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Lego-Modellbau als Beruf: Stein auf Stein auf Stein

Auf der Fensterbank steht eine Giraffe, im Nebenraum ein halbes Empire State Building. An den Wänden stapeln sich Kästen mit winzigen Ritterhelmen, Reifen, Pizzakartons und unzähligen bunten Steinen. Was sich anhört wie eine Fantasiewelt, ist der Arbeitsplatz von Rene Hoffmeister.

Der 43-Jährige ist professioneller Lego-Modellbauer und hat sich im alten Bahnhofsgebäude im brandenburgischen Niemegk eine Werkstatt eingerichtet. Auf knapp 200 Quadratmetern entstehen dort Figuren und Modelle aus Lego - in Handarbeit, Stein für Stein. Mehr als 500 Modelle haben er und sein Team schon gebaut, schätzt Hoffmeister - vom kleinen Tischmodell bis zu einem fast sieben Meter langen Nachbau der "Queen Mary 2" für das Maritime Museum in Hamburg. Selbst der Dienstplan der "BrickFabrik" ist aus Lego. "Eigentlich gibt es nichts, das wir nicht bauen könnten", sagt Hoffmeister.

Schon als Kind habe er gerne mit den bunten Steinen gespielt, erzählt der gebürtige Berliner. Doch auch danach sei die Leidenschaft geblieben: "Als ich mein Jugendzimmer ausgeräumt habe, sind alle Spielsachen rausgeflogen - nur beim Lego habe ich gezögert." Wenig später gründete er die Internetplattform "1000 Steine" und baute neben seinem Mathe- und Informatikstudium weiterhin Lego-Modelle. "Ich habe relativ schnell gemerkt, dass ich beides gleichzeitig nicht schaffe", erinnert sich Hoffmeister. Trotz anfänglicher Zweifel seiner Eltern entschied er sich schließlich dafür, das Studium aufzugeben und sein Hobby zum Beruf zu machen.

Mit Erfolg: 2008 wurde er der erste und bislang einzige zertifizierte Lego-Designer Deutschlands. Sechs Jahre später ist Hoffmeister mit der "BrickFabrik" in den alten Bahnhof in Niemegk gezogen. An diesem heißen Sommertag arbeitet er in der Werkstatt am Nachbau einer Fischfarm. Ein paar graue Steine fehlen noch, dann ist auch das letzte Fischbecken fertig. Knapp zwei Wochen habe der Bau gedauert, sagt er, größere Projekte benötigen sogar mehrere Monate.

Das hat seinen Preis: Fünfstellige Summen sind laut Hoffmeister nicht ungewöhnlich. "Dafür ist aber jedes Modell ein Unikat." Die Modelle kommen vor allem auf Messeständen von Unternehmen zum Einsatz, aber auch in Einkaufszentren oder als Ausstellung in Museen, so Hoffmeister. Damit die Figuren dafür stabil genug sind, werden sie mit einem Lösungsmittel zusammengeklebt. Nachträgliche Änderungen seien so kaum noch möglich, erklärt der 43-Jährige.

Das wird Pascal Lenhard, der als selbstständiger Modellbauer in Hoffmeisters Werkstatt arbeitet, zum Verhängnis: Er bastelt seit Tagen an dem Nachbau eines Schmelzofens, mit dem die Arbeitsabläufe der Industriemaschine gezeigt werden sollen. Eigentlich ist das Modell fast fertig, doch nun klemmt ein Förderband - da hilft nur noch eine Zange. "Solche Projekte sind eine echte Herausforderung", sagt Lenhard. Aber genau das sei auch das Besondere an seinem Beruf, findet der gelernte Erzieher: Weil man sich alle paar Wochen in ein neues Thema hineindenken müsse, lerne man mit jedem Modell etwas dazu. "Dadurch ist es abwechslungsreich, auch wenn wir immer mit Lego arbeiten", sagt er.

Wer Modellbauer werden will, muss laut Hoffmeister vor allem eine gute Vorstellungskraft und ein Gefühl für die Arbeit mit den Legosteinen haben. "Man kann vieles lernen, aber ohne eine gewisse Affinität dafür funktioniert es nicht", sagt er. Darum seien ihm aussagekräftige Referenzen von Bewerbern, etwa Fotos ihrer gebauten Modelle, auch wichtiger als Zeugnisnoten.

Meistens sei der Job sehr angenehm, sagt Hoffmeister. Doch wenn etwa Zeitvorgaben von Kunden eingehalten werden müssten, könne es auch schnell stressig werden. Immerhin bestehe jedes Modell aus Zehntausenden Legosteinen und werde bis ins Detail ausgestaltet. Er verwende dabei nur Steine, die auch aktuell im Handel erhältlich seien. "Rein theoretisch könnte man also jedes unserer Modelle nachbauen", sagt Hoffmeister. Doch das sei nichts, was man "mal eben schnell im Keller macht", sondern ein echter Vollzeitjob. In seiner Freizeit beschäftige er sich darum kaum mit den bunten Steinen, sagt der Vater von drei Kindern: "Wenn ich nach einem Arbeitstag nach Hause komme, ist dort Lego-freie Zone."
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