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Junge Schnapsbrenner: Geist ist geil - SPIEGEL ONLINE

Tagsüber reinigt Korbinian Achternbusch Hemden, abends destilliert er Schnaps. Er ist einer von vielen Quereinsteigern, die sich an Spirituosen versuchen - ob in der eigenen Brennerei oder der gemieteten Garage.

Korbinian Achternbusch hat zwei Jobs. Tagsüber, von sieben bis 17 Uhr, arbeitet er als Textilreinigermeister. Am Abend und am Wochenende ist er Herr über einen Produktionsbetrieb für Spirituosen - in einer gemieteten Garage, die nach Zitronen und Wacholder duftet. Dort steht eine 150-Liter-Anlage. Sie hat ihn über 20.000 Euro gekostet.

Der 26-Jährige stellt Gin her. Sein "Feel! Munich Dry Gin" ist bio und vegan, bei der Produktion verzichtete er auf Eiweißfilter. 33 Euro kostet eine Flasche der 47-prozentigen Spirituose, die Achternbusch an Restaurants und Supermärkte verkauft. Vor gut zwei Jahren fing er mit dem Brennen an, mittlerweile füllt er im Monat mehrere Hundert Flaschen ab.

Er macht alles allein: Einkauf, Produktion, Etikettierung, Versand, Messebesuche und das Abklappern von Restaurants - immer mit einer Flasche Gin in der Hand. "Klar muss ich richtig Gas geben, um rechtzeitig liefern zu können", sagt er, "man muss den Job schon ernst nehmen." Gewinn macht er damit bisher nicht, aber er hofft, dass sich das bald ändern wird.

Sorgfältig destillierte Spirituosen liegen im Trend. Ob Gin aus München, Whisky aus der Uckermark oder Wermut aus dem Schwarzwald: Der Markt bewegt sich - und mit ihm die Chancen für Quereinsteiger, ins Spirituosengeschäft einzusteigen.

Vorbild ist Alexander Stein. Der ehemalige Nokia-Manager verdient sein Geld mit deutschem Gin. 150.000 Flaschen werden jährlich von seinem handgemachten Schwarzwald-Destillat "Monkey 47" getrunken. Vor vier Jahren waren es noch 5000. "Als ich in das Geschäft einstieg, war noch nicht abzusehen, dass alles so gut laufen wird. Ich wollte bloß einen richtig guten Gin machen", sagt der 41-Jährige. "Anscheinend habe ich zur richten Zeit den richtigen Nerv getroffen."

Stein kümmert sich um Einkauf und Marketing, das Brennen überlässt er Christoph Keller. Der ehemalige Kunstbuchverleger ist wie Achternbusch und Stein ein Autodidakt. Er macht seinen Job so gut, dass er vom Restaurantführer "Gault Millau" zum Brenner der Jahres 2013 gekürt wurde. Vor acht Jahren kaufte Keller eine Obstbrennerei bei Konstanz und erwarb damit eine Brennlizenz, die man in Deutschland benötigt, um Hochprozentiges zu verkaufen. Etwa 28.000 Kleinbetriebe und Bauernhöfe haben die begehrte Erlaubnis. Ein Grund, warum viele Kleinproduzenten ihren Schnaps außer Haus brennen lassen.

Korbinian Achternbusch brennt seinen Gin nicht, sondern übersprittet ihn: Er weicht die Früchte in Alkohol ein und destilliert sie anschließend zu einem Geist. Für seine Anlage benötigt er deshalb statt einer Brennlizenz eine Erlaubnis vom Zoll, die leichter zu bekommen ist.

Destillateur-Azubis sind gefragt

Nur auf eine Spirituose zu setzen, kann sich Julian Machinek, 23, nicht vorstellen. Noch weiß der Lehrling nicht, ob er irgendwann seine eigene Brennerei aufmacht, in der Aromaindustrie arbeiten wird oder als Angestellter in der Schnapsbranche sein Glück findet. Fest steht: die Berufsaussichten sind gut. Mit dem Boom deutscher Spirituosen erfährt auch die Ausbildung zum Destillateur einen Aufschwung. Machinek hat vor einem Jahr damit begonnen. Für den Ausbildungsplatz hat der Niedersachse sein Informatikstudium aufgegeben und ist nach Berlin gezogen.

In der Preußischen Spirituosen Manufaktur lernt Machinek, worauf es ankommt: "Für den Beruf brauchst du eine besondere Nase und gute Geschmacksnerven." Noch schaut er zwei Destillateuren über die Schulter und assistiert, wenn sie 50 Spirituosen in aufwendigen Verfahren herstellen.

Zweimal im Jahr fährt der Azubi für drei Wochen nach Dortmund. Am Fritz-Henßler-Berufskolleg, der einzigen länderübergreifenden Schule Deutschlands, lernen er und 17 Mitschüler, wie man aus Kräutern, Früchten und Essenzen Gin, Kräuter oder Klare brennt. Die Berufsschule hat auch im Ausland einen Namen. So wollen im diesjährigen Jahrgang auch Italiener und Österreicher die Kunst des Destillierens erlernen.

Korbinian Achternbusch hätte auch gern eine Lehre zum Destillateur in der Tasche. "Das wäre dann noch mal eine ganz andere Nummer", sagt er und erzählt von Sensorik-Seminaren in Obstbrennereien, die er besucht hat.

Trotzdem mag der Münchener dem Hype nicht so ganz trauen: "Was, wenn alles nur eine Eintagsfliege ist und die Lust der Deutschen auf Hochprozentiges wieder vergeht?" Deshalb geht er lieber auf Nummer sicher und bleibt auch seinem alten Job treu. Solange er beide Berufe nebeneinander regeln kann, wird er weiter Hemden reinigen.

KarriereSPIEGEL-Autorin Katja Kasten arbeitet als freie Journalistin in Hamburg.

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