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Warum Ebola nie nach Deutschland kommt

Medizinisches Personal in Liberia: Ohne Schutzkleidung darf sich niemand den Ebola-Patienten nähern

... und elf Dinge, die Sie trotzdem wissen müssen


Freetown (Sierra Leone) - Es ist die schlimmste Ebola-Welle aller Zeiten. Mehr als 600 Tote meldet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Westafrika, täglich werden es mehr. Noch ist völlig unklar, wann und wie sich die Ausbreitung stoppen lässt. Nach Deutschland kommt das Virus aber nicht...

„Dass sich Ebola auf der ganzen Welt ausbreitet und zu uns nach Deutschland gelangt, ist grundsätzlich möglich, aber sehr unwahrscheinlich", erklärt Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Virusdiagnostik am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg.

„Die Menschen in Westafrika sind sehr arm. Interkontinentale Flüge können sich nur wenige leisten", sagt der Tropenmediziner. „Deshalb ist das Risiko auch gering, dass Reisende das Virus nach Europa bringen."

In Westafrika jedoch nimmt die Epidemie erschreckende Ausmaße an. In Guinea, Liberia und Sierra Leone kamen 603 Menschen durch Ebola ums Leben. Insgesamt sind nach WHO-Angaben 964 Menschen an dem hochansteckenden Virus erkrankt.

Allein vom 8. bis 12. Juli zählten die Gesundheitsbehörden in den drei Ländern 85 neue Fälle, 68 Menschen soll in dem Zeitraum gestorben sein.

„Und ich glaube nicht, dass wir schon den Höhepunkt der Epidemie erreicht haben", warnt Katherine Mueller, die Sprecherin des Roten Kreuzes in Afrika.

In Liberia sorgt die Todesseuche nach Auskunft der SOS-Kinderdörfer für Panik. Medizinisches Personal und Patienten seien aus mehreren Kliniken in der Hauptstadt Monrovia geflohen. Viele Krankenhäuser hätten geschlossen. Die Situation ist völlig außer Kontrolle!

Doch warum ist das Ebola-Virus eigentlich so gefährlich? Und wie kann man sich dagegen schützen? BILD klärt die wichtigsten Fragen.
Was genau ist Ebola?

Ebola ist ein durch Viren ausgelöstes hämorrhagisches Fieber, d. h. es löst Blutungen aus. Professor Emil Reisinger, Tropenmediziner an der Uni Rostock: „An Ebola sterben 50 bis 90 Prozent der Infizierten. Sie verbluten innerlich." Weitere hämorrhagische Erkrankungen sind zum Beispiel das Gelbfieber und das Dengue-Fieber.

Woher stammt der Name Ebola?

Hämorrhagische Fiebererkrankungen werden nach der Region benannt, in der sie das erste Mal auftraten. In diesem Fall ist das der Ebola-Fluss in Zaire (heute Demokratische Republik Kongo). Entdeckt hat das Todesvirus Dr. Peter Piot im Jahr 1976.

Wie wird Ebola übertragen?

„Das Ebola-Virus wird über Flughunde oder Affen übertragen. Der Mensch kann sich infizieren, wenn er das Fleisch isst oder mit den Ausscheidungen in Berührung kommt", erklärt Dr. Jonas Schmidt-Chanasit, Leiter der Virusdiagnostik am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg.

Die Übertragung von Mensch zu Mensch findet über Körperflüssigkeiten statt - das kann beispielsweise im Krankenhaus beim Umgang mit Patienten, infizierten Spritzen oder OP-Bestecken passieren. Es gibt keine Hinweise auf eine Übertragung auf den Menschen durch die Atemluft.

Welche Symptome hat ein Ebola-Kranker?

Nach einer Inkubationszeit von zwei bis 21 Tagen beginnt die Erkrankung plötzlich mit unspezifischen Symptomen wie Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, Entzündung der Augenbindehaut, Halsentzündung, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Bei einigen Patienten kommt es zum Auftreten eines Hautausschlags.

