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Hyperloop: Ab durch die Röhre

Das spanische Start Up Zeleros will ultraschnelles Reisen in der Röhre möglich machen und steckt die Technik in den Pod (Illustration: Zeleros)

Zeit Online, 25. März 2022. Glaubt man Elon Musk, könnten Hyperloops das Transportmittel der Zukunft sein. Doch noch sind viele Fragen offen. Ein spanisches Start-up erregt mit einem ungewöhnlichen Ansatz Aufsehen. Ein Besuch bei Zeleros.


Auf Zukunftsvisionen versteht man sich in Valencia. Aus dem ehemaligen Bett des Flusses Turia schwingen sich die Museumsbauten von Santiago Calatrava. Wegen ihrer futuristischen Anmutung werden die weißen Stahlbetonskelette mit den verspiegelten Glasflächen von Unternehmen gern als Werbekulisse genutzt. Auch das spanische Start-up Zeleros hat seinen Hyperloop-Pod hier fotografieren lassen: eine längliche Kapsel, die elektromagnetisch angetrieben durch eine fast luftleere Röhre flitzen und - wenn mit grünem Strom betrieben - emissionsloses nahezu in Schallgeschwindigkeit ermöglichen soll. Das System kombiniere, so verspricht es ein Werbevideo der Firma, "die Geschwindigkeit eines Flugzeuges mit der Häufigkeit der U-Bahn" und gebe den Menschen ihr "wertvollstes Gut" zurück: Zeit.

Die Grundidee für das Reisen in der Röhre findet sich bereits in Drucken aus dem späten 18. Jahrhundert. Magnettechnologien und Elektronik machen sie technisch umsetzbar. Seit Tesla-Chef die Idee 2013 aus der Versenkung holte, tüfteln weltweit Firmen an dem Konzept. Eingesetzt werden soll die ultraschnelle Schwebebahn auf Strecken zwischen 400 und 1.200 Kilometern. Auf diesen Distanzen sind Flugzeuge nicht gerade effizient und mit dem Zug braucht man viel Geduld.

Geht es nach Zeleros, soll es bereits 2030 erste Verbindungen geben, 2050 dann ein Streckennetz, das Hauptstädte und Wirtschaftszentren miteinander verknüpft. "Der Bedarf an schnellen, emissionsfreien Reisen ist durch die Klimakrise so groß wie nie. Das ist unsere Chance", sagt Juan Vicén. Der 28-jährige Maschinenbauingenieur hat das Unternehmen 2016 mit Studienkommilitonen gegründet. Zehn Millionen Euro an Förder- und Investorengelder konnten sie seitdem einsammeln und wichtige Verbündete finden - vom spanischen Hochspannungsnetzbetreiber Red Eléctrica Española bis zur auf Hightech spezialisierten Unternehmensberatung Capgemini.


Ein besonderes Hyperloop-Konzept


Vicén führt durch das Großraumbüro von Angels, einem Innovationshub am Yachthafen von . Die Firma belegt inzwischen den Großteil der zweiten Etage, die Labore befinden sich in einem Vorort. Vor den Fenstern des Neubaus dümpeln Yachten, im Aufenthaltsraum gibt es Sushi und Smoothies. Fast alle der 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind jünger als 35 Jahre, auf den Namensschildern steht nur der Vorname. So wie man das von einem Start-up erwartet.

Der US-amerikanische Konkurrent Virgin Hyperloop One hat bereits im Herbst 2020 ein Video von der ersten bemannten Testfahrt gepostet, wenn auch nur in einer 500 Meter kurzen Teströhre und mit einer Maximalgeschwindigkeit von gerade einmal 172 Kilometern pro Stunde. So weit ist Zeleros noch nicht. Aber die Spanier haben ein Konzept, das sie von Wettbewerbern abhebt und das ihnen zuletzt einen Platz auf der Liste der 50 vielversprechendsten europäischen Start-ups im Bereich saubere Mobilität einbrachte.

Juan Vicén stellt ein armlanges Modell des Hyperloop-Pods - also der Kapsel, die durch die Röhre rasen soll - auf den Tisch. An der Vorderseite sitzt ein turbinenförmiger Kompressor. Im Gegensatz zu den Vorschlägen der meisten Mitbewerber ist die Röhre bei Zeleros nicht luftleer, sondern ahmt lediglich die Druckverhältnisse in Flughöhe nach. Materialverhalten und Dynamik auf Flugreisehöhe sind bekannt, das soll die Zertifizierung der Pods erleichtern. Der Wissenstransfer von einer Branche in die andere gehört zum Konzept: Airbus ist Kooperationspartner der Spanier. "Wir verstehen uns nicht als Konkurrenten, sondern als Alliierte des Luftverkehrs", sagt Vicén.

Dazu versucht Zeleros, so viel Technologie wie möglich in die Pods und so wenig wie möglich in die Röhren zu stecken. Je einfacher das Röhrensystem, je niedriger seine Baukosten, desto größer die Chancen, dass Hyperloops tatsächlich irgendwann Passagiere und Waren befördern. 20 bis 40 Millionen Euro pro Kilometer wird der Bau der Röhren laut firmeneigenen Schätzungen kosten, etwa genau so viel wie das Streckennetz des spanischen Hochgeschwindigkeitszuges AVE.


Der ideale Ort für den Hyperloop: die Wüste

Tatsächlich kann niemand sicher sagen, wie teuer das Streckennetz für Hyperloops wird. Das zeigt der Blick in vergleichende Studien, wie sie etwa Jorge Martínez García für die Polytechnische Universität Madrid erstellt hat: Manche Entwickler sprechen von elf, manche von 108 Millionen Euro pro Kilometer, je nachdem, ob die Röhren aus Stahl oder Beton sind, ob Berge durchbohrt, Städte untertunnelt oder Flüsse überbrückt werden müssen. Ausschlaggebend sei letztlich, sagt García, wie schnell und effizient Träger und Brückenteile industriell gefertigt werden könnten.

Bereits bestehende Infrastrukturen wie Schienen oder Autobahnen können für Hyperloops nicht verwendet werden. Sie sind zu kurvig, die Fliehkraft würde das Reisen in der Hochgeschwindigkeitskapsel für Menschen unerträglich machen. Das kann jeder nachvollziehen, der einmal in einem Kettenkarussell saß. Je gerader und ebenerdiger die mögliche Route, desto einfacher.

Auch deswegen sieht das Start-up aus Valencia seine Chance vor allem im Mittleren Osten. Die Wüste sei ein idealer Ort für futuristische Röhrenreisen: viel Platz, kaum Infrastrukturen, dazu risikofreudige Investoren, die sich auf das Ende des fossilen Zeitalters vorbereiten.


Spanien will vorne mit dabei sein

Juan Vicén klickt durch eine Powerpoint-Präsentation, die er für die Weltausstellung Expo vorbereitet hatte, die noch bis Ende März in Dubai stattfindet. Sein Team hat im spanischen Pavillon den Prototypen der Reisekapsel ausgestellt. Das Interesse sei mit über einer Million Besucher "sehr groß" gewesen, sagt Vicén – auch dank der Rückendeckung vom Staat. Spanien hat die Entwicklung von Hyperloop-Systemen bereits 2019 zu seinen strategischen Zielen erklärt. Das Land hat bereits eines der bestausgebauten Hochgeschwindigkeitszugnetze Europas und will auch beim potenziellen Transportmittel der Zukunft vorne mit dabei sein.

Im nächsten Jahr wird im zentralspanischen Castilla La Mancha eine vier Kilometer lange Teststrecke gebaut, in der sich Aufhängung der Reisekapseln und Anschubtechnik unter Realbedingungen prüfen lassen. Ihr soll eine 30 Kilometer lange Röhre folgen, in der sich das gesamte System validieren lässt, inklusive Beschleunigung, Bremssysteme, Evakuierungsmaßnahmen. Es wäre der entscheidende Schritt zur Zertifizierung auch auf europäischer Ebene. Ein Budget dafür gibt es allerdings noch nicht.

Die technische Kommission, die für Hyperloops EU-weite Standards festlegen soll, tagt bereits seit anderthalb Jahren, auch ihr sitzt ein Spanier vor: Javier Tamarit. Er ist pensionierter Ingenieur und Bahnexperte und hält das Timing der Jungunternehmer für "sehr optimistisch". Denn: "Beim Hochgeschwindigkeitszug haben wir für einen gemeinsamen Standard 15 Jahre gebraucht", sagt Tamarit. "Das beim Hyperloop zu schaffen, wäre schon sehr gut."

Bisher sind sich die Entwickler weder über die beste Technik noch über den idealen Durchmesser der Röhre einig. In einem ersten Schritt zur Standardisierung sollen alle Firmen nun die Risiken ihrer Projekte analysieren. Was passiert bei Havarien in der Röhre? Wie evakuiert man am besten bei Unfällen? "Die Herausforderungen sind enorm, aber wir sind mit Feuereifer dabei", sagt Tamarit.

Das Transrapid-Trauma

Im Gespräch mit ihm wird klar: Eine Motivation sind auch die gescheiterten Pläne einer europäischen Magnetschwebebahn. Immer wieder taucht das Stichwort Transrapid auf. Dass in Europa Pläne für eine, so Tamarit, "ausgereifte und fertig entwickelte Technologie" eingestampft wurden, wirkt als Trauma in der Branche nach. Bis heute haben lediglich China und Japan Magnetschwebebahnen. Noch einmal will Europa der Konkurrenz aus Fernost das Terrain nicht überlassen.

Und das zwingt zur Eile. Zeitfenster für neue Technologien sind kurz. Hyperloops sind nur sinnvoll, wenn sie inklusive der enormen Investitionen tatsächlich energieeffizienter und emissionsärmer sind als andere Formen des Reisens. Kommt das Wasserstoffflugzeug oder machen Superbatterien irgendwann elektrische Flugreisen über längere Strecken möglich, werden die Pläne für schwebende Röhrenbahnen wohl nie umgesetzt.


Auch Zeleros-Mitgründer Juan Vicén ist Realist genug, um das zu wissen. "Wir rennen gegen die Zeit. Eine Chance haben wir nur, wenn das System in den nächsten zehn Jahren eingeführt wird." Und wenn nicht? Der Jungunternehmer zuckt die Schultern und lacht. "Dann fließt die entwickelte Technologie eben in andere Produkte ein." In den Flugzeugbau, verbesserte Hochgeschwindigkeitszüge, Magnetantriebe: Fast alles eigne sich für ein Spin-off.

Bevor Vicén seinen Laptop zusammenklappt, zeigt er noch ein paar Fotos vom Hafen von Sagunt. Ein für den Hyperloop entwickelter Linearmotor bewegt dort inzwischen emissionslos Container von einem Lager ins andere. Das kann er auch tun, wenn das Reisen im Hyperloop ein Traum bleibt.



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