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Spurensuche in Frankfurt: Naher Osten, ferner Osten

Go East: Das Ostend hat einen Bau- und Investitionsboom ohnegleichen erlebt. Altes verschwindet, Neues entsteht.

Kaum ein Stadtteil hat sich in den vergangenen Jahren so stark verändert wie das Ostend. Wo früher Schrottplätze gammelten, sind heute Wohnungen kaum noch zu bezahlen. Was die einen stört, begeistert andere.

Um die Entwicklung des Ostends zu versinnbildlichen, genügt ein kurzer Blick auf die Ecke Windeck-/Ostendstraße. Auf wenigen Metern lässt sich die jüngere Geschichte des Viertels an den Fassaden dort ablesen. Könnten die Häuser sprechen - sie würden Bände erzählen. Die westliche Straßenseite ist gesäumt von stuckverzierten Altbauten, deren Bausubstanz zu bröckeln beginnt. Schräg gegenüber verkommt ein grauer Sechziger-Jahre-Bau, die Fassaden voll Graffiti, vor der Tür liegen Scherben und Sperrmüll. Auf der östlichen Straßenseite dagegen umgeben dicke Mauern die teuren Neubauwohnungen, die es erst seit wenigen Monaten gibt. Nur eine Hausnummer weiter lärmt die Baustelle des nächsten Wohnprojekts, und von Süden her wirft das Hochhaus der Europäischen Zentralbank lange Schatten auf das Viertel.

Inmitten der Häuserschlucht steht Michael Boedecker, der seit beinahe dreißig Jahren im Ostend wohnt und sich in einer Nachbarschaftsinitiative engagiert. Die Hemdsärmel hochgekrempelt, blättert er durch seine handschriftlichen Unterlagen. Darin hält er fest, welche Häuser in den vergangenen Jahren gekauft und saniert wurden. „Ah ja", sagt er, als er schließlich findet, was er sucht. „Wieder ein Haus in der Ostendstraße, das ein privater Investor aufgekauft hat." Blinzelnd schaut er zu den oberen Geschossen der Gebäude hinauf, denn dort, wo er steht, blendet ihn das vom blauen Bankenturm reflektierte Sonnenlicht.

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