„Ab dem 5. bis 7. Krankheitstag sind bei einem Teil der Patienten Schleimhautblutungen (u. a. aus dem Magen-Darm- und Genitaltrakt) zu beobachten", erklärt Dr. Lars Schaade, Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts. „Es kann zu Leber- und Nierenbeteiligung kommen. Auch Zeichen einer Gehirnentzündung können auftreten."

Wie kann man sich vor Ebola schützen?

Schon einfache Hygienemaßnahmen können die Verbreitung stoppen: Händewaschen mit Wasser und Seife, benutzte Spritzen nicht zweimal verwenden und auf jeglichen Kontakt mit infizierten Personen verzichten.

„Eine besondere Gefahr besteht für betreuende Personen und medizinisches Personal mit direktem Kontakt zu Patienten und Verstorbenen sowie für das Laborpersonal, das Patientenproben untersucht", erklärt Schaade vom Robert-Koch-Institut. „Hier sind besondere Schutzmaßnahmen wie Schutzkleidung erforderlich."

Auch Aufklärungsarbeit ist wichtig. Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, hat deshalb in sieben afrikanischen Ländern entsprechende Kampagnen gestartet. „Wir informieren die Menschen zum Beispiel über SMS, TV-Spots und Radiosendungen, wie sie sich vor dem Virus schützen können", sagt Sprecher Rudi Tarneden.

In Guinea und Liberia hat die Organisation zwei Millionen Stück Seife und 600 000 Flaschen Chlorine zur Wasseraufbereitung an Haushalte, Gesundheitsstationen und Schulen verteilt. Wie behandelt man Ebola?

Es gibt weder eine vorbeugende Impfung noch Medikamente gegen das Virus. „Man kann die Patienten nur symptomatisch behandeln", sagt Tropenmediziner Schmidt-Chanasit. „Wichtig ist eine gute Versorgung auf einer Intensivstation. Dann kann ein geringer Teil der Erkrankten das Virus auch überleben."

Wie konnte sich Ebola so schnell in Westafrika ausbreiten?

Die Menschen in den betroffenen Ländern Guinea, Liberia und Sierra Leone trauen weder den Ärzten noch dem Gesundheitssystem - das ist ein Kernprolem.

Ihre Befürchtung: Wer mit Ebola ins Krankenhaus eingeliefert wird, verlässt dieses erst wieder in einem Leichensack.

„Viele Menschen haben Angst und sagen sich gleichzeitig, mir kann ja doch keiner helfen, falls ich erkranke. Dies kann dazu führen, dass Schutzmaßnahmen ignoriert werden und sich noch mehr Menschen anstecken", erklärt Rudi Tarneden vom Kinderhilfswerk Unicef.

Die Organisation schickt deshalb Helfer auch in entlegene Gebiete, um dort Aufklärung zu betreiben. Gar nicht so einfach.

„In der Region können 42 Prozent der Erwachsenen nicht richtig lesen und Schreiben - dies bedeutet, dass sich Gerüchte schnell verbreiten und die Menschen aus Angst sich ,unvernünftig' verhalten", sagt Tarneden. „Entscheidend ist es deshalb, die Menschen auf die richtige Art und Weise anzusprechen, um ihre Aufmerksamkeit und ihr Vertrauen zu gewinnen." Deshalb gehen die Helfer von Haus zu Haus und sprechen mit den Familien.

Welche Rolle spielt Aberglaube in der Region?

Ebola ist für viele Menschen in Westafrika böse Zauberei, ein Fluch, der von den Ausländern ins Land gebracht wurde. Sie vertrauen der modernen Medizin nicht.

Aberglaube, Wunderdoktoren und Voodoo-Zauber sind seit dem Ausbruch der Krankheit im März die wohl mächtigsten Gegner der Ärzte.

„Hier in Sierra Leone wenden sich viele Menschen zunächst an traditionelle Heiler, um behandelt zu werden", erklärt Katherine Mueller, die Sprecherin des Roten Kreuzes in Afrika. „Oft ist es für sie zu spät, wenn sie endlich in eine der Krankenstationen kommen."

Doch der Kampf gegen Ebola geht weit über die medizinische Hilfe hinaus. „Es ist so, dass Fehleinschätzungen, Abwehr, Verleugnung und gelegentlich sogar Gewalt in den Gemeinden wirksame Prävention verhindern", sagt Rudi Tarneden von Unicef.

Helfer werden mit Messern bedroht und Steinen beworfen. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters rissen die Bewohner eines Dorfes in Guinea sogar eine Brücke ab, um das medizinische Personal zu stoppen.

Was kann Westafrika tun, um das Virus zu stoppen?

Zur Eindämmung der verheerenden Ebola-Epidemie haben die westafrikanischen Regierungen und die Weltgesundheitsorganisation einen gemeinsamen Aktionsplan beschlossen.

Auf einem Krisengipfel in der ghanaischen Hauptstadt Accra verständigten sich die Gesundheitsminister der westafrikanischen Länder auf ein regionales Kontrollzentrum in Guinea. Von dort aus soll der Kampf gegen die hochansteckende Infektionskrankheit zentral organisiert werden.

Doch das reicht nicht!Die betroffenen Regionen müssen alle verfügbaren finanziellen und personellen Ressourcen mobilisieren. An der Todesseuche erkrankte Menschen müssen besser überwacht werden, sie dürfen nicht mehr aus den Krankenhäusern fliehen können. Sie sind eine Bedrohung für andere Menschen.

Außerdem ist eine stärkere Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg wichtig. Das betrifft zum einen die medizinische Versorgung in den Epidemie-Ländern und erfordert zum anderen eine verstärkte gemeinsame Aufklärung der Bevölkerung. Viele Westafrikaner sind sich der Risiken gar nicht bewusst, die vom Ebola-Virus ausgehen.

Sollte man von Reisen nach Afrika jetzt besser absehen?

Die Gebiete, in denen Ebola verbreitet ist, sind keine klassischen Touristenziele. Auf der Webseite des Robert-Koch-Instituts heißt es: „Für Reisende in Epidemie-Gebiete besteht nur ein sehr geringes Infektionsrisiko, solange sie keinen direkten Kontakt mit erkrankten Menschen und Tieren bzw. deren Körperflüssigkeiten haben."

Es gebe keinerlei Hinweise darauf, dass man sich auch durch die Atemluft eines Ebola-Erkrankten anstecken könnte.

Kann sich das tödliche Virus auf weitere Länder ausbreiten?

„Dass sich die Menschen sowohl innerhalb der Länder als auch grenzübergreifend viel bewegen, hat die rasante Ausbreitung des Virus in den drei Ländern zusätzlich gefördert", erklärt Luis Gomes Sambo, WHO-Regionaldirektor für Afrika, die stetig steigenden Infektionszahlen. „Das Risiko, dass sich die Epidemie über weitere Grenzen international ausbreitet, stellt ein gravierendes Problem für die öffentliche Gesundheit dar."

Das bestätigt auch Dr. Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Hamburg. „Die Menschen reisen innerhalb Afrikas sehr viel. Deshalb besteht durchaus die Gefahr, das sich Ebola in weiteren Ländern ausbreitet."

Während Deutschland sich also sicher fühlen kann, geht das Bangen in Westafrika weiter. Die Ebola-Epidemie traf die betroffenen Länder völlig unvorbereitet, jeden Tag sterben mehr Menschen an dem tödlichen Virus.

Trotz aller Bemühungen und Maßnahmen rechnen Beobachter deshalb damit, dass es noch Wochen oder sogar Monate dauern kann, bis die Epidemie unter Kontrolle gebracht wird.


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