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Apostile

Runter vom Sofa - Wandern oder Spaziergang?

Wie immer nimmt mich die Beschäftigung mit den großen Fragen unserer Zeit sehr in Anspruch. So auch dieser Tage, in denen ich in Lammfell gehüllt auf meinem Schaukelstuhl sitze und versuche, mich in einen Kokon einzustricken, um dereinst, nämlich in einem irgendwo weit vorausliegenden Frühling, der auf einen nicht enden wollenden Winter folgt, dem ein viermonatigen Herbst vorausging, als wunderschöner Schmetterling wieder aufzutauchen und euch allen das Hirn mit Zauberhaftigkeit zu vernebeln. So wüsste ich derzeit furchtbar gern, ob sich Seniorinnen und Senioren eigentlich von der Jugend modisch bedroht fühlen, weil sie sich der Farbe Beige beraubt sehen, und ob der Trend bei den Ü70-Jährigen dann ins Leberwurstfarbene gehen wird oder aber ob künftig alle Omis und Opis als Vanilla Girls und Vanilla Boys gemeinsam mit der Enkelgeneration ticktocken. Vielleicht kann mir das mal jemand sagen? Dann hätte ich mehr Zeit, über etwas nachzudenken, das mir schon so lange den Schlaf raubt und ich einfach keine gute Antwort auf diese eine Frage finden will: Was unterscheidet eine Wanderung vom Spaziergang? „DIE EINKEHR!“ hätte ich früher sofort geschrien, aber je älter ich werde, desto mehr Fehler entdecke ich in dieser Antwort. Denn es ist zwar überaus traurig, jedoch sehr wohl möglich, wandern zu gehen ohne am Ende oder zwischendrin eine feine Einkehr zu machen. Umgekehrt ist es ein bisschen peinlich, aber auch sehr wohl möglich, gemütlich um einen winzigkleinen See herumzuspazieren und sich dafür mit einem Mordswirtshausbesuch zu belohnen. Einkehr also kein Kriterium. „Zeit!“ schlug eine Freundin vor, doch auch dagegen muss ich mich erwehren, bin ich doch selbst an guten Lagen durchaus in der Lage, eine Stunde lang einen Berg hinaufzusprinten und an schlechten, zwei Stunden lahme Kreis im Stadtpark zu ziehen. Ergo … Tempo? Nein, abgelehnt, siehe oben. Auch die Kategorie „Klamotten und Schuhwerk“ scheint mir ungeeignet, schließlich ist es durchaus nicht unüblich, beim Bergwandern Menschen zu begegnen, die ganz offensichtlich leichtes Spaziergangsgewand tragen, während andere im vollen Trekking-Ornat durch den Stadtwald heixeln und dabei immer ein bisschen so schauen, als hätten sie Sorge, aus 4km² Grün nie mehr hinauszufinden. Zudem bin ich höchstselbst schon im festen Wanderschuh durch den Park gekreuzt, kann das aber, wenn mir die Bemerkung erlaubt ist, schon aus olfaktorischen Gründen nicht empfehlen. Hochgebirgsprofilsohlen vertragen sich nicht so gut mit dem Hundedings, das hier allenthalben herumliegt. Was macht also den Spaziergang zur Wanderung? „Proviant!“, sagt die Freundin, und ich hätte ihr fast recht gegeben, bis mir einfiel, wie zwei dem Mann und mir verdächtig ähnlich sehende Menschen das Haus gelegentlich zum Spaziergang verlassen, bepackt mit Wechselklamotten, Wasser, Käsebroten und Müsliriegeln weil „man weiß ja nie“ … Ich bitte um Rat!