Viele Wohnhäuser müssen dringend energetisch saniert werden. Was das für die Mieter*innen bedeuten kann, zeigt ein Beispiel aus Berlin.
Der Zitronenbaum steht auf einem Baugerüst weit oben im fünften Stock zwischen drei kleineren Grünpflanzen. Das Gerüst umrahmt Maja Eisners Balkon, darum herum ist ein dünnes Netz gespannt. Jugendliche und Tourist*innen klettern gerne mal hoch, nachts lässt Eisner die Balkontür deswegen nicht mehr auf. Doch damit hat sie sich abgefunden. Das Gerüst steht seit über einem Jahr. Jetzt nutzt sie es als sonnigen Platz für ihre Pflanzen. „Meine größte Sorge ist, dass sie nicht genug Licht bekommen", sagt Eisner leicht im Scherz.
Eisner wohnt in der Winsstraße in Berlin-Prenzlauer Berg. Die meisten Häuser hier stammen aus der Gründerzeit, ihre Fronten sind meist verziert. Von der Fassade an Eisners Haus sieht man derzeit wenig, es ist komplett eingerüstet. Das Gebäude wird saniert, die Bewohner*innen haben eine lange Liste mit Modernisierungen zugesandt bekommen. Im Hinterhaus sollen Balkone angebracht, außerdem Fassade und Dach gedämmt werden. Obendrauf soll ein neues Stockwerk entstehen. Nachverdichtung im eng besiedelten Prenzlauer Berg und vor allem: energetische Sanierung. Wenn es denn eine ist.
Als Maja Eisner 2009 mit ihrem Ehemann einzog, waren die 1.250 Euro Kaltmiete für rund 125 Quadratmeter schon nicht gerade günstig. Mittlerweile zahlt man in Prenzlauer Berg eher das Doppelte. Auch Eisner soll wegen der Sanierung künftig etwa ein Drittel mehr zahlen und käme dann auf 1.625 Euro kalt. Leisten könnte sich das Paar das: Sie ist Psychotherapeutin, er Architekt. Schmerzen würde es trotzdem. Eisner heißt eigentlich anders, doch sie will nicht, dass ihre Patient*innen zu viel Privates über sie erfahren. „Die googeln alles."
Eisner hält viele der Maßnahmen für sinnlos, bei anderen bezweifelt sie, dass sie sie als Mieterin bezahlen muss. Deshalb wehrt sie sich.
Etwa 16 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland gehen auf Gebäude zurück. Bis 2030 sollen die Emissionen um 68 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 sinken. So steht es im Klimaschutzprogramm 2030 der Bundesregierung. Mit der richtigen Sanierung - Wärmedämmung, neue Heizung, neue Fenster - ließe sich viel Energie sparen. Sie kostet aber auch. Und in der Regel müssen nicht die Hausbesitzer*innen, sondern die Mieter*innen zahlen.
Wohnen ist in den vergangenen Jahren sowieso schon teuer geworden, in letzter Zeit auch wegen stark ansteigender Energiepreise. Die treffen vor allem ärmere Haushalte, da diese einen hohen Anteil ihres Einkommens für Energiekosten aufbringen müssen. Machen energetische Sanierungen arme Mieter:innen noch ärmer? Oder sind sie in Zeiten steigender Energiepreise ihre Rettung?