in Zukunft ein Zeitpunkt komme, der Raum für politische Lösungen entstehen lasse. Das kann sich Leutheusser-Schnarrenberger nicht vorstellen: Würde man den Konflikt zum jetzigen Zeitpunkt „einfrieren", dann „ist die Ukraine kaputt und weg." Darauf konterte Varwick, die Ukraine „ist sowieso verloren", das sei die bittere Wahrheit.
Als letzter Gast des Abends berichtete Wolfgang Grupp, wie sich die steigenden Energiepreise auf seine Firma Trigema auswirken. Im Vergleich zum Vorjahr zahle er jetzt fünf Millionen Euro mehr im Jahr für Gas. „Das ist für uns auf die Dauer nicht durchhaltbar", fasste der Unternehmer zusammen. Es gebe zwar bald eine neue Gasturbine, die zu 30 Prozent auch mit Wasserstoff betrieben werden könne. Das sei aber erst in drei, vier Jahren möglich. Und auch, wenn Grupp alle Firmendächer mit Solaranlagen ausstatten würde, könnten diese nur wenige Prozent des Strombedarfs abdecken.
Bezogen auf die Ukraine-Politik stimmte Grupp Varwick zu: „Wir müssen eine diplomatische Lösung finden und nicht über Krieg und Waffenlieferungen das Problem lösen." Wie lange er diese hohen Kosten noch tragen könne, das wollte Grupp nicht beurteilen. Und auch, wer seiner beider Kinder das Unternehmen eines Tages übernehmen werde, ließ Grupp offen.
Original