Offenbar beschäftigen Pferde mein Unterbewusstsein sehr stark. Das ist die Erkenntnis meines Floating-Selbstversuchs nach einer Stunde im Salzwasserbad. Aber der Reihe nach: Ich bin im „Beyond Rest". Das klingt nach Bestattungsunternehmen, ist aber ein „Floating-Institut" in Melbourne, Australien. Ich bin im Urlaub am anderen Ende der Welt und will noch weiter weg schweben. Deshalb also Floating, totaler Reizentzug, totale Entspannung.
Das mit dem Reizentzug fängt schon beim Reinkommen an: Aus den Lautsprechern dudelt einlullende New Age Musik und die Einrichtung ist das visuelle Äquivalent dazu. Alles ist in unaufdringlichem weißblaugrau gehalten. Eine nette Angestellte, blond und in weißem T-Shirt gibt uns eine Einweisung. Vor allem betont sie, dass wir keine Angst haben müssten und dass Floaten am besten klappe, wenn man keine Erwartungen habe. Das ist wesentlich leichter gesagt, als getan, denn allein die Website verspricht vollmundig, dass eine Stunde im Tank wie ein Mini-Urlaub ist. Angeblich soll man sein wahres Selbst erfahren können. Das will ich auch!
Aber viel Gelegenheit, über die Erwartungen nachzudenken habe ich gar nicht. Die Frau führt uns in einen der Räume, in denen so ein Floating Tank steht. Er sieht aus wie eine Hyperschlafkabine aus einem Science-Fiction Film. Weiß, wie eine große Muschel. Die nette Angestellte zeigt mir und meiner Begleitung alles, was wir wissen müssen: Wie die Klappe aufgeht und wo der Notfallschalter ist. Dann weist sie darauf hin, dass wir bitte nicht verkrampft im Wasser liegen sollen. Das gebe sonst Rückenschmerzen. Nach den Vorbereitungen (also duschen und Ohrenstöpsel in die Ohren, damit es nicht zu Salzablagerungen am Trommelfell kommt) lege ich mich in den doppelbettgroßen Tank, der mit einer starken Salzlösung gefüllt ist. Die sorgt dafür, dass ich im Wasser nicht untergehen kann, sondern oben bleibe, wie im Toten Meer. Dann wird der Deckel zugemacht und ich schwebe im Dunkeln. Ich höre und sehe wirklich absolut gar nichts. Das Licht im Tank ist anfangs noch an, dazu läuft wieder New Age Musik. So soll ich easy rübergleiten, in den Trancezustand. Nach ein paar Minuten geht das Licht und die Musik aus.
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Aber so easy ist das mit dem Rübergleiten nicht. „Wie lange liege ich hier schon drin?", „Wann geht das Licht aus?", „Geht das Licht überhaupt aus?", „Vielleicht ist der Tank kaputt?" sind nur die Spitze des Gedankeneisbergs. Es ist ein bisschen, wie einschlafen wollen, aber nicht können, weil man ständig daran denkt, welche Rechnungen man morgen noch bezahlen muss, und dass man den 14-Uhr-Termin eine halbe Stunde verschieben möchte. Musik und Licht faden aus, ein Teil der Gedanken und Fragen sind abgearbeitet. Nach ein paar Minuten habe ich im dunklen Tank schon keine Orientierung mehr. Der Versuch, sich etwas weiter Rechts zu positionieren, endet damit, dass ich das Gefühl habe, immer weiter in diese Richtung zu treiben. Die Wand scheint weg zu sein, der Raum unendlich.
Wissenschaftlich nennt sich das, was ich hier mache „Floatation REST". Der Neurophysiologe John C. Lilly hat die Tanks in den Fünfzigerjahren des letztens Jahrhunderts entwickelt. Er wollte herausfinden, was mit dem Gehirn passiert, wenn man komplett alle Umweltreize abschaltet. Bis zu seiner Forschung ging man davon aus, dass komplette Reizdeprivation zu Psychosen und Geisteskrankheit führt. Lilly baute den ersten Tank und führte Selbstversuche durch. Sein Ergebnis: In dieser reizarmen Umgebung entspannen sich nicht nur die Muskeln, sondern auch das Gehirn. Es rutscht in einen trance-ähnlichen Zustand, bei dem auf dem EEG Theta-Wellen zu sehen sind. Theta-Wellen treten vor allem in Traumphasen und im hypnagogischen Zustand auf, also beim Hinübergleiten in den Schlaf.