Im Schutz einer Tankstelle versucht Lay die Schiebetür seines Kombis zu schließen. In Mütze, Thermo-Handschuhen und Daunenjacke stemmt er sich bei minus 15 Grad Celsius gegen Schneeböen von über 50 Stundenkilometern. Von innen schiebt Adina die Tür mit an. Endlich schließt sie. Lay und Adina sind unterwegs ins Camp von Standing Rock in North Dakota, wo am Ufer des Missouri Rivers seit April des vergangenen Jahres gegen den Bau einer Öl-Pipeline demonstriert wird.
Die Mitglieder der Standing Rock Sioux nennen sich "Water protectors" - Beschützer des Wassers. "Mni Wiconi!" ist ihr Schlachtruf - "Wasser ist Leben". Sie wollen den Missouri vor Ölverschmutzung aus der 1.800 Kilometer langen Leitung der texanischen Firma "Energy Transfer Partners" schützen. Durch die Pipeline sollen jeden Tag 470.000 Barrel Rohöl aus Fracking-Förderstellen in North Dakota nach Illinois fließen.
Zwei Tage bevor Adina sich auf den Weg machte, verweigerte die US-Regierung noch unter Barack Obama der Pipeline-Firma "Energy Transfer Partners" die Genehmigung für die letzte entscheidende Phase des Baus: das Bohren für Öl-Leitungen unter dem Missouri. Das US Army Corps of Engineers, innerhalb des US-Verteidigungsministeriums für öffentliche Bauten wie Dämme und Kanäle zuständig, kündigte eine umfassende Studie zu Folgen des Pipeline-Baus für die Umwelt und für heilige Stätten der indigenen Völker an. Es versprach außerdem, alternative Routen zu prüfen.
Dave Archambault, Sprecher der Standing Rock Sioux, forderte in einer Videobotschaft alle Besucher des Lagers zum Rückzug auf: "Wir müssen stolz auf das sein, was wir erreicht haben. Jetzt ist es Zeit, nach Hause zu gehen. Wir schätzen Eure Unterstützung, aber es hilft uns nicht, wenn ihr unter gefährlichen Bedingungen hier bleibt. Wir sind mitten in einem Wintersturm. An der Pipeline wird in absehbarer Zeit nicht weiter gebaut. Wenn es nötig wird, weiterzukämpfen, seid Ihr jederzeit willkommen. Danke noch einmal dafür, dass Ihr gekommen seid und uns zugehört habt. Jetzt könnt Ihr den Winter mit Euren Familien verbringen, die warten wahrscheinlich schon auf Euch."
Adina und Lay haben von dieser Botschaft gehört. Sie sind trotzdem entschlossen, auf unbestimmte Zeit den Schneestürmen und sinkenden Temperaturen im Camp zu trotzen. Beide bezeichnen die Verweigerung der Baugenehmigung als einen wichtigen Schritt weit entfernt vom endgültigen Erfolg.
Die texanische Firma "Energy Transfer Partners" will die Dacota Access Pipeline zu Ende zu führen. Das hat Firmenchef Kelcy Warren angekündigt. Er ist sicher, dass Donald Trump schon kurz nachdem er am 20. Januar das Präsidentschaftsamt übernimmt, grünes Licht für die Pipeline geben wird.
Trump hat sich noch nicht spezifisch zu dem Projekt in North Dakota geäußert, unterstützte aber den Bau der umstrittenen Keystone XL Pipeline. Mitglieder von Trumps Übergangsteams kündigten an, bürokratische Hindernisse für die Nutzung aller Energiequellen zu reduzieren. Kelcy Warren spendete mehr als 100.000 Dollar für den Trump-Wahlkampf. Der künftige US-Präsident hat selbst in das texanische Öl- und Gas-Unternehmen investiert. Warren bekräftigte in einem Fernsehinterview, dass er sich durch die Verweigerung der Bohrgenehmigung nicht vom Bau abhalten lassen wird. "100 Prozent wird die Genehmigung erteilt und die Pipeline gebaut. Sie werden unser Projekt nicht aufhalten. Das ist naiv!Wenn die Demonstranten bleiben wollen - meinetwegen, aber wir bauen die Pipeline."
Donald Trumps Nominierungen für sein Kabinett geben Warren Grund für Optimismus. Der zukünftige US-Präsident will Männern, die den Klimawandel leugnen und Umweltschutzregulierungen abschaffen wollen, Ministerposten geben. Dazu gehört der ehemalige Gouverneur von Texas, Rick Perry. Er soll das Energieministerium leiten, das er selbst als Präsidentschaftskandidat 2012 abschaffen wollte. Perry ist seit fast zwei Jahren im Vorstand der Pipeline-Firma "Energy Transfer Partners".
Ebenfalls Interesse am Ausbau von Ölpipelines hat Rex Tillerson, der ehemalige Chef des Energieunternehmens "Exxon". Er ist Donald Trumps Wahl für den Posten des Außenministeriums. Tillerson bezeichnete in einer Rede vor dem Council of Foreign Relations in New York Umweltverschmutzung und Klimawandel als Probleme von geringer Priorität, die von Menschen bewältigt werden können.
Auch Präsident Obama förderte die Ausbeutung fossiler Brennstoffe. Unter seiner Regierung erlebten US-Öl- und Gasproduzenten einen enormen Aufschwung. Er genehmigte den weiten Ausbau der umstrittenen Fracking-Technologie in North Dakota, Texas, Oklahoma und den Rocky Mountains.
Erst in seiner zweiten Amtszeit konzentrierte sich Barack Obama mehr auf den Umweltschutz, bewahrte Gebiete vor der weiteren Ausbeutung für Brennstoffe und stoppte Ende 2015 nach jahrelangem Streit den Bau der Keystone XL Pipeline. Zum Pipeline-Bau nahe dem Standing Rock Reservat äußerte sich der US-Präsident erst im September des vergangenen Jahres.
"Generell denke ich, dass es einen Weg gibt, auf heilige Stätten der indigenen Völker Rücksicht zu nehmen, zum Beispiel durch die Wahl einer anderen Route. Wir werden prüfen, ob der Konflikt gelöst werden kann und wir gleichzeitig die Traditionen der ersten Bewohner dieses Landes respektieren."
Aus Sicht der Standing Rock Sioux hat Washington gar nicht das Recht, über den Pipelineverlauf in North Dakota zu entscheiden. Die Rohre führen durch ein Gebiet, das ihnen 1868 durch einen Vertrag mit der US-Regierung - das "Treaty of Fort Laramie" - zugesichert wurde. Die US-Regierung brach diesen Vertrag mehrmals, um einseitig Land zu vereinnahmen - im 19. Jahrhundert um Gold zu schürfen, später um Dämme zu bauen, deren Stauseen fruchtbares Land der indigenen Völker überschwemmten. Die Sioux fordern bis heute ihr Land zurück.
In einem Treffen mit Vertretern von "Energy Transfer Partners" im September 2014 erklärte der Rat der Standing Rock Sioux, dass er dem Bau der Dakota Access Pipeline nie zustimmen werde, weil er heilige Begräbnis- und Zeremonienstätte zerstört und die Wasserversorgung gefährdet. Sioux-Chef Dave Archambault beendete die Sitzung mit einer klaren Botschaft: "Wir können ohne Öl und Geld leben, aber nicht ohne Wasser. Wir werden alles tun, um das Wasser und unser kulturelles Erbe zu schützen."
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