Es ist fast ein halbes Jahr her, dass Nadia Zaboura ihren Kollegen Nils Minkmar live gesehen hat. Jetzt sitzen sie sich im Café Funkhaus in der Kölner Altstadt gegenüber und plaudern über ihre Sommerurlaube. Vor ihnen steht ein Laptop, daneben liegt ein Stapel Notizen mit gelb markierten Passagen. Manchmal müssen sie gegen die Mahlgeräusche der Kaffeemaschine anreden, die man im Hintergrund hört. Minkmar lässt seinen Blick immer wieder durch den Raum gleiten, Zaboura lacht viel. Die beiden sind die Gastgeber*innen von „quoted. der medienpodcast". In weniger als einer Stunde sind sie für einen Aufzeichnungstermin in einem nahe gelegenen Tonstudio verabredet. Von Aufregung keine Spur.
Nadia Zaboura und Nils Minkmar arbeiten seit anderthalb Jahren zusammen. Alle zwei Wochen sprechen sie in ihrem Podcast „quoted. der medienpodcast" mit ihren Gästen über die mediale Berichterstattung über die Einwanderungsgesellschaft. Sie diskutieren über Mechanismen des Boulevardjournalismus, über die Unschärfe von Begriffen wie „Clan" oder darüber, wie Politiker*innen und Medien bestimmte Diskurse prägen. Ihre Treffen beschränken sich hauptsächlich auf virtuelle Meetings, da Nils Minkmar in Wiesbaden lebt, Nadia Zaboura in Köln. Sie ist Kommunikationswissenschaftlerin und Linguistin, er Journalist bei der Süddeutschen Zeitung. Beide haben eine Migrationsbiografie - er eine deutsch-französische, sie eine slawisch-arabische - und sind zweisprachig aufgewachsen. Auf die mediale Berichterstattung über die Einwanderungsgesellschaft schauen sie daher mit einem besonders aufmerksamen Blick.
Diversität bei den Themen und im Team„Unser Podcast ist ein Einordnungsangebot. Wir reden darüber, wie Medien oder Politiker*innen in Deutschland gewisse Diskurse prägen. Und was das eigentlich mit unserer Vielfaltsgesellschaft macht", erklärt Zaboura. Zu ihren Hörer*innen zählen Journalist*innen, Medienkritiker*innen oder auch Studierende. Hinter dem Format steckt die CIVIS Medienstiftung, ein gemeinnütziges Unternehmen mit Sitz in Köln. Seit 1988 richtet die Stiftung jährlich den CIVIS Medienpreis für Integration und kulturelle Vielfalt sowie Medienkonferenzen aus. 2022 wurden zusätzlich der Podcast „quoted. der medienpodcast" und das Instagram-Format „medientalk live" ins Leben gerufen. „quoted" ist eine Kooperation von CIVIS mit der Süddeutschen Zeitung, der „medientalk live" eine mit COSMO (WDR).
Das zeigt beispielsweise die aktuelle Folge „Medien und das jüdische Leben in Deutschland", für die es mehrere Anlässe gab: das jüdische Neujahrsfest Rosch ha-Schana, die „Jüdischen Kulturtage Berlin" und eben auch die Aiwanger-Affäre. Gemeinsam mit Stiftungsleiterin Forudastan macht Philipp Anft die Redaktionsplanung und überlegt sich, welche Expert*innen infrage kommen. Anschließend beraten sie sich mit den beiden Hosts, die ihrerseits Vorschläge und Quellen ergänzen, und tauschen sich mit einer Redakteurin der Süddeutschen Zeitung aus. „Welche Stimmen kennt man noch nicht aus öffentlichen Diskursen, wer bringt neue Perspektiven ein - das ist uns bei der Gästeauswahl wichtig", wirft Nils Minkmar ein.
Journalistische Sorgfaltspflicht kollidiert mit GeschäftsmodellVielfalt auf allen Ebenen ist das Motto, das sich durch den Podcast zieht. Und - das ist Nadia Zaboura ganz wichtig -, die Verantwortung von Journalist*innen bei der Einordnung von Sachverhalten zu betonen. Zaboura bringt die wissenschaftliche Expertise in den Podcast ein. Neben ihrer Rolle als Host von „quoted. der medienpodcast" berät sie mit ihrer Kommunikationsagentur Wissenschaft, Politik und Institutionen und ist langjährige Jurorin und Juryvorsitzende des Deutschen Radiopreises. „Für mich gehört es zur journalistischen Sorgfaltspflicht, sich mit problematischen Begrifflichkeiten aktiv auseinanderzusetzen. Es muss Aufgabe der Redaktionen sein, dieses Wissen gemeinsam zu erarbeiten, zur Verfügung zu stellen und zu besprechen", fordert sie. Aber sie weiß auch: „Teilweise scheitert es an Zeitressourcen - insbesondere bei den privatwirtschaftlichen Medien."
Wie schafft man es, sich davon aktiv frei zu machen? „Durch die Solidarisierung von Menschen, die das auch problematisieren - und zwar konstruktiv. Die so lange diskutieren, bis alle verstehen, welche Ressentiments in manchen Texten mitschwingen", rät Nadia Zaboura. Hilfreich seien auch Rügen beim Deutschen Presserat, öffentliche Foren der Medienkritik, darunter beispielsweise der Mediendienst Integration oder das Onlinemagazin Übermedien.
Für die 31. Folge zum Thema „Medien und das jüdische Leben in Deutschland" hat sich der Jurist und SZ-Journalist Ronen Steinke per Studio-Link dazugeschaltet. Auf einem Monitor sieht man alle drei Tonspuren getrennt voneinander. Während die Hosts mit ihrem Gast plaudern, gleicht der Tontechniker ihre Lautstärken an. Dann geht es los, Nils Minkmar spricht seine Anmoderation ein.
Der Podcast wird live aufgezeichnet und zwei Tage später gesendet. Da es kein Script gibt und sich die beiden Gastgeber*innen von „quoted" hauptsächlich auf ihre intensive Vorbereitung verlassen, kommt es hin und wieder zu Versprechern. Davon lassen sie sich aber nicht aus der Ruhe bringen, Sätze werden einfach noch mal eingesprochen. Später wird Philipp Anft die fehlerhaften Passagen rausschneiden. „Ich baue aber nicht mehr viel um", erklärt er. Meist sitzt er nach der Aufnahme noch einige Zeit mit dem Tonmeister zusammen. Doch jetzt verabschiedet er erst mal sein Team. Viel Zeit bleibt nicht, Nils Minkmar muss seinen Zug kriegen. Die zwölfseitige Ausarbeitung, die Nadia Zaboura als Gedankenstütze mitgebracht hat, verschwindet wieder in der Tasche. „Ich habe davon nur einen Bruchteil einbringen können", sagt sie und fügt hinzu: „Das ist aber auch nicht entscheidend - sondern die Vielfalt an Perspektiven, die wir zusammen mit unseren Gästen ermöglichen."