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Politbande - lieber selbst aktiv werden

Es gibt Menschen, die finden, dass „soziokulturelle Freiräume, bezahlbares Wohnen und menschenfreundliche Mobilität sowie die Reduzierung von Verschwendung und eine damit im Einklang stehende Ökonomie“ Themen sind, die in der Nürnberger Stadtpolitik bereits genug verhandelt werden. Und Menschen, die das ganz und gar anders sehen. So sehr, dass sie nicht mehr warten mögen, bis sie sich Gehör verschaffen bei den Entscheidern, sondern selbst aktiv werden, um ihren Visionen einer funktionierenden Stadtgesellschaft näher zu kommen. Deswegen haben sich knapp 20 Subkulturschaffende zur Wählergemeinschaft „Politbande“ zusammengeschlossen, um 2020 zur Kommunalwahl anzutreten. Und sind sich sicher: „Wir formulieren die Interessen sehr vieler Menschen.“

Denn sie alle sind aktiv in der Szene, die sie fortan vertreten möchten. Sind Wissenschaftler und Kulturmanager, Musiker und Lehrer, Journalisten und Ökonomen, die „bislang keine Ansprechpartner in der Politik haben, die der Szene verbunden sind“, so Karsten Barnett, der als Kulturlobbyist seinerzeit schon um die Quelle gekämpft hatte. Als Zusammenschluss mit dem ambitionierten Namen „Verein zur Förderung der soziokulturellen Freiräume, der Partizipation und der Nachhaltigkeit in Nürnberg e. V.“, so ist man sich einig, habe man nun endlich eine Möglichkeit gefunden, gemeinsam für die Themen einzutreten, die wichtig, bislang aber als viele eigene Süppchen gekocht worden sind.

Und vielfältig: Es geht um Bildung und Digitales, Kultur, Ökologie, Mobilität, um Räume, Soziales, Teilhabe und Wirtschaft, für die jeweils Visionen formuliert und bereits Arbeitskreise gebildet worden sind. Alles Traumschlosserei? „Nein“, sagt Karsten Barnett, „für alle Themen, derer wir uns annehmen mögen, gibt es Best Practice-Beispiele“, Länder, Orte, Städte, in denen die neugedachten Konzepte und wissenschaftlich ausgearbeiteten Versuche längst funktionieren – wie es auch in Augsburg und Stuttgart längst funktioniert, dass mit der Politbande vergleichbare Volksvertreter im Stadtrat Positionen bekleiden. Und hier? „Nürnberg war einmal bundesweit bekannt als Vorreiter der Soziokultur“, sagen die Politbandler, die bitte lieber als verknöcherte Strukturen aufmischendes Rudel verstanden werden wollen als als Banditen, „heute haben wir eine reine Eventstadt“, die gleichen Personen auf den gleichen Stühlen, die gleichen Entscheidungen nach den gleichen Regeln und „immer die Frage: Was bringt das geringste Risiko mit sich statt wirklich Neues?“

Es gehe nicht darum, Gesetze zu brechen, sondern um die Regelungen, deren Auslegung Augenmaß erfordere und für die „herrscht momentan eine Grundstimmung, die neue Strömungen eher verhindert denn unterstützt – wenn der politische Wille da wäre, könnte man diese Schranken aufweichen“, sagt Physiker Dr. Theobald O. J. Fuchs. Leitbild, Ziele, Arbeitskreise seien mitnichten als grundsätzliche Kritik an der Stadt zu verstehen, sondern als Versuch, Horizonte zu weiten, „das Augenmerk konstruktiv zu verlagern“, versichert auch Veranstalter Gábor Bertholini – frei nach dem Motto „Das Bessere ist der Feind des Guten.“

Demokratie von unten bedeute, im Stadtrat wirklich alle Interessen und auch die desjenigen Bevölkerungsteils zu vertreten, die die autofreie Stadt wollen und Lebensraum zurückerobern, die mit Kindern an Schulen kochen und Leerstände zur selbstverwalteten Nutzung freigeben möchten, die nicht mehr hilflos die immerselben Namen und Ergebnisse erfahren möchten, sondern „ganz unten anfangen, das Beste rauszuholen“ und „eine echte Vernetzung im System Stadt.“ Nicht am Profit orientiert, sondern an der Lebensqualität.

Die Themen der Politbande sind freilich prinzipiell bekannt, werden mal mehr, meist weniger ernsthaft verhandelt im herkömmlich-konservativ politischen Betrieb, kumulieren aber jetzt im „Parteibuch“, das gar keins ist, denn wer nur auf kommunaler Ebene agieren will, der muss keine Partei gründen. Was sehr wohl passieren muss: 70 Kandidatinnen und Kandidaten (jeder kann mitmachen!) müssen sich bis Mitte September finden. Und für die müssen bis Mitte November 610 Menschen persönlich im Rathaus unterschrieben haben, um sie zum Kommunalwahlsantritt zu ermächtigen. Eine erste Hürde? Ganz im Gegenteil, ist sich die Politbande sicher, deren Mitglieder allsamt im alternativen Kulturbetrieb aktiv und breit vernetzt sind. Der Bedarf ist absolut da.

„Wir wollen die Leute mobilisieren, die sich bislang von niemandem vertreten fühlen“, so Dr. Fuchs, die jüngere Generation und, so Ramona Deniz Nürnberger, „den Politikbetrieb so bunt wie möglich gestalten.“ Nicht aus Populismus, sondern um „vertrauenswürdig echtes Umdenken in die Politik der Stadt zu bringen.“ Und als Kommunikationskanal nach außen für mehr Transparenz der Stadtratsarbeit zu sorgen. Mit voller Transparenz und dem Aufruf zum Mitmachen geht es am 25. August weiter: Dann nämlich trifft sich die Politbande wie immer am letzten Sonntag des Monats um 17 Uhr im Heizhaus (Wandererstraße 80). Zum Reden, Informieren, Profil schärfen – und alle, die sich angesprochen und mitgenommen fühlen, in ihrer Initiative aufzunehmen.

politbande.de  

(Foto: Simona Leyzerovich)