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Roboterjournalismus: Die künstlichen Schreiber kommen - heute-Nachrichten

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Der Inhalt ist König? Von wegen: Im Kampf um Klickzahlen zählt vor allem, wer in kürzester Zeit die meisten Meldungen bringt. Wer könnte das besser als ein Computer? Das Schlagwort vom Roboterjournalismus macht die Runde - wer braucht da noch menschliche Autoren.


Beim Begriff Roboter denkt man unwillkürlich an die Blechkameraden aus Science-Fiction-Filmen oder an die Industrieroboter, die Autoteile im Minutentakt zusammenschweißen. Heute ist ein Roboter allerdings vor allem ein Computerprogramm - zum Beispiel eines, das automatisch Texte erzeugt. Doch auch wenn neuerdings immer wieder vom "Roboterjournalismus" die Rede ist  - mit der Tätigkeit eines Journalisten haben diese Programme bislang wenig zu tun.

Die gängigen Programme beherrschen bislang lediglich die Nachbildung menschlicher Sprachprozesse - kreative Formulierungen, pfiffige Erzählbögen oder luzide Analysen sind von ihnen nicht zu erwarten. Doch das, was sie können, können sie rasend schnell. Roboterjournalismus wurde anfangs in Bereichen angewendet, bei denen in kurzer Zeit viele Daten anfallen, die in leicht formalisierbare Textbausteine umgesetzt werden sollen: Börsenkurse, Sportergebnisse, Wetterprognosen oder die Beschreibungen von Hotels und Pensionen. Doch aus den Lückenfüllern sind mittlerweile intelligente Systeme geworden, die auch dazu in der Lage sind, die Statistiken von Google Analytics auszuwerten und in den automatisch erzeugten Texten zu berücksichtigen.


Automatische Texte aus deutschen Landen


In den USA gehören diese Schreibprogramme bereits zum Verlagsalltag, hierzulande sind verschiedene Unternehmer angetreten, an die Entwicklung in den USA anzuschließen.Cord Dreyer war lange Zeit in leitender Position bei verschiedenen Presseagenturen tätig. Zusammen mit Mitarbeitern des Fraunhofer Instituts will er das Geschäftsmodell von US-Firmen, wie Narrative Science und Automated Insights mit seinem Unternehmen text-on übernehmen. Saim Alkan von der Agentur Aexea geht noch einen Schritt weiter. Er will seinen Kunden nicht nur Beiträge anbieten, sondern plant den Aufbau eines eigenen Sportportals. Seine Server sind dazu in der Lage, täglich bis zu 3,6 Millionen Texte auszuliefern - mit diesem Output kann kein Mensch mithalten.Dreyer und Alkan sind keine Randerscheinung, sondern Vorboten eines neuen Trends. Im Mai werden etwa Verlage auf dem Wiener European Newspaper Congress diskutieren, wie "automatisierte Hilfstruppen klassische Redaktionen unterstützen" können.


Droht dem Journalismus der Untergang?


Dreyer und Alkan glauben beide daran, dass der schreibenden Zunft durch ihre Programme mittelfristig keine Arbeitsstellen verloren gehen. Zwar könne die Software schon jetzt erkennen, aus welchen Bestandteilen eine Nachricht besteht. Doch Features, Reportagen und Interviews können noch nicht von Maschinen produziert werden. Der Computer unterstützt lediglich bei der Recherche und kann auf interessante Zusammenhänge eines umfangreichen Datensatzes hinweisen, die sonst womöglich verborgen geblieben wären. Echter Journalismus, der über die bloße Auswertung von Daten hinausgeht, ist bislang nur von Menschenhand möglich.Dreyer will zwar nicht ausschließen, dass die Prognose zutrifft, im Jahr 2030 würden neunzig Prozent aller Nachrichten von Algorithmen erstellt werden. Doch er gibt sich gelassen. Niemand wisse, wie sich die Technik entwickeln werde oder wie groß die Datenmengen sein werden, die es in 15 Jahren zu bewältigen gilt.In der Tat: Schon ein kurzer Blick auf die rasante Entwicklung etwa des Handymarktes, zeigt, dass es praktisch unmöglich ist, valide Prognosen abzugeben. Wer sich also sorgt, die Roboter würden die Journalisten verdrängen, kann aufatmen. Noch.
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