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Der Schwede, der TeBe verzauberte

Bild: imago images/WEREK

Die Fans von Tennis Borussia lieben Benny Wendt bis heute. Dabei stürmte der Schwede nur eine Saison für TeBe. 1976/77 war das. Der Verein spielte in der Bundesliga - und Wendt schoss 20 Tore. Die Geschichte einer besonderen Beziehung. Von Johannes Mohren

Es ist Anfang 1977, als das Cover des Kicker den schwedischen Blondschopf Benny Wendt zeigt. Er ist "der Mann, der Tore schießt", wie das Fußball-Fachmagazin damals schreibt. Es ist ein Titelbild, das bei Jens Schleifenbaum zur Tapete im Jugendzimmer wird. "Das war für mich der Hammer", erinnert er sich, "ich habe es mir gleich aufgehängt." Schleifenbaum ist damals 14 Jahre alt und glühender Anhänger von Tennis Borussia Berlin.

Wendt: "Es war amazing!"

Wendt ist eines seiner großen Idole. Wie von vielen TeBe-Fans seiner Generation. 1976 kommt der 25-jährige Schwede nach West-Berlin. Der Verein ist gerade zum zweiten Mal in die Bundesliga aufgestiegen. Lange bleiben wird Wendt nicht - und doch reicht die Zeit aus, dass die Fans der Lila-Weißen sich in ihn verlieben und er sich in sie. "Das eine Jahr, in dem ich hier war, war amazing [Anm. d. Red: großartig], wie man im Englischen sagt", erzählt Wendt kürzlich rbb|24 im Interview, am Rande des Traditionsmasters in Berlin, "das sind so viele wunderbare Erinnerungen. Ehrlich."

Dabei ist zunächst gar nicht abzusehen, dass der Schwede bei TeBe zum Star werden wird. Beim 1. FC Köln ist er zuvor nicht wirklich glücklich geworden. Wendt ist nur Ergänzungsspieler beim Klub aus dem Rheinland, der damals sportlich weitaus mehr glänzt, als er es heute tut und mit zahlreichen Nationalspielern zur Bundesliga-Spitzengruppe gehört. Für Wendt reicht es zwischen den Müllers, Löhrs und Overaths nur zu sechs Einsätzen in seiner Premieren-Saison im deutschen Oberhaus. Ein Tor gelingt ihm nicht. Es ist also zunächst kein Transfer, der die Fan-Herzen von Beginn an höher schlagen lässt.

"Da merkte man dann: Okay, der hat was drauf"

Zumal die Fußstapfen bei TeBe groß sind. Der Klub hat Norbert Stolzenburg trotz des Aufstiegs nicht halten können. "Er war unser bester Angreifer und der Torschützenkönig", erinnert sich Schleifenbaum. Ein neuer Stürmer muss also her. Und es wird eben Wendt - das ziemlich unbeschriebene Blatt. "Wir haben gar kein großes Bild gehabt. Wir wussten, dass er in Schweden recht viele Tore gemacht - und ja - in Köln eben nicht groß eingeschlagen hat", sagt Schleifenbaum.

Bei TeBe kommt es anders. Da braucht Wendt keine Anlaufzeit. Gleich im ersten Spiel - einem 2:2 gegen Essen - trifft er doppelt. Und als der Aufsteiger mit Trainer Rudi Gutendorf zwei Wochen später gegen Düsseldorf seinen ersten Saisonsieg feiert, gelingt Wendt ein Viererpack. Wieder sind es alle Tore der Lila-Weißen, die auf sein Konto gehen. "Da merkte man dann: Okay, der hat was drauf", sagt Schleifenbaum. Tatsächlich arbeitet Wendt im Eiltempo am Legenden-Status. "Manchmal habe ich einen Lauf gehabt. Warum es so gut gelaufen ist, das weiß ich nicht. Es war irgendwie die Stadt, die Leute und meine Frau natürlich", sagt er selbst heute.

20 Tore in 30 Spielen

Die heiratet er während seines Jahres in Berlin. Es ist zu spüren, dass ihn diese sportlichen und privaten Erinnerungen immer noch emotional bewegen. Auch jetzt, mit inzwischen 69 Jahren. "Es war eine schöne Zeit. Alles ist reingegangen und ich war natürlich auch topfit", sagt er.

Sein Spitzname ist "Eisenbieger". Er ist ein harter Typ, der früher schon auf dem Bau gearbeitet hat. Einer, der sich nicht so einfach stoppen lässt und immer vollen Einsatz zeigt - auch wenn die Gegner ihn wahrlich nicht schonen. "Er wurde teilweise schon sehr brutal genommen. Sie haben gewusst: Wenn wir den ausschalten und ein paar Mal ordentlich auf die Socken und den Knöchel gehen, dann bringt das was", erinnert sich Schleifenbaum. Denn es ist ganz klar: Wer Wendt einmal laufen lässt, kommt nur noch mit Glück hinterher. "Dann ist er halt los und ab ging es. Heute würde man sagen: Er war perfekt fürs Umschaltspiel."

Ein guter Schuss mit links, mit rechts einen schlechten

Und perfekt für Tennis Borussia. Sein Spielstil passt zum Aufsteiger. "Ich hatte einen guten Schuss mit links. Mit rechts einen schlechten. Aber der Trainer hat immer gesagt: 'Lieber einen guten linken als zwei schlechte!' Und ab und zu habe ich auch mal einen Kopfball reingemacht", erinnert sich Wendt. Er lacht. Uneitel ist er damals wie heute - ein geradliniger Typ, auf dem Platz genauso wie daneben. "Nicht abgehoben, sondern ein total Netter", sagt Schleifenbaum.

Als die Saison 1976/77 zu Ende ist, hat Wendt 20 Tore erzielt. Und das eben nicht für ein Spitzenteam, sondern für TeBe - den Absteiger, der in jener Spielzeit sein bis heute letztes Bundesliga-Abenteuer erlebt. Wendt erzielt fast die Hälfte aller Tore der Lila-Weißen.


Der blonde 1,85 Meter große Mittelstürmer schafft in Lila und Weiß seinen Durchbruch - und es aufs Kicker-Cover. "Wenn einer Tore macht, ist das immer eine tolle Sache - gerade wenn der Verein an sich sonst nicht so erfolgreich ist. Dann ist es etwas Besonderes, wenn man jemanden hat, der Aufmerksamkeit erweckt", sagt Schleifenbaum. Auch für ihn ist das so. Er lebt damals für ein paar Jahre fernab der Berliner Heimat in München. Ein TeBeler zwischen Bayern-Fans, Gladbachern oder Kölnern. Einer wie Benny Wendt macht da stolz - und ist gut fürs fußballerische Selbstbewusstsein, wenn es sonst nicht so viel zu jubeln gibt: Schaut her, auch wir sind wer!


Kicken mit den Enkelkindern

Als sich TeBe nach einer Saison im Sommer 1977 wieder aus der Bundesliga verabschiedet, verabschiedet sich auch Wendt von TeBe. Er ist schlicht zu gut für die zweite Liga und zieht weiter Richtung Kaiserslautern. Doch es ist Berlin, das besonders in seinem Herzen bleibt. Selbst wenn andere Stationen in seiner Laufbahn deutlich länger dauern. Manchmal muss er nur zufällig Bilder vom Olympiastadion sehen - und die Erinnerungen sind wieder da. An die Spiele, aber vor allem an die Fans. "Deswegen finde ich das immer so schön, wieder hierher zu kommen. Ich finde die Menschen immer offen und ehrlich", sagt er im Januar beim Traditionsmasters.

Wendt selbst ist inzwischen seit fünf Jahren Pensionär. Was er nun so treibt? "Ich mache alles, was mir Spaß macht", erzählt er. Fußball - auch aus Deutschland - verfolgt er ganz intensiv. Bis hinunter in die Amateurligen. Nur selbst sei er ein bisschen zu wenig am Ball. "Ich spiele mit den Enkelkindern, aber das reicht wahrscheinlich nicht", sagt er. Denn da ist der Schwede, der TeBe nachhaltig verzauberte, ehrgeizig geblieben. "Ich muss mich verbessern."

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