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Halbtrocken

Abstinenz ist nicht mehr das einzige Ziel in der Suchtbehandlung. Über einen Wandel und seine Chance

Schon mit 14 Jahren hat Heiko Enders* jeden Donnerstag mit seiner Clique und einem Kasten Bier das Wochenende eingeläutet und dann ausgiebig bis Sonntagmittag gefeiert. Nach dem Schulabschluss zog er nach Berlin - und dort jeden zweiten Abend durch Clubs und Bars. Zu Bier, Sekt und Schnäpsen gesellte sich immer mal auch Kokain. Zehn Jahre ging das so. Dann kam Köln: zwanzig Bier am Abend, manchmal auch nur zwölf oder dreizehn, dafür dann aber zusätzlich sechs oder sieben Wodka mit Red Bull.

Freundinnen und Freunde sprachen ihn nun immer öfter an, ob er nicht etwas viel trinke. Enders winkte jedes Mal ab. Er vertrage das, keine Sorge. Irgendwann begann er, nicht mehr nur in geselliger Runde und auf Partys zu trinken, sondern auch zu Hause Vorräte anzulegen - für sich allein. Drei- bis viermal in der Woche stürzte er zwei Flaschen Wein oder auch mal eine halbe Flasche Scotch hinunter. Immer öfter schwänzte er die Arbeit. Eigentlich nicht sein Stil.

Zweimal hat er seither schon versucht, das Trinken ganz sein zu lassen. Zuletzt hat das fast zwei Jahre geklappt. Doch jedes Mal gewann der Alkohol wieder die Oberhand. Auch an diesem einen Abend im Frühjahr. Erst gab es Champagner zum Anstoßen, dann Wein zum Quatschen und später Absinth in einer Bar. Und plötzlich schlug ihm die Hauswand ins Gesicht. Der inzwischen 44-Jährige war so betrunken, dass er sich entlang der Häuserfassaden durch die Straßen Hamburgs in seine Wohnung schleppen musste. Ein Absturz zu viel. Tränen schossen ihm in die Augen. Scham und Ekel krochen in ihm hoch. „Wie du dich selbst zugrunde richtest", dachte er. So, das wusste Enders, konnte es nicht weitergehen.


Vor nur 15 Jahren wäre der Weg, den Enders nun einschlagen musste, klar gewesen: Nie wieder trinken. „Damals hätte ich gesagt: Abstinenz ist das einzige Ziel, das es in der Behandlung von ­Abhängigkeit gibt", sagt auch Professor Karl Mann, einer der führenden...

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