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Hafenlotse in Hamburg: Einparker für den Käpt'n - SPIEGEL ONLINE

Lotse, bitte übernehmen Sie: Schiffskapitäne sind auf ihrem Kahn der Chef - aber beim Anlegen nur Hilfskraft. Spezialisten wie Jens Tomaszewski haben im Hafen das Kommando auf Containerriesen. Für den Job hat der Lotse seine Kapitänskarriere geschmissen.

Die Nacht war kurz für Jens Tomaszewski, 45. Um zwei Uhr morgens hat ihn der Wachleiter, der alle Schiffe im Hafengebiet im Blick hat, angerufen, damit er einen Job übernimmt. Tomaszewski weiß nie, wann der Anruf kommt und wie viele Einsätze in seiner Dienstwoche anfallen. Das richtet sich nach dem Verkehrsaufkommen im Hafen. Manchmal wollen alle Schiffe zur gleichen Zeit ein- oder auslaufen. Auch mitten in der Nacht.

Gut anderthalb Stunde hatte er nach dem Anruf Zeit, um aus seinem Bett in Lüneburg zu steigen und im Lotsenhaus an der Elbe in Hamburg-Waltershof anzukommen. "Auf Kommando schlafen und aufstehen? Man gewöhnt sich dran", sagt Tomaszewski. Zu dieser frühen Stunde muss er das 140 Meter lange Containerschiff "Iris Bolten" von einem Kai zum anderen manövrieren - umparken nennen das die Lotsen. Für die Zentimeterarbeit braucht er gut zwei Stunden.

Tomaszewski ist einer von 75 Hafenlotsen, die dafür sorgen, dass alle Schiffe ab 90 Metern Länge und 13 Metern Breite in Hamburg sicher an den Kai oder wieder zurück in die Fahrrinne kommen. Bundesweit arbeiten rund 850 See- und Hafenlotsen.

Tomaszewski fuhr wie alle seine Kollegen zuvor zur See. 15 Jahre, zuletzt als Kapitän auf einem Containerschiff. Dann hatte er genug von der weiten Welt. "Wenn du eine Familie hast, ist der Job auf den Meeren irgendwann nicht mehr attraktiv. Ich wollte dann unbedingt zu den Lotsen, auch wenn viele den Job als Ende der Karriereleiter sehen."

Lotsen können es mit dem Renommee eines Schiffskapitäns nicht aufnehmen, auch wenn sie Spezialisten auf ihrem Fachgebiet sind - dem Hafen. Ohne ihre Ansagen wären selbst gestandene Kapitäne aufgeschmissen. Tomaszewski ist zufrieden: "Eine Woche arbeite ich auf dem Wasser, eine Woche habe ich frei. Das ist perfekt für mich." Sieben Einsätze hatte er in den vergangenen sieben Tagen.

2005 bewarb er sich bei der Hafenlotsenbrüderschaft Hamburg. Die Mitglieder arbeiten freiberuflich und organisieren ihre Einsätze selbst. Sie sammeln ihre Einkünfte und teilen diese am Ende des Monats brüderlich. Nach einer achtmonatigen Prüfung samt Stresstests und Gesundheitschecks erhalten Hafenlotsen die sogenannte Bestallung.

Ein normaler Job sieht so aus: Im Wachleiterraum wird ein Schiff angekündigt, Tomaszewski angerufen, er macht sich auf den Weg. Ein Boot bringt ihn von der Zentrale zum einlaufenden Containerschiff. Bei sechs Knoten Geschwindigkeit legt das Lotsenboot an der Steuerbordseite an. Tomaszewski klettert während der Fahrt über eine Strickleiter auf den Containerfrachter. Ein Matrose begleitet ihn zur Kommandobrücke des Kapitäns. Hier übernimmt er vom Elblotse, der das Schiff stromaufwärts begleitet und nun Feierabend hat.

"Du darfst dir nie zu viele Gedanken machen"

Tomaszewkis Anweisungen kommen ruhig aber bestimmt, der Kapitän hört auf ihn, schließlich ist der Lotse derjenige, der sich im Hafen auskennt. "In dem Job musst du auch bei größtem Stress gelassen sein", sagt er. Der Hafenlotse muss die vielen Anzeigen im Blick haben, doch meist schaut er auf das Wasser. Er weiß, wann er drosseln muss, wie stark die Maschine läuft, welche Geschwindigkeit richtig ist. Und er bestimmt die Hafenschlepper, die an dem Schiff festmachen sollen und manövriert den Pott im engen Hafenbecken Richtung des Liegeplatzes, der ihm aus der Zentrale vorgegeben wird.

Bei schönem Wetter ein Job vor traumhafter Kulisse. Doch Tomaszewski kennt andere Tage, wenn es stürmt oder schneit. "Du hast irgendwann ein Gespür dafür, hast dich ja früher auch von Hafenlotsen begleiten lassen, kennst die Gezeiten und fährst dementsprechende Manöver", sagt er, "heftige Böen können auch einen Containerriesen vom Kurs abbringen". Neben den großen Pötten sind viele kleine Binnenschiffe, Barkassen und Sportboote unterwegs. Die meisten Häfen verfügen über ein Schiffüberwachungssystem, die Erfahrung des Hafenlotsen können sie aber nicht ersetzen.

Kurz vor dem Liegeplatz: Ganz langsam wird das Containerschiff an die Kaimauer gedrückt, möglichst elegant soll es anlegen. Für das letzte Stück bedarf es Augenmaß. "Du darfst dir nie zu viele Gedanken machen, dass auch mal was schiefgehen kann." Tomaszewski und der Kapitän stehen dann meist an Deck, beobachten und korrigieren. Manchmal sind es nur wenige Meter, die die parkenden Schiffe voneinander trennen. Wenn der Frachter sicher liegt, macht sich der Hafenlotse auf den Weg durch den Bauch des Schiffes, durch die Luke in der Bordwand zurück aufs Lotsenboot. Das fährt ihn wieder zu den Kollegen in die Zentrale. Oder manchmal gleich zum nächsten Einsatz.

KarriereSPIEGEL-Autorin Katja Kasten arbeitet als freie Journalistin in Hamburg.

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