Mit Einhörnern lässt sich derzeit so ziemlich alles verkaufen. Erwachsene Hipster schätzen das Fabelwesen als ironischen Eskapismus, kleine Mädchen flippen aus, weil sie so süß sind. Marken wie "Mia & Me", "Filly-Pferde" oder "My little Pony" bringen das Einhorn ins Kinderzimmer und verdrängen damit "Barbie" auf die hinteren Plätze. "Eine Welt der Magie", sagen die Hersteller. "Eine weitere Pinkifizierung", sagen Soziologen.
Freund oder Feind?Holzschnitt mit Einhorn
Etwa 400 vor Christus berichtete der Altgrieche Ktesias von einem Einhorn, das er in Indien gesehen haben wollte. Ein wildes, hässliches und gewaltbereites Tier. Später im Mittelalter aber setzte sich die Sage durch, das Einhorn sei die Reinkarnation von Jesus Christus und könne einzig von einer Jungfrau gezähmt werden. Das Einhorn war das Gute schlechthin. Martin Luther hingegen vertrat die These, das Einhorn stehe für die Verfolger von Christus. Entsprechend orientiert er sich an den Altgriechen, für die das Einhorn eine Gefahr darstellte.
"Der Einfluss Luthers auf die deutsche Kultur war groß. Bei den Gebrüdern Grimm zum Beispiel muss sich das tapfere Schneiderlein vor einem wildschnaubenden Einhorn retten."
Prof. Martin Arneth, Professor für Alttestamentologie, LMU München
Schon im Mittelalter gab es Einhorn-MarketingDoch für die Geschäftemacher des Mittelalters war die positive Allegorie aus den Mariendarstellungen natürlich nützlicher. Apotheken im ganze Land verkauften Tinkturen aus gemahlenen Narwal-Zähnen und etikettierten es als Einhorn-Pulver. Einsetzbar gegen so ziemlich alles - ob Impotenz, Schwindsucht oder Pestbeulen.
Wie kommt das Einhorn ins Kinderzimmer?Heft und CD zur Fernsehserie "Mia & Me"
1982 erscheint der Animationsfilm "Das letzte Einhorn", basierend auf einer Geschichte des Fantasy-Autors Peter S. Beagle. Hier wird wieder die Heilsgeschichte aufgegriffen: Das verletzliche, fragile Einhorn flieht vor seinen Häschern. Allerdings ist es jetzt weiblich und wird durch einen Mann gerettet. Das Publikum ist begeistert und der Film bis heute ein Klassiker. Die Pinkifizierung des Einhorns beginnt. 1983 wird "My little Pony" erfunden: Kleine bunte Ponys, Pegasi und Einhörner zum Spielen für Kinder. Bald folgen die Filly-Pferde und 2011 die ZDF-Serie "Mia & Me", die der Heldin Mia Abenteuer in der Einhornwelt bestehen muss. Das Merchandising brummt: Über 180 internationale Lizenznehmer dürfen mit Mia & Me ihre Produkte verkaufen, wie etwa Zahnpasta, Süßigkeiten, Kuscheltiere, Spielfiguren und Brettspiele.
Das Einhorn - Ein Grauen für FeministinnenSpätestens jetzt ist das Einhorn im Kinderzimmer angekommen. Es ist gut, es ist lieb, es ist friedvoll. Es kann zaubern. Perfekt also für Mädchen? Angesichts der niedlichen Einhornwelten von Filly & Co. bekommen manche Feministinnen das kalte Grausen.
"Es ist wie ein trojanisches Pferd, durch das Gender-Stereotype in die Mädchenzimmer transportiert werden. Die Spielzeuge sind so designt, dass die wenigsten Jungs damit spielen würden."
Dr. Sabina Schutter, Deutsches Jugendinstitut
Die Abgrenzung zwischen Mädchen und Jungen verschärft sich also.
"Die Leute, die das für ein trojanisches Pferd halten, können ja gerne mal ein schwarzes Einhorn auf den Markt bringen, dann schauen wir mal, ob sich die Kinder so dafür interessieren."
Ulrich Stoef, Mia & Me
Angebot und Nachfrage, ein uraltes Prinzip. Doch was davon zuerst da war, darüber wird auch in Zukunft gestritten werden.