Der Chef nervt, die Kunden meckern und die Aufgaben sind in acht Stunden überhaupt nicht zu schaffen: Wer nach einem stressigen Tag von der Arbeit nach Hause kommt, freut sich, wenn der Partner ihn aufmuntert. Manchmal reicht es ja, in den Arm genommen zu werden.
Grundsätzlich sind Männer und Frauen ähnlich gut darin, ihre Liebsten zu trösten. Für Männer gilt das allerdings nur mit einer entscheidenden Einschränkung. Fühlen sie sich selbst überlastet, sind sie ihren Lebensgefährtinnen ein vergleichsweise schlechter Rückhalt. Zu diesem Ergebnis kommen Psychologen um Thomas Bradbury von der University of California in Los Angeles und Guy Bodenmann von der Universität Zürich. Vor Kurzem ist ihre Arbeit im Fachmagazin Psychological Science erschienen.
Die Wissenschaftler untersuchten 189 heterosexuelle Paare. Der Altersschnitt lag bei 26 Jahren für die weiblichen Probanden und bei 28 für die männlichen. Im Mittel waren die Teilnehmer seit vier Jahren liiert und gaben an, mit ihrer Beziehung hochzufrieden zu sein.
Die Paare wurden in drei Gruppen aufgeteilt. In der ersten Versuchsbedingung war nur der Mann Stress ausgesetzt, in der zweiten Variante traf es nur die Frau. In der dritten Situation setzten die Psychologen beide unter Druck. Die Strapazen bestanden in einem Pseudo-Vorstellungsgespräch und einer fiesen Rechenaufgabe (von 2043 in 17er-Schritten rückwärts zählen). Dass diese Aufgaben wirklich überfordernd wirkten, überprüften die Psychologen anhand von Speichelproben. Diese wiesen tatsächlich erhöhte Werte des Stresshormons Kortisol auf.
"Du reagierst über"Vor und nach der Aufgabe saßen die Partner für acht Minuten gemeinsam in einem Raum, in dem sie gefilmt wurden. Später werteten die Wissenschaftler die Interaktionen der Probanden aus. Wie gut bauten sie ihre unter Druck geratenen Partner wieder auf?
Zwischen entspannten Männern und Frauen zeigten sich kaum Unterschiede. Sie spendeten ihren Partnern Trost, etwa indem sie sagten: "Du hast unter diesen schwierigen Umständen das Beste gegeben, mehr kann man nicht erwarten." Manche nahmen ihren Lieblingsmenschen auch in den Arm oder griffen seine Hand.
Deutlich anders sah es jedoch aus, wenn beide Partner vorab Schwierigkeiten meistern mussten. Dabei sank grundsätzlich die Bereitschaft, den anderen aufzumuntern. Doch Männer konnten besonders schlecht damit umgehen. Vor allem mit emotionalen Äußerungen von Frauen taten sie sich schwer (etwa: "Ich bin ein Wrack", "Die müssen mich für eine Vollidiotin halten"). Die Männer reagierten gereizt, versuchten das Thema zu wechseln ("Du reagierst über", „Hast du eine Idee, was wir heute Abend essen sollen?") und vermieden tendenziell Augenkontakt. Gestresste Frauen zeigten ein solches Verhalten im Durchschnitt seltener als Männer.
Was bedeuten diese Ergebnisse für Paare? Thomas Bradbury meint, es sei schon viel gewonnen, wenn sich Liebende dieser Mechanismen bewusst seien. "Gestresste Partner wünschen sich jeweils Unterstützung voneinander." Seien sich Männer und Frauen der Situation im Klaren und gelänge es ihnen dann, diese zu meistern, könnten sie daran sogar wachsen. Johannes Künzel
Guy Bodenmann, Thomas Bradbury u. a.: Effects of stress on the social support provided by men and women in intimate relationships. Psychological Science, 2015 (online vor Print). DOI: 10.1177/0956797615594616 ( Abstract)
Guy Bodenmann spricht im Interview darüber, warum Partnerschaften in Krisen geraten (kostenpflichtig)