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Euro rutscht auf 20-Jahrestief: Droht Europa jetzt die Rezession?

Die Inflation frisst unser Geld. Auch unsere Wirtschaft ist gebeutelt von Teuerungen. Vor allem im Energiesektor. Jetzt kommt auch noch das Eurotief hinzu

Rezessionsängste und eine zögerliche EZB-Geldpolitik versetzen den Euro seit Monaten in den Sinkflug. Zuletzt beschleunigte sich der Abwärtstrend. Am Dienstagvormittag war es dann so weit: Erstmals seit 20 Jahren ist der Euro nur noch einen US-Dollar wert. Zum Vergleich: Im Juni 2008 gab es für einen Euro noch 1,57 Dollar. Damals war Amerika ein Einkaufsparadies für deutsche Urlauber. Heute ist eine Reise nach New York, Miami oder LA megateuer.

Analysten erklären die Entwicklung mit der wachsenden Rezessionsgefahr in der Eurozone und den Leitzinserhöhungen der US-Notenbank. Auch der Krieg in der Ukraine beschleunigte den Abwärtstrend.

Experten verraten in BILD, wie die wirtschaftliche Zukunft unseres LandesJürgen Matthes (54), Leiter des Kompetenzfelds für internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), sagt zu BILD: „Die US-Wirtschaft scheint sich momentan besser zu entwickeln als der Euroraum, wo aufgrund der drohenden Gasknappheit Sorgen vor einer weiteren Abschwächung des Wachstums aufkommen." aussieht und ob jetzt eine Rezession droht. Außerdem steht die Frage im Raum, was die Politik jetzt tun muss und was unsere Währungshüter tun werden, um Probleme wie die Mit radikaleren Zinserhöhungen könnte die EZB der aktuellen Parität entgegensteuern, denkt Matthes: „Ein solcher Schritt sollte dem Eurokurs helfen, weil er den Zinsvorteil der USA mindert". Inflation Jetzt dürfen wir das ausbaden, denn die Folgen der auf Hochtouren laufenden Geldpresse ist unsere aktuelle Monster-Inflation. Die FED (amerikanische Zentralbank) hat bereits den Leitzins angehoben, die EZB plant dies am 21. Juli zum ersten Mal seit elf Jahren zu tun. und die Parität zum US-Dollar in den Griff zu bekommen.

Das Eurotief (Parität zum US-Dollar) ist dem Fakt geschuldet, dass die Zinsen in den USA höher sind und schneller steigen als hierzulande. Die EZB plant noch die erste Zinserhöhung, während die Amerikaner dies bereits getan haben. Auch der Ukrainekrieg schadet dem Euro.

Die EZB geht einen anderen Weg als die FED mit ihrer spürbaren Zinsanhebung. Laut Schnellenbach könnte das „dazu führen, dass sie (die EZB) bei ihrer Kernaufgabe, der Inflationskontrolle, an Glaubwürdigkeit verliert, sodass dauerhaft höhere Inflationserwartungen in Europa die Folge sind."

Internationale Kapitalanleger würden einen Teil ihrer Gelder momentan von Europa über den Atlantik umschichten, daher auch die Börseneinbrüche hier, so der Experte: „Ein schwächerer Euro droht vor allem Energieimporte noch etwas teurer zu machen. Gegenüber der drohenden Gas-Mangellage ist das aber ein Nebenkriegsschauplatz."

Jürgen Matthes (IW) meint: „Die Euroschwäche kommt im jetzigen Umfeld mit der hohen Inflation ungelegen. Sie wirkt wie ein Brandbeschleuniger: Denn je niedriger der Wechselkurs des Euro ist, desto stärker werden im Verhältnis andere Währungen wie der Dollar." Wenn Energie und andere Güter in Dollar abgerechnet werden, müssen wir mehr Euro für die gleiche Dollar-Rechnung zahlen, so der Experte: „Das führt dazu, dass nach Deutschland eingeführte Waren teurer werden und so der Teuer-Schock weiter angefacht wird."

Die Folgen der expansiven Geldpolitik unserer Zentralbank sind auch neben der Parität verheerend, Stichwort Inflation. Spätestens seit der Pandemie druckte die Europäische Zentralbank (EZB) Massen an Geld, um die Wirtschaft am Laufen zu halten.

Das Ziel: konsequent die Inflation bekämpfen.

Ob wir jetzt in eine Rezession reinschlittern, hängt Jürgen Matthes (IW) zufolge von einem entscheidenden Faktor ab: Ob Deutschland im Winter ein schwerwiegendes Gasproblem hat, welches zur Abschaltung energieintensiver Unternehmen führt.

Universitätsprofessor und Wirtschaftswissenschaftler Dr. Jan Schnellenbach denkt jedoch, dass die EZB jetzt, trotz steigender Inflation, nicht schnell genug den Kurswechsel einleitet: „Sie müsste jetzt konsequenter handeln, ist aber viel zu zurückhaltend, weil sie die steigenden Zinsen auf Ländern wie Italien und damit eine neue Eurokrise fürchtet", sagte er zu BILD.

Dr. Rainer Zitelmann (65), Soziologe und Wirtschaftshistoriker, bewertet die Zwickmühle, in der sich die EZB befindet, ähnlich. Er sagt zu BILD, dass eine drastische Zinsanhebung gar nicht möglich sei, weil die EZB in der selbst gemachten Falle stecke. „Die Börsen und die Wirtschaft hängen an den niedrigen Zinsen wie ein Drogenabhängiger an Drogen. Hohe Zinsen, wie sie eigentlich nötig wären, würden Länder wie Italien in massive Probleme bringen und würden auch zu weit dramatischeren Einbrüchen an den Aktienmärkten führen", so Zitelmann.

Im Wirtschafts- und Marktausblick der Allianz heißt es: Die Abwärtsrisiken einer Rezession nehmen schnell zu. Droht jetzt die Rezession? Für eine bessere wirtschaftliche Zukunft in Deutschland fordert Zitelmann: „niedrigere Steuern, Kernenergie und Schluss mit der Planwirtschaft".

Rezession: Eine gesamtwirtschaftliche Abschwächung, die mit einem deutlichen Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) verbunden ist. Eine sogenannte „technische Rezession" liegt dann vor, wenn die Wirtschaft mindestens zwei Quartale in Folge (im Vergleich zum Vorjahresquartal) schrumpft.

Jürgen Matthes (IW) warnt vor weiteren „Megatrends", die die deutsche Wirtschaft herausfordern und unter Druck setzen werden. Beispielsweise werde die Babyboomer-Generation ab Mitte der 2020er in den Ruhestand gehen, sodass dies weniger Arbeitskräfte, weniger Wachstum und noch sehr viel mehr Fachkräftemangel bedeute.

Sollte dieses Horrorszenario eintreten, „dann werden nicht nur die Energiepreise noch weiter steigen, sondern eine Rezession wird sehr wahrscheinlich", denkt Matthes. Dann würden die Aktienmärkte in Deutschland weiter abtauchen und auch die Wirtschaftsstimmung bei Konsumenten und Investoren noch tiefer in den Keller gehen, sagt er.

Ebenfalls ein Problem für die wirtschaftliche Zukunft unseres Landes: die Lohnpolitik. „Wenn Deutschland durch höhere Preise für Energieimporte ärmer wird, müssen wir das, so schlimm es ist, leider hinnehmen. Die Unternehmen können das nicht durch sehr viel höhere Löhne kompensieren, weil sie ja selbst von den massiven Kostenanstiegen betroffen sind". Eine Lohn-Preis-Spirale wäre jetzt fatal und würde die Inflation verfestigen, meint Matthes.

Rainer Zitelmann sieht die Zukunft der deutschen Wirtschaft ebenfalls skeptisch: „Die größte Gefahr sehe ich darin, dass die Politik mutwillig die deutsche Automobilwirtschaft zerstört."

Auch Jan Schnellenbach ist der Auffassung: Politisch müsse jetzt relativ schnell das Energieangebot weiter gestreut werden, durch einen Ausbau der erneuerbaren Energien und die Laufzeitverlängerung der AKW. Weiter sagt er: „Die aktuellen Daten zur Stimmung unter den Unternehmen, die vom ifo Institut erhoben werden, zeigen eine relativ negative Erwartungslage an. Die Gefahr, dass wir in eine Rezession rutschen, ist daher relativ groß".

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