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Sturmschäden: "Die wirklichen Extreme stehen uns noch bevor"

650 Millionen Euro betragen die Sturmschäden seit Monatsbeginn in Deutschland. 350 Millionen Euro sollen auf Verträge der Sachversicherung entfallen. 300 Millionen Euro sind voraussichtlich an Kaskoschäden in der Kfz-Versicherung auszubezahlen. Jan-Oliver Thofern, CEO des Rückversicherungsmaklers bei Aon, erläutert, dass sowohl das Volumen an Schäden als auch die Höhe der Zahlungen die Branche vor neue Herausforderungen stellt.


"Die Sturmschäden stellen eine Belastung für die Versicherungswirtschaft dar, sind aber aktuell noch nicht als außergewöhnlich zu werten. Das Schadenpotenzial ist deutlich höher als das, was in den letzten Jahren zu sehen war", sagt Jan-Oliver Thofern befragt zum Ausmaß der Sturmschäden in den vergangenen Jahren.


Die Zahlen des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) unterstützt diese Aussage. 90 Prozent der Schäden im Jahr 2018 fallen auf Sturmschäden zurück. Dies entspricht einer Schadenssumme von 2,6 Milliarden Euro. 2017 liegt dieser Anteil noch bei 1,6 Milliarden Euro. Grund für den Anstieg sind die Verdichtung von Unwetterereignissen und deren Folgen.


"Durch steigende Werte und eine höhere Versicherungsdichte, wird die Schadenhöhe weiter zunehmen. Die Sturmfrequenz war in der jüngsten Vergangenheit nicht überdurchschnittlich, die Schadenhöhe pro Jahr gesehen jedoch schon. Ob sich dies kurzfristig ändert oder wir höhere Sturmintensitäten sehen werden, lässt sich auf kurze Sicht nicht seriös beantworten", so Thofern (AON) befragt zur Einschätzung der künftigen Situation.


Der Geschäftsführer mahnt jedoch zur Vorsicht vor Panik und Überschätzung der aktuellen Situation: "Aber selbst wenn sich „lediglich" solche Stürme wie der Niedersachensturm (Quimburga 1972) heute wiederholen würden, wären die Schäden aufgrund der heute höheren Wertekonzentration deutlich massiver. Die wirklichen Extreme stehen uns noch bevor",so Thofern weiter.


Was sich ändern müsste


Für Versicherungsnehmer und Vermittler bedeutet dies zweierlei: Einerseits muss sich die Vorsorge durch Versicherungen verändern. Eine Möglichkeit dazu besteht in der Anpassung der Tarifierung.


"Elementarschäden, insbesondere Flut und Sturm, sind nach unserer Erfahrung in der Tarifierung unterschätzt. Dies liegt unter anderem daran, dass seltene Ereignisse mit sehr hohem Schadenpotenzial für die mittlere Prämie geschätzt werden müssen. Dies ist mit hohen Unsicherheiten behaftet, die meist zu einer Untertarifierung führen", erläutert Thofern auf Nachfrage dazu, welchen Einfluss Sturmschäden bislang auf die Bildung von Versicherungsprämien besitzen.


Warum Versicherer nach Sturmschäden kündigen


Die Folgen dieses Handelns spüren einige Kunden in den vergangenen Jahren deutlich. Mehr als einmal berichten unterschiedliche Medien übereinstimmend darüber, dass Versicherer ihre Bestände bereinigt haben. Basis dessen war eine Reihe von Kündigungen nach der Regulierung von Schäden.


So berichtet die DEVK auf Nachfrage von Der Westen im Nachgang zu den Regulierungen der Sturmschäden aus dem Sommer 2015, dass man aus zwei Gründen Kündigungen ausspricht: Sind Verträge alt, seien Kunden unterversichert. Hier handele man, so DEVK, im Interesse der Kunden, wenn die Kündigung ausgesprochen wird.


Wer in kurzer Zeit mehrere Schäden wegen derselben Ursache melde, so der Kölner Versicherer weiter, dokumentiere den mangelhaften Zustand des Gebäudes. Aufgabe der Wohngebäudeversicherung sei es jedoch nicht, diese vorhersehbaren Schäden aufgrund von Verschleiß abzusichern. Aus diesem Grund kündige man.


Wie steht es um die Versicherungspflicht? 


Inwiefern Sturmschäden vorhersehbare Gefahren darstellen und Defizite am Eigenheim darstellen, benötigt eine Betrachtung des Einzelfalls. Eine weitere Möglichkeit zur Veränderung ist die verpflichtende Versicherung beispielsweise gegen Elementargefahren. In den vergangenen Jahren erhält diese Forderung fortlaufend Zuspruch durch unterschiedliche Interessensparteien. Die Verteilung der Schäden und die Versicherung eben dieser zeugt von einer unterschiedlichen Ausgangssituation:


Bis 1993 ist der Abschluss einer Versicherung gegen Elementarschäden in Baden-Württemberg verpflichtend. Sinn ergibt dies insbesondere deshalb, da der aktuelle Naturgefahrenreport des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) die Schadensdichte insbesondere in Süddeutschland als besonders hoch einstuft.


Dass ein Handeln nötig ist, sagt auch Jan-Oliver Thofern (AON): "Selbst auf Basis der jetzigen Situation ist die Verbundene Gebäudeversicherung eine Sparte, die regelmäßig unter Ergebnisdruck steht und nicht selten mit Verlusten für die Erstversicherer abschließt. Insbesondere in Flut, aber auch bezüglich Sturm ist zu erwarten, dass der Prämienbedarf eher noch zunehmen wird."


Wie es künftig weitergeht 


Über die Ausrichtung der Branche gibt es jedoch laut Thofern unterschiedliche Ansichten: "Es gibt umfangreiche Modellierungssätze für die Naturgefahr Sturm. Die Entwicklung wird dahin gehen, dass bei der Schadenabschätzung individuelle Parameter, die dann auch in die Tarifierung einfließen könnten, eine stärkere Rolle spielen werden. Umfangreiche Datensätze werden auch hier von Vorteil sein."


Für alle, die in diesen Tagen von Sturmschäden betroffen sind, bedeutet es also: Schaden dokumentieren und an die Versicherung rechtzeitig melden. Den Besuch eines Gutachters gegebenenfalls abwarten und auf die Zahlung der Versicherung warten. Wer bislang noch 

keine Vorsorge gegen Elementarschäden ergriffen hat, der sollte dies zeitnah nachholen.


Foto: AON / GDV

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