Seit 2011 herrscht Krieg in Syrien. Seit 2014, dem Jahr, in dem der IS das Kalifat ausgerufen hat, noch heftiger. Und auch der Irak steht in Flammen. Die Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Kriegsparteien, Zusammenhänge und der Kriegsverlauf scheinen seitdem immer konfuser und komplexer zu werden. Doch Fernsehen, Internet, Zeitungen und Hörfunk bemühen sich, ihrem Publikum all das zu erklären. Sie erzählen von der Geschichte der unterschiedlichen Mächte ebenso wie von deren Kampfstrategien, Finanzierungen und ihren Stärken.
Aber was, wenn das Publikum nun glaubt etwas verstanden zu haben, das eigentlich gar nicht die ganze Wahrheit ist? Stimmt denn all das, was wir jeden Tag über den Syrien-Konflikt konsumieren? Wird nicht etwas vergessen?
Diese Fragen führten uns zu unserem Projekt „Datenschlacht": Wir lesen meist nur vom Islamischen Staat, er füllt die Blätter unserer Zeitungen, aber gibt es denn nicht auch andere, die dort Krieg führen?
Ja, die gibt es. Allen voran ist da das Assad-Regime zu nennen. Auch die Kurden und die irakische Armee. Ebenso wie die unzähligen Rebellengruppen, die 2011 begannen, gegen ihren eigenen Staat und für Freiheit zu kämpfen. Auch Mächte aus anderen Ländern mischen schon seit einiger Zeit mit. Das zeigt das Conflict Barometer , das jedes Jahr vom Heidelberg Institute for International Conflict Research neu erstellt wird und weltweit Konfliktparteien in ihrer Stärke portraitiert. Dennoch, das ergab unsere Analyse, erschienen im Sommer 2014 unverhältnismäßig wenige Artikel über die meisten Gruppen. Im Fokus stand meist der IS.
Um diesen Vergleich zwischen Medien und Conflict Barometer ziehen zu können, hat sich unsere Redaktion drei der großen Tageszeitungen Deutschlands aus unterschiedlichen politischen Lagern ausgesucht und all deren Artikel vom 28. Mai bis zum 29. Juli 2014 gelesen - der Zeit, zu der der IS das Kalifat ausgerufen hat. Die Zeitungen sind die Süddeutsche Zeitung, Die Welt und die TAZ. 199 Artikel haben wir insgesamt gelesen und kodiert.
Dabei ging es nicht nur darum, festzustellen, wie stark eine Partei eingeschätzt wird, oder ob der Autor auch eine persönliche Bewertung über die Konfliktgruppe abgibt, sondern besonders auch um konkrete Daten und Quellenangaben. Unsere Datensätze verglichen wir dann mit den Ergebnissen des Conflict Barometers. Dessen Macher betrachten stets mehrere Ebenen eines Konfliktes: Zum einen Zerstörungen von Wohnraum, Infrastruktur, Ökonomie und Kultur. Zum anderen aber auch die Zahlen von Waffen, Soldaten, Flüchtlinge und schließlich Todesopfer. Auf diese Weise können sie Schlüsse über die Intensität eines Konfliktes ziehen.
Was herauskam entsprach unserer ersten Vermutung: Der Konflikt wird nicht so dargestellt, wie ihn unabhängige Experten einschätzen. Manche Parteien sind über-, andere unterpräsentiert. Doch einige andere Ergebnisse, über die ihr in den Artikeln lesen könnt, haben uns auch wirklich überrascht.
Trotz der hohen Anzahl der Artikel und Datensätze müssen wir allerdings sagen, dass unsere Analyse und der Vergleich nicht repräsentativ ist: Es gibt mehr als drei Tageszeitungen in Deutschland, es gibt Magazine, das Fernsehen und das Radio, ganz zu schweigen vom großen weiten Internet. Und genau wie der Konflikt selbst ist auch die Berichterstattung über ihn bei weitem komplexer, als dass man sie in ein paar einfache Zahlen und Diagramme pressen könnte. Dennoch haben wir es versucht, um für euch und für uns ein paar Fragen zu klären.
Was am Ende trotz unserer Gespräche mit namhaften Experten wie Dr. David Arn oder Kristin Helberg offenbleibt, ist die Frage, wieso die Berichterstattung ein so verzerrtes Bild der tatsächlichen Situation lieferte. Es gibt Anhaltspunkte dafür: Etwa, dass es in Deutschland zu wenige Experten auf dem Gebiet Syrien gibt, oder dass viele Reporter aus Sicherheitsgründen das Land bereits vor 2014 verlassen mussten. Eine klare Antwort aber haben wir nicht.
Weiterleitung zu den entsprechenden Artikeln über das Original
Februar 2016
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