Stuttgart - Die Farbe der Bodenplatten auf dem Ernst-Reuter-Platz ist eine gute Annäherung an die jeweils aktuellen Zustände in Stuttgart-Giebel. Jahrzehntelang war dieser Platz dunkelgrau, trostlos - so wie viele Plätze eben sind, die in den fünfziger und sechziger Jahren angelegt wurden. Ein flacher, leerer Ort, mit Ladenzeile und ein paar alten Leuten auf den Bänken drumherum. Geplant, nicht gewachsen. Eines von unzähligen Beispielen jener Moderne, die eines ihrer Ziele deutlich nicht erreicht hat: die menschenfreundliche Stadt.
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Wahlatlas StuttgartEine Wahl der Extreme Wahlatlas StuttgartIm Viertel der Nichtwähler Wahlatlas StuttgartSo hat Ihr Stadtteil gewähltDer Stadtteil Giebel entstand vor genau sechzig Jahren aus dem Nichts. Stuttgart musste tausende Kriegsflüchtlinge unterbringen, irgendwo. Weil in der vom Krieg lädierten Stadt dafür nicht genug Wohnraum vorhanden war, baute man einfach neuen: am Stadtrand, auf der grünen Wiese. Unter anderem an der Grenze zu und entlang der Straße nach Gerlingen. Giebel war der Ort für die Sudetendeutschen. Bis heute reiht sich Wohnblock an Wohnblock. Der Stadtteil ohne historische Bausubstanz wird überragt von zwei Kirchtürmen: eine katholisch, die andere evangelisch, jede bietet Platz für Hunderte Gläubige. Auf historischen Bildern sind die Kirchenbänke gefüllt, nach dem Krieg zählte die Kirche noch was.
So ging das, jahrzehntelang. Die Menschen alterten mit ihrem neu errichteten Stadtteil, und als sie alle langsam starben, war der Ernst-Reuter-Platz dunkelgrau. Abgenutzt wie die Wohnblöcke, die wie anderswo auch möglichst billig gebaut worden waren. Zwischenzeitlich war Giebel wegen rivalisierender Jugendbanden berüchtigt. Ansonsten breitet sich seit jeher Schweigen über diesen Stadtteil am äußersten Rand von Stuttgart, in dem der Putz schon länger bröckelte.
Dabei gibt es genügend Grund, über Giebel zu reden. Hier, und nicht im (mittlerweile zu Unrecht) berüchtigten Nachbar-Stadtteil Hausen, feierten die Republikaner bei der letzten Kommunalwahl ihren größten Wahlerfolg. 7,8 Prozent der Stimmen holten sie hier, jede zwölfte Stimme ging an Rechtsaußen. Das ergibt der Wahlatlas von stuttgarter-zeitung.de.
Auch in einer zweiten Kategorie nehmen die Wähler in Stuttgart-Giebel die unrühmliche Spitzenposition ein: bei der Zahl der ungültigen Stimmen. Fünf Prozent aller Stimmen waren das, ein doppelt so hoher Anteil wie im gesamten Stadtgebiet. Giebel, der Stadtteil der Extrem- und Protestwähler.
Was ist los in diesem Teil Stuttgarts unterhalb des Schlosses Solitude, der von einer Stadtbahnlinie und der Stadtgrenze eingefasst wird? Was treibt die Bewohner von Giebel um? Und wer hilft ihnen, ihre Probleme zu lösen?
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