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Die Story: Der Traum vom Arbeiten auf Achse?

Nadja Mütterlein - Aufmacherbild: Ina Strohbücker, weitere Bilder: privat

Nadja Mütterlein ist Personalerin bei Bosch. In den vergangenen eineinhalb Jahren hat sie sich als digitale Nomadin ausprobiert - trotz Festanstellung. Was sie dabei gelernt hat und was das mit der Arbeitswelt von morgen zu tun hat.

Nadja Mütterlein wächst in einem kleinen schwäbischen Dorf auf. Nach ihrem Masterstudium im Bereich Personalmanagement an der Hochschule München steigt die damals 25-Jährige 2014 fest bei Bosch in Stuttgart ein. Dort betreut sie 600 Mitarbeiter. Sie ist zuständig für die Personalbeschaffung und Bewerbungen, für die Mitarbeiterentwicklung, aber auch für arbeitsrechtliche Maßnahmen. Mütterlein liebt ihren Job. Doch sie reist auch gern - und sie versteht sich als Vertreterin der Generation Y. „Noch nie gab es eine Generation mit einem so starken Drang zum Reisen", sagt sie.

„Sehnsucht und Neugier treiben Mütterlein an. Im Internet stößt sie auf ein amerikanisches Programm. 75 Teilnehmer können innerhalb eines Jahres das Arbeiten von unterwegs testen. "

Sehnsucht und Neugier treiben die junge Personalerin an. Im Internet stößt Mütterlein auf ein amerikanisches Programm. 75 Teilnehmer können innerhalb eines Jahres in zehn Ländern das Arbeiten von unterwegs testen. Seit der Gründung 2015 haben sich dafür über 100 000 Menschen beworben. Die Idee, dabei zu sein, auch als Festangestellte, lässt sie nicht mehr los. „Ich wollte ausprobieren, ob das nicht auch für mich machbar ist." Sie schafft es, ihre Vorgesetzten neugierig zu stimmen und von ihrem Plan zu überzeugen. Mütterlein bewirbt sich und bekommt einen Platz. Ende Mai 2016 packt sie ihren Koffer und wird zu einer Pionierin.

Quer durch Europa

Mütterleins Arbeitsreise beginnt in Tschechien, geht weiter über Serbien, Albanien, Montenegro, England, Portugal, Spanien und Marokko. Die Kosten bezahlt sie aus eigener Tasche. Die Flüge und Unterkünfte sind gebucht, die Arbeitsplätze ausgewählt. Alles ist so organisiert, dass das Arbeiten im Vordergrund stehen kann. Das Reisen schlaucht, aber sie gewöhnt sich schnell daran. Einen Tag benötigt Mütterlein, um mental anzukommen, dann klappt sie ihren Laptop auf. In der Zeit arbeitet sie in einem Katzen-Café, in einem Bootsrestaurant, in einem Waschsalon am Strand und in der Wüste. Schnell merkt sie, worauf es ankommt: „Wir haben ein festes Zeitfenster gesetzt und kommuniziert, wann ich für die Kollegen in Deutschland erreichbar bin - natürlich an den normalen Bürozeiten orientiert. In der übrigen Zeit war ich flexibel."

„Das Reisen schlaucht, aber Mütterlein gewöhnt sich schnell daran. Einen Tag benötigt sie, um mental anzukommen, dann klappt sie ihren Laptop auf."

Mit Urlaub hat das alles wenig zu tun. Unternehmungen verlagert Mütterlein meist auf das Wochenende - ganz wie zu Hause. Tagsüber betreut sie Projekte, sie führt Mitarbeiter- und Bewerbungsgespräche, arbeitet aus der Ferne zwei Praktikantinnen ein, die in Stuttgart die Stellung halten. Die Arbeit in einer Personalabteilung setzt eigentlich eine Face-to-Face-Situation voraus. Jetzt kommuniziert Mütterlein per Telefon, E-Mail und Skype. Das scheint niemanden zu irritieren. Sie beschreibt sich als sehr selbstdiszipliniert, organisiert und ergebnisorientiert. Die meisten der digitalen Nomaden arbeiten freier. Sie sind selbständig und haben feste Abgabefristen. Sie teilen sich die Zeit anders ein, sitzen auch am Abend vor dem Laptop. Einer der wenigen Festangestellten, ein Amerikaner, ist IT-Spezialist. Er erzählt ihr, dass er seine Kollegen und Vorgesetzten noch nie persönlich gesehen hat, dass er virtuell eingestellt wurde und auch die Zusammenarbeit so funktioniere, weil statt des persönlichen Kennenlernens ausschließlich die Kompetenz zähle: „Alles ohne jeglichen persönlichen Kontakt - undenkbar für deutsche Firmen", sagt Mütterlein, „noch."

Work and Travel der etwas anderen Art

Nach vier Monaten in einem betreuten Programm entschließt sich Nadja Mütterlein, Europa zu verlassen und allein zu reisen. Während eines Sabbaticals testet sie aus, wie es ist, von Asien und Afrika aus zu arbeiten.

Grün markiert: Länder, die Mütterlein in ihrer Zeit „abroad" bereiste.

Nach Asien und Afrika

Nach vier Monaten verlässt Mütterlein die Gruppe. Früher als geplant. „Ich hatte genug erfahren und wollte mein eigenes Programm gründen, das Firmen und Festangestellte zusammenbringt." Mit ihrem Arbeitgeber Bosch vereinbart sie ein viermonatiges Sabbatical. Jetzt will Mütterlein auch das Arbeiten mit Zeitverschiebung testen. Dafür will sie frei sein. Sie reist durch Asien und Afrika, wählt Unterkünfte und Arbeitsplätze selbst aus. Sie arbeitet in Thailand, Vietnam, Malaysia und Taiwan, meist in Coworking-Spaces, manchmal aber auch unter einem schattigen Baum oder in ihrer Unterkunft. Die Tätigkeit bestimmt den Ort des Arbeitens. Das thailändische Chiang Mai, ein Treffpunkt für digitale Nomaden aus aller Welt, hat es ihr besonders angetan. Hier tauscht sie sich in Vorträgen und Workshops mit anderen aus. Sie lernt Menschen kennen, die von dieser Form der Arbeit überzeugt sind und diese gar nicht mehr in Frage stellen.

„Nach vier Monaten verlässt Mütterlein die Gruppe. Früher als geplant. ‚Ich hatte genug erfahren und wollte mein eigenes Programm gründen.'"

Durch Afrika reist sie fünf Wochen mit einem Truck, nachts schläft sie in einem Zelt. Über Zimbabwe, Botswana, Sambia und Namibia geht es nach Südafrika. Elf digitale Nomaden werden in dieser Zeit zu ihren Kollegen. Die Erfahrung, die sie macht, ist noch einmal anders. „Du musst gezielt auf den Punkt hinarbeiten, auf den Moment, in dem du stabiles Internet hast und eine Mail schicken kannst." In der Zeit startet sie einen eigenen Blog, der ihre Erfahrungen über das Arbeiten von unterwegs bündelt. Und sie gründet mit einem Freund das Start-up „Remote Talents". Vier Wochen lang wollen die beiden 2018 eine Gruppe von Festangestellten und Selbständigen an einem Ort in Südeuropa zusammenbringen, damit diese dort das Arbeiten aus der Ferne testen. Mütterlein ist sich sicher: „Die Arbeitswelt von morgen wird eine andere sein. Und die Weichen dafür sind durch die technologische Ausstattung längst gestellt. Unternehmen und Angestellte müssen sich mit dem Thema beschäftigen."

Um viele Erfahrungen reicher

Nach dem Sabbatical folgte der Alltag. Doch ganz hart war die Landung nicht. Bosch setzte Mütterlein für zehn Monate in Spanien ein. In einem Werk in der Nähe von Madrid unterstützte sie die Arbeit der Personalabteilung. Der Abend war für ihr Start-up reserviert. Erst vor einigen Wochen, Anfang Februar, ist sie wieder an ihren Stuttgarter Schreibtisch zurückgekehrt. Dort wird sie nun auch bleiben. Dass ihre Reise einen Schneeballeffekt unter den Mitarbeitern im Unternehmen auslösen wird - daran glaubt sie nicht: „Viele wollen ja gar nicht so arbeiten. Aber einige schon, und die muss man ernst nehmen." Mütterlein sagt auch: „Wenn Firmen Probleme haben, richtig gute Leute zu finden, manche sogar Mitarbeiter im Allgemeinen, müssen sie ihre Präsenzkultur überdenken."

„Mütterlein ist sich sicher: ‚Die Arbeitswelt von morgen wird eine andere sein. Und die Weichen dafür sind durch die technologische Ausstattung längst gestellt.'"

Wenn ein Bewerber jetzt im Vorstellungsgespräch nach den Möglichkeiten des mobilen Arbeitens fragt, trifft er auf eine Mitarbeiterin, die versteht, wovon die Generation vielleicht träumt - Arbeit und Reisen zu verbinden. Mütterlein kennt nun aber auch die Grenzen der Mobilität sehr gut - und sie weiß, dass das mobile Arbeiten im Ausland auf keinen Fall mit Urlaub zu verwechseln ist.

Was haltet ihr von Nadjas Trip? Wäre das etwas für euch? Schickt uns eure Fragen, Anmerkungen oder eigene Erfahrungsberichte zum Thema „Arbeiten im Ausland" an redaktion@hochschulanzeiger.de

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