Vor 13 Jahren lag Drew Brees auf einer Liege im Mittleren Westen in Alabama und fürchtete um seine Karriere. Was der zuständige Arzt da im Operationszimmer sah, ließ ihn erschrocken fragen: "Wie sollen wir das alles wieder hinkriegen?"
An Neujahr 2005 hatte sich der junge Quarterback in einem Footballspiel schwer an der Schulter verletzt. Gleich drei Spieler landeten auf seinem Wurfarm, seine Schulter war um 360 Grad verdreht und so ziemlich alles kaputt, was kaputt gehen kann. Die Ärzte gaben ihm eine Chance von 25 Prozent, dass er wieder Football spielen könnte. Heute sagt Brees: "Es war das Beste, was mir in meinem ganzen Sportler-Leben widerfahren ist."
Aus den "Aints" wird ein MeisterschaftsaspirantNach elf Operationen wechselte Brees 2006 von den San Diego Chargers, die nicht mehr an ihn glaubten, zu den New Orleans Saints, bis dahin eines der erfolglosesten Teams in der NFL. "Ein Wendepunkt in meinem Leben", sagt Brees.
Brees wurde wieder fit. 13 Jahre später stellt der bald 39-Jährige immer noch Rekorde auf und spielt mit seiner Mannschaft in der zweiten Playoff-Runde bei den Minnesota Vikings wieder um die Meisterschaft mit. Die "Aints", die Nichtskönner, wie die New Orleans Saints lange abschätzig genannt wurden, sind mittlerweile eines der besten Teams der Liga - und "Saint Breesus", wie die Fans ihn nennen, ist ihr Leader.
Brees - ein Mann für die Statistiken2009 gewannen die Saints zum ersten Mal überhaupt den Super Bowl, Brees wurde wertvollster Spieler. Er hat die meisten Touchdowns und den größten Raumgewinn aller Quarterbacks seit 2006 - ist damit besser als die Legenden Tom Brady oder Peyton Manning. Und: Brees hält den NFL-Rekord für die meisten an den Mann gebrachten Pässe, den er in dieser Saison sogar noch einmal verbesserte (Quote: 72 Prozent).
Brees spielt seit zwölf Jahren in New Orleans auf gleichbleibend höchstem Niveau. Obwohl ihn viele Experten mit 1,80 Meter Körpergröße für zu klein hielten, setzte er sich nach seiner schweren Verletzung schnell durch. Sein Erfolg ist, wie bei vielen Spielmachern, eng verknüpft mit einem Trainer: Sean Payton coacht die Saints mittlerweile ebenfalls seit zwölf Jahren und schenkte Brees vom ersten Tag an sein Vertrauen.
"Kein Fantasy Football mehr"Die Rolle des Anführers hat sich in diesem Jahr aber verändert. "Wir spielen nicht mehr Fantasy Football", sagt Payton und meint damit: Drew Brees muss den Ball nicht mehr um jeden Preis in die Endzone werfen. Der Angriff der Saints - früher fast nur auf Passspiel ausgerichtet - ist momentan der ausgeglichenste in der Liga. Das Laufspiel ist rekordverdächtig und entlastet Brees. Mit Mark Ingram und Alvin Kamara hat New Orleans das beste Lauf-Duo der Liga (zusammen 23 Touchdowns). Deshalb sind die New Orleans Saints in dieser Saison so schwer auszurechnen wie nie.
Brees ließ den jüngeren Cam Newton alt aussehenWenn das Laufspiel mal nicht funktioniert wie im ersten Playoff-Spiel gegen die Carolina Panthers (31:26), ist Brees wie gewohnt zur Stelle. "Mit einem Quarterback wie ihm bist du immer im Rennen", meint Teamkollege Ingram. Brees übertraf sein Gegenüber, Panthers-Star Cam Newton, in allen Statistiken - und das obwohl er zehn Jahre älter, 15 Zentimeter kleiner und 20 Kilo leichter ist. So erfahren, leichtfüßig und zielsicher wie Brees ist kaum ein Quarterback in der NFL. Dazu hat er nach wie vor einen der stärksten Arme, wie er beim 50-Yard-Pass auf Receiver Ted Ginn bewies.
In Minnesota wird er wieder richtig gefordert sein. Die Vikings haben die beste Verteidigung in der NFL und hatten Brees beim ersten Aufeinandertreffen in dieser Saison gut im Griff. Seitdem haben die Saints ihr System umgestellt und eine Siegesserie hingelegt.
"Der Spirit von New Orleans"Privat ist der vierfache Familienvater Brees übrigens genauso bodenständig wie auf dem Feld. Seine Lebensphilosophie beschreibt er mit family, faith, football, philanthropy (also: Familie, Glaube, Football, Menschenliebe). Er engagiert sich mit einer eigenen Wohltätigkeitsstiftung und half beim Wiederaufbau von New Orleans nach der Hurricane-Katastrophe 2005 mit.
Damals erklärte ein Jugendlicher im amerikanischen Fernsehen: "Er ist der Spirit von New Orleans". Und weiter: "Er verkörpert den Enthusiasmus, den Kampfgeist unserer Stadt. Als ich Drew Brees und die Saints wieder gewinnen sah, war für mich klar, dass ich so schnell wie möglich in die Stadt zurück muss